“Wir setzen uns für Veränderung ein, nicht für Wählerstimmen”
Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen WikiLeaks-Debatte sind Piratenparteien wieder mehr in das öffentliche Licht getreten. Auch in Österreich gibt es bereits seit 2006 eine Piratenpartei.
subtext.at hat mit Matthias Weiler, einem Vertreter der österreichischen Piraten, über Datenschutz, die Relevanz in Österreich und ihr Programm gesprochen.
subtext.at: Als Einstieg: Wie groß darf man sich die österreichische Piratenpartei vorstellen? Die Piratenpartei hat nach Angaben auf ihrer Homepage österreichweit 569 Mitglieder. Das sind 0,000071125% der österreichischen Bevölkerung.
Matthias Weiler: Als Themenpartei kann es nicht das Ziel sein, einen möglichst großen Prozentsatz der Bevölkerung als Mitglieder zu haben. Wir arbeiten daran, auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen und Lösungen aufzuzeigen. Dafür ist eine kleine, schlagkräftige Truppe gut geeignet.
subtext.at: Was garantiert, dass die Piratenpartei doch ernstgenommen wird?
Matthias Weiler: Ernst genommen werden wir (hoffentlich) weil wir konstruktiv arbeiten und uns unsere Themen am Herzen liegen. Wir setzen uns primär für Veränderung ein, nicht Wählerstimmen.
subtext.at: Wie schwer ist es für euch als Klein(st)partei, für sich eine Öffentlichkeit generieren zu können?
Matthias Weiler: Da unsere Themen aktuell sind und immer wieder auftauchen bekommen wir regelmäßig Anfragen von diversen Medien und können ihnen unsere Standpunkte darlegen. Wir stehen zwar kaum auf der Titelseite, aber wir können so doch Aufklärungsarbeit leisten und unsere Standpunkte einbringen.
subtext.at: Im Bundesvorstand sind nur Männer vertreten. Sind Piratenparteien männerdominierte Bewegungen?
Matthias Weiler: Die Piratenparteien verstehen sich als Einheit und arbeiten international stark zusammen. Es kann hier also nicht von mehreren Bewegungen gesprochen werden. Dass im aktuellen österreichischen Vorstand keine Frauen sind liegt praktisch gesprochen daran, dass sich nur Männer für die Wahl haben aufstellen lassen. Es ist aber durchaus richtig, dass der größere Teil der Mitglieder männlich ist. Im Europaparlament sind weibliche Piraten allerdings mit 50 % gut vertreten.
subtext.at: In ihrem Programm fordert die Piratenpartei „Härtere Strafen für Datensünder“. Wenn in der aktuellen Wikileaks-Debatte von „Datensündern“ gesprochen wird – würde sich eine härtere Bestrafung dann nicht gegen WikiLeaks und die Haltung der Piratenpartei stellen?
Matthias Weiler: Das Programm ist hier leider etwas ungenau formuliert. Der Begriff „Datensünder“ sollte jene Bezeichnen die die Privatsphäre der Bürger missachten und durch geziehlte Überwachung mit Füßen treten. Im Falle Wikileaks geht es aber um Staaten und juristische Personen die kein Recht auf Privatsphäre haben. Gerade ein Staat der sich demokratisch nennt sollte keine Geheimnisse vor dem Souverän (seinen Bürgern) haben.
subtext.at: Weiters fordert die Piratenpartei die „Legalisierung der nicht kommerziellen Privatkopie“. Gerade wenn man in andere Länder wie Deutschland blickt, sieht es doch eher nach einer Verschärfung des Urheberrechtes aus. Wie realistisch ist es, diese „Legalisierung“ wirklich durchzusetzen?
Matthias Weiler: Diesem Ziel sind wir bereits sehr nahe. Die Privatkopie ist in Österreich legal. Jeder darf Kopien von Urheberrechtlich geschützten Material anfertigen und diese auch an Freunde weitergeben. Einschränkungen gibt es bei Software, beim Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen und beim Verteilen über das Internet (da dies als Veröffentlichung gilt).
subtext.at: Bei den Gedanken an „Piratenpartei“ muss ich unweigerlich an die „Piratensender“ im Radiobereich denken, aus denen später die freien Radios hervorgegangen sind. Würdest du die Piratenpartei auch in gewisser Weise damit vergleichen?
Matthias Weiler: Freie Radios unterstützen die Vielfalt in ihrem Medium, versuchen Minderheiten eine Stimme zu geben, kämpfen gegen übermächtige Konzerne, die das Medium vereinnahmen wollen,.. Piraten setzen sich dafür ein, dass das Medium Internet frei von Zensur bleibt und ein Ort der freien Meinungsäußerung sein kann. Es geht also in beiden Fällen um die Frage wer Information und den Zugang zu selbiger kontrolliert oder eben nicht kontrolliert.
subtext.at: Die Piratenpartei hat laut Profil um 3000 Euro einen Server für WikiLeaks angeschafft. Gibt es noch weitere Aktivitäten in diese Richtung?
Matthias Weiler: Die Bewegungen haben zu einem großen Teil überschneidende Grundwerte und werden daher noch öfter gemeinsam in Erscheinung treten. Bereits vor einem halben Jahr hat die schwedische „Piratpartiet“ das Hosting für Wikileaks übernommen (Link).
subtext.at: Wie kann sich eine Kleinstpartei wie die Piratenpartei überhaupt finanzieren?
Matthias Weiler: Die Finanzierung basiert ausschließlich auf Mitgliedsbeiträgen und Spenden.
subtext.at: Datenschutz in Österreich – eigentlich ein Dauerbrenner. Wie realistisch schätzt ihr – gerade in Zeiten der Einführung der „Transparenzdatenbank“ – den Schutz der privaten Daten ein?
Matthias Weiler: Der Datenschutz wird von verschiedenen Seiten angegriffen – sowohl von der nationalen, europäischen und internationalen Politik als auch von wirtschaftlicher Seite. Die größte Gefahr ist aber das oft fehlende Bewusstsein in der Bevölkerung, dass Privatsphäre weder ein Luxus ist, noch etwas das nur kriminelle benötigen. Privatsphäre ist eine notwendige Voraussetzung für ein demokratisches System.
subtext.at: Wie sieht die Zukunft der Piratenpartei aus? Wird sie in naher Zukunft auch einmal auf einem amtlichen Stimmzettel zu finden sein?
Matthias Weiler: Ja! Der nächste Termin sind die ÖH-Wahlen wofür bereits Vorbereitungen laufen. Unterstützer sind aber selbstverständlich stets willkommen.
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