Warum wir nicht mithalten können

Welche Serien gibt es im deutschsprachigen Raum, die etwa fünfzig Minuten dauern? Soweit mir bekannt, keine. Und das hat auch einen Grund, Serien werden bei uns noch immer als billige Unterhaltung betrachtet. Sicherlich nette Unterhaltung für zwischendurch, jedoch nicht mit Kinoproduktionen zu vergleichen, denn für Serienproduktionen werden nur wenige Tausend Euro pro Folge verwendet.

 Natürlich, für einen normalen Menschen eine hohe Summe, jedoch nicht zu vergleichen mit gewissen amerikanischen Serien, die pro Folge bis zu zehn Millionen Dollar verschlingen. Das aber nicht umsonst, denn Serien wie Mad Men oder das neu erschienene,  kosten zwar einiges, jedoch wird dem Zuschauer auch ein kinoreifes Film-Erlebnis geboten. In Boardwalk Empire wird sogar eine ganze Kulissenstadt aufgebaut, in der der Großteil der Handlung spielt. Die Geschichte der Serie spielt im Amerika von 1920. In der ersten Folge wird die Prohibition ausgerufen und der Casino-Besitzer (gespielt von Steve Buscemi), einer der Hauptcharaktere und offiziell Prohibitionsunterstützer, fängt an mit Alkohol, zumeist billigem Fusel, zu schmuggeln. Zuerst sieht man ihn bei einer Veranstaltung von Frauenrechtlerinnen, die die Prohibition unterstützen (dort sieht man auch ein Banner mit der Aufschrift: „Lips that touch liquor shall not touch ours“).

Er hält eine Rede, in der er den Alkohol verdammt, im nächsten Moment organisiert er schon einen Alkoholtransport nach Chicago. In der Serie wird nichts beschönigt oder romantisiert, die Realität wird so wirklichkeitsnah dargestellt, wie es 90 Jahre später wahrscheinlich noch möglich ist. Jeder trinkt mehr oder weniger heimlich, rauchende Männer und Frauen sind allerorts anzutreffen und ein betrunkener Ehemann schlägt seine Frau so schlimm zusammen, dass sie ihr Kind verliert. Die ganze Atmosphäre der Serie wird noch mit dem (zumindest meiner Meinung nach) exzellenten Soundtrack unterstützt, zum Beispiel einer Dixieland Band, die am letzten Tag vor der Prohibition symbolisch eine einen Meter große Flasche Alkohol mit „The Saints Go Marching In“ zu Grabe trägt.

Solche Serien vermisst man bei uns. Entweder die Serie ist eine historische Großproduktion, wie die Buddenbrocks oder über die Krupps (die Personen müssen schon historisch und berühmt sein, um bei uns mit einem ansehnlichen Budget ausgestattet zu werden) oder es ist eine Billigproduktion, die unter Umständen sogar von der Werbewirtschaft produziert wird – frei nach dem Motto: Warum bei Product Placement aufhören, wenn man doch auch „Serien“ Placement betreiben kann? Alles kein Vergleich zu amerikanischen Serien, die sich wirklich die Zeit nehmen, eine Handlung über die ganze Staffel zu ziehen und dabei fast ganz auf lästige Cliffhanger verzichten. Die deutschsprachigen Produktionen sollten sich, trotz kleineren nationalen Markts, solches Produktionsprinzip zu Eigen machen. Aber bis dahin muss man sich als internationaler Mensch wohl mit amerikanischen Serien begnügen.

Foto: Play Nice