„Wia mi de Leit segn, is ma wuascht!“

Leben ohne Fassade – Wie es ist, ständig entweder angestarrt oder mit bewusstem Wegsehen konfrontiert zu werden. Dieter Strauch wagt sich in „Leben ohne Fassade“ an ein immer noch tabuisiertes Thema heran.

Der ursprünglich als Dokumentation einer Theaterproduktion mit und über Menschen mit Beeinträchtigungen geplante Film, wird zu einem ungemein respektvollen Einblick in den Alltag eben dieser Menschen.
„Danke, ich brauch keine Hilfe. Ich mach das tagtäglich!!“
Frei von sentimentaler Aufforderung zu Mitleid werden nicht nur die Probleme, Wünsche und Sorgen der HauptprotagonistInnen aufgezeigt. Mehr noch, es wird veranschaulicht, wie diese ihr Leben, so weit es geht, ohne fremde Hilfe meistern möchten und das auch weitgehend schaffen.

Unaufdringlich bietet Dieter Strauch in seinem Film den unterschiedlichsten Persönlichkeiten eine Plattform sich selbst zu präsentieren.
Da ist der junge und attraktive Gewinner mehrerer Medaillen bei den Paralympics, der völlig bescheiden davon spricht, dass er doch seiner Mutter bei der Hausarbeit zur Hand gehen muss.
Da ist seine Freundin, die Einblicke in ihre Arbeit gewährt.
Da ist dieser 63-jährige Mann, der Filmrollen mit Erinnerungen an seine Kindheit zeigt und diese mit detaillierten geschichtlichen Angaben dokumentiert.
Da ist dieser ehemalige VOEST Portier, der davon spricht, wie wichtig es ihm immer war und im Ruhestand auch noch ist, nicht vom Staat und dessen Sozialleistungen abhängig zu sein.

„Ich möchte mit „Sie“ angesprochen werden!“
Und da ist diese selbstbewußte junge Frau mit Charisma und Ausstrahlung – Julia, deren Statements an Stärke und Kraft, aber auch an Überlegtheit und Besonnenheit kaum übertroffen werden können.
Sie, Spastikerin, ist es, die zielstrebig ihren Weg als Redakteurin für den Kupfermuckn und als Moderatorin für Radio Fro geht. Aussagen wie „Ich will es alleine schaffen“ zeugen von ihrer Stärke.
Wenn sie aber im nächstem Moment davon spricht, wie hart es für sie ist, nie schwach sein zu dürfen und sich nie fallen lassen zu können, erhält man eine Ahnung davon, mit wie viel Anstrengung dieses Leben verbunden sein muss.

„Hat ein Kind einen Bart, eine tiefe Stimme, Brüste?“
Ausschnitte aus der Theaterproduktion bringen auf den Punkt, was all diesen Menschen wichtig ist. Sie wollen wie Erwachsene behandelt werden, sie wollen nicht für ein Recht auf Sexualität kämpfen müssen. Ohne den Zeigefinger zu erheben, wird so eingefordert, was selbstverständlich sein müsste.

Fazit
LEBEN OHNE FASSADE will Menschen mit Beeinträchtigung nicht zur Schau stellen, sondern Respekt einfordern.
Kraftvoll und sensibel ist der Film eine Empfehlung für all jene, die keine Angst davor haben, mit einer völlig entschleunigten Welt konfrontiert zu werden, da die Einblicke in den Alltag der Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen Geduld abverlangen.