Streetart im Museum ist domestizierte Kunst – Interview mit einem Sprayer aus Linz

Leo, alias SPEK sitzt im Café Meier und zieht an seiner Zigarette. Er trägt ein oranges Shirt unter einem blaukarrierten Hemd. Der Kellner begrüßt ihn herzlich, als er ihn sieht und erzählt ihm das neueste aus seinem Leben. Leo ist öfter hier. Seine Rohdaten lassen aufhorchen: 26 Jahre, hat kein Internet, keinen Fernseher, hasst Werbung, liebt Streetart. Und er macht sich viele Gedanken, über sich, die Welt und Graffiti.

DAS INTERVIEW:

Gibt es eine Graffiti-“Szene” in Linz?

Eine wirkliche Szene gibt es in Linz nicht. Leute, die sich untereinander “connecten”, das schon. Das mit der Szene gab es früher viel mehr, das ist jetzt sehr zurückgegangen. Am ehesten sieht man sich noch beim Dosenkaufen in den Skateshops. Von den jungen Leuten habe ich ja keine Ahnung mehr, obwohl ich das interessant fände. Gar nicht gut ist es, wenn jemand zu sehr angibt. Egal ob jung oder alt. Graffiti ist ja eigentlich Eigenwerbung, du setzt deinen Namen drunter und machst so Werbung damit. Wenn du es gut machst, kommt der Ruhm und auch der Neid der anderen. Da steigt die Gefahr. Es kann halt schnell sehr teuer werden.

Unterscheidest du zwischen Privathäusern und öffentlichen Gebäuden?

Es gibt Leute, die scheißen wirklich auf alles. Die malen alles an. Dann gibt es wieder welche, die nur auf legalen Wänden malen. Das hat den Vorteil, dass man sich da Zeit lassen kann und alles wirklich perfekt ausarbeiten kann. Es gibt unterschiedliche Ansichten, sowas wie einen Kodex gibt es am ehesten noch unter den Leuten. Zum Beispiel gibt es auch die Einstellung keine religiösen Gebäude wie Kirchen oder Moscheen zu bemalen sowie keine denkmalgeschützten Gebäude, aber sonst alles. Privathäuser eben auch, mit dem Argument: Was ist schon Besitz?
Das ist eben Ansichtssache und jeder muss das selbst beurteilen. Gedanken sollte man sich aber schon darüber machen.

Gibt es sonst einen Kodex?

Zum Beispiel bei den legalen Wänden: Man sollte schon genau abwägen, ob man etwas crossed oder nicht. Das, was man übermalen möchte, sollte man selbst vom Niveau her schon halten oder überbieten können. Das hat etwas mit Respekt zu tun. Das Bild sollte man auch zunächst komplett überstreichen, zum Beispiel mit Dispersionsfarbe. Wenn man einfach drüberschmiert, ist das eigentlich eine Aufforderung zum Streit. Das bedeutet: ich respektiere deine Arbeit nicht.

Was würdest du Leuten entgegnen, die behaupten: “Graffitis verschandeln nur die Stadt?”

Ich würde sagen: die BAWAG verschandelt die Stadt, McDonalds verschandelt die Stadt. Da hat mich auch niemand gefragt, ob ich das da haben will. Das stört mich teilweise auch wirklich. Und die Werbung. Vor allem die Werbung. Ich werde grantig, wenn ich Werbung sehe.
Ich will nicht dauernd aufs Auge gedrückt kriegen, was mir laut Werbepsychologie gut tut. Ich kann das selbst entscheiden. Ich fühle mich da teilweise entmündigt.

Was hältst du dann zum Beispiel von reverse Graffiti, die mittlerweile auch häufig für Werbung verwendet wird?

Scheinheilig. Da stört es dann niemanden, wenn es auf einem Plakat ist. Wenn es aber auf der Straße wirklich eine Aussage hat, dann ist es schlecht und keiner beschäftigt sich damit.

Sind Stencils politischer als Graffiti?

Ich glaube, Stencils machen mehr Studenten. Es ist eine einfache Möglichkeit, Botschaften anzubringen, es entstand ja ursprünglich zu Informationszwecken. Beim Sprühen ist es großteils Freihand, da hat man eine ganz andere Herangehensweise. Aber so generell kann man das nicht sagen, es kommt immer auf die Leute an, was die daraus machen.

Ab wann hat man etwas drauf?

So ca. ab dem hundertsten Bild kann man etwas, würde ich sagen. Manche Leute tun sich leichter, andere schwerer. Aber man muss viel üben, um die Technik zu beherrschen. Und das sollte man auch, sonst wird man schnell als “Toy” abgestempelt.

Gibt es in Linz Graffitikriege?

Nein, dafür ist hier zu wenig los.

Streetart hat es mittlerweile bis in die Museen geschafft. Glaubst du, die Städte beginnen es dadurch irgendwann als Kunst zu sehen und überall zu tolerieren?

Nein, das glaube ich auf keinen Fall. Und es wäre auch irgendwie schlimm, wenn das mit den Museen noch mehr werden würde. Denn ich bin kein Fan davon, dass Streetart in Museen hängt. Das ist nicht die “natürliche Umgebung”, es ist gekünstelt, es ist nicht mehr authentisch. Die Frage stellt sich da für mich: Bist du Graffiti-Maler oder bist du Künstler? Natürlich gibt es ganz viele Grauzonen dazwischen.

Du findest die Begriffe Künstler und Graffiti-Maler widersprechen sich?

Wenn man wirklich polarisiert, dann könnte man sagen: die Sprayer malen des Malens willen. Sie tun es, um Bilder zu malen, den Namen zu verbreiten, Eigenwerbung zu machen.

Andererseits die Künstler: der Fokus liegt sehr gezielt auf der Optik, es geht um die Frage: was für eine Reaktion ruft es beim Betrachter hervor? Beides, also Kunst und Streetart bzw. Graffiti ist natürlich ästhetisch, aber trotzdem…

Streetart in einem Museum ist für mich “Museumart”. Domestizierte Kunst.

Wie stehst du dann zu Banksy? Der verdient ja auch ganz schön viel Geld damit.

Ich glaube Banksy ist ein irre intelligentes Kollektiv. Es ist eine Gruppe, die den Namen Banksy zur Marke gemacht hat. Ein sehr guter Kunstmark-Trick, die perfekte Eigenwerbung. Zum Beispiel auch mit dem Film “Exit Through the Gift Shop”. Das Ganze hat für mich nichts mehr mit Streetart zu tun. Das Kollektiv hat sicher immer viel gemacht und war früher sehr aktiv bei Streetart, irgendwann haben sie aber geschalten, dass man damit auch Geld machen kann.

Ich bin kein Fan davon, weil Banksy maßgeblich daran beteiligt ist, dass Graffiti Einzug in Museen hält. Und ich bin mir nicht sicher, wen er verarscht: die Leute im Museum oder die Streetartists.

Wenn es Banksy nicht ist, wer ist dann Inspiration für dich?

Aryz, M.C. Escher, Mc Laim, Anselm Kiefer, TVEE aus Wien, QUIK aus New York, meine Eltern, die beide Keramiker sind. Und natürlich auch KARE, also Till mit dem ich meistens arbeite.

Wenn du selbst Geld dafür bekommst, ein Graffiti zu malen, geht das dann nicht auch schon in die selbe Richtung?

Das hat zwei Aspekte. Einerseits die Frage: was wollen die von mir? Wollen die auch das, was ich sowieso mache? Also in künstlerischer Hinsicht.

Und zweitens: Für wen mache ich das? Wenn es zum Beispiel ein Jugendzentrum ist dann mache ich es sehr gern. Aber für die FPÖ würde ich zum Beispiel nie sprühen.

Es geht darum: Verkaufe ich meine Werte für Geld oder bleibe ich mir selbst treu. Der Anspruch, den ich an mich selbst stelle ist: ich will mich nicht verkaufen.

< 1 – 2 >
Hier geht’s zurück zum Bericht