Künstlerinnenwinter

Am 16. Oktober startete im Lentos VALIE EXPORT – „Zeit und Gegenzeit“. Am 26. November beginnt Shilpa Gupta im OK – offenes Kulturhaus. In der Landesgalerie läuft momentan noch „Urban Stage“, eine Ausstellung von Gudrun Kemsa in Kooperation mit dem Ars Electronica Festival zeitgleich mit Lotte Lyon „Ensemble“.In dieser Sammlung an Terminen möchte ich besonders Shilpa Gupta und VALIE EXPORT hervorheben. Es ist eine wahnsinnige Wohltat nach Jahren der Anbiederei in der Exkulturhauptstadt Linz ein weites Spektrum an zeitgenössischer Kunst zu finden. Mir kommt es vor, als würde die großen Institutionen endlich ihre rein gewinnbringende Linie auf ein breiteres Feld ausweiten.

Shilpa Gupta ist eine bedeutende und junge indische Künstlerin. Vom Kulturmagazin „Du“ wurde sie bereits unter die einflussreichsten 29 Kunstschaffenden gereiht. Sie arbeitet mit Fotografien und Objektkunst, wobei sie Wert auf interaktive Arbeiten legt. Ich selbst kam vor einigen Wochen in Paris bei ihrer Installation „Shadow 3“ vor den Projektor. Gemeinsam mit meinen Klassenkolleginnen sog ich den Dreck der Welt an und konnte mich nicht davor drücken.

Wie in „Shadow 3“ zusehen ist, beschäftigt sich Shilpa Gupta mit der Konsumkultur, der Globalisierung und anderen internationalen Problemen. Ihre Arbeiten sind so unterschiedlich wie die Themen mit denen sie sich beschäftigt. Trotzdem wird bei jeder Arbeit ihr gesamtes Potenzial sichtbar. Die Basis ist aber bei allen Arbeiten gleich: Im Gespräch verweist sie mit ihren Vorstellungen auf die indische Philosophin Mahzarin Baniji: Sie sagt, dass ihre Erinnerung nicht nur so alt ist wie sie selbst, sondern so alt wie die ganze Menschheit. Somit wurden ihr alle Erinnerungen und ein Gewissen vererbt.

VALIE EXPORT ist bei uns im Lande wohl schon besser bekannt. Für all jene, die noch nicht in den Genuss ihres Aktionismus gekommen sind, nenne ich hier ihre zwei bedeutendsten früheren Werke. 1968 erregte sie mit ihrem „Tapp und Tastkino“ öffentliches Ärgernis. Sie trat mit einem Schaukasten vor ihren Brüsten in Wien auf und lud Passanten ein das Kino zu „begreifen“. In Erinnerung blieb außerdem die „Genitalpanikhose“ aus dem Jahr 1969. VALIE EXPORT war vollständig bekleidet, jedoch im Schritt frei.

In der Arbeit von VALIE EXPORT stand der eigene Körper immer im Mittelpunkt. Da es auf die Dauer langweilig wird, immer nur über ihre skandalösesten Arbeiten zu sprechen freue ich mich schon auf die Arbeiten im Lentos.
Es sin weniger berühmte Werke der letzten 20 Jahre, die unter dem Aspekt der Fotografie, dem Film und der Sprache aufgegriffen werden. EXPORT ist mit ihren fast 70 Jahren und in der heutigen Zeit keine Skandalkünstlerin mehr. Sie blieb aber ihren Prinzipien treu und weitete ihr Repertoire immer weiter aus. Mit ihrem Feministischen Wirken ging sie bereits in den frühen 70er Jahren in die Kunstgeschichte ein.

Mich erfreut der Linzer Museumswinter mit diesem Angebot an weiblicher Sicht der Kunst. Gerade als Kunstschülerin fällt es mir oft schwer, mich in Kunstgeschichte damit abzufinden, einen Künstler nach dem anderen vorgesetzt zu bekommen. Die Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat. VALIE EXPORT und Shilpa Gupta setzen ihre Zeichen die Geschichte der Wahrheit näher zu bringen.

Genaue Daten der Ausstellungen:

Gudrun Kemsa „Urban Stage“

2. September bis 31. Oktober 2010 in der Landesgalerie der Stadt Linz

Lotte Lyon „Ensemble“
7. Oktober bis 21. November 2010 in der Landesgalerie der Stadt Linz

VALIE EXPORT „Zeit und Gegenzeit“
16. Oktober 2010 bis 30. Jänner 2011 im Lentos (Linz) und im Belvedere (Wien)

Shilpa Gupta
26. November 2010 bis 30. Jänner 2011 im OK offenes Kulturhaus Linz