Freimaurer Michael Kraus
Foto: a_kep

Michael Kraus: „Mit Atheisten sind wir nicht glücklich“

Die Freimaurer – Ewald Stadler verachtet sie, nur wenige Leute wissen Genaueres über diesen Bund. subtext.at hat im Rahmen des Kepler Salons mit Michael Kraus, Alt- und Ehrengroßmeister der Großloge von Österreich, über den BZÖ-Politiker, sein Buch „Die Freimaurer“ und die heutige Situation mit der katholischen Kirche gesprochen.

subtext.at: Sie sind seit mehr als 30 Jahren Freimauer. Warum entschieden Sie sich vor mehr als drei Jahrzehnten, Freimaurer zu werden?

Michael Kraus: Das ist bei jedem unterschiedlich. Bei mir war es so, dass ich ursprünglich nie Freimaurer werden wollte und die Organisation vorher auch nicht gekannt habe. Ich bin dann von jemandem angesprochen werden, und der meinte, dass das für mich etwas Wichtiges sein könnte. Er hat mich dann mit Leuten in Bekanntschaft gebracht, die offensichtlich Freimaurer waren. Da bin ich dann in Kontakt mit der Organisation gekommen und hineingeholt worden. Ich habe mich also nicht explizit beworben.

subtext.at: In Österreich gibt es verschiedenen Quellen zufolge ungefähr 3000 Freimaurer. Ist diese Zahl noch aktuell?

Michael Kraus: Ja, diese Zahl ist noch aktuell. Wir sind stetig, aber nicht sehr rasch wachsend. In anderen Ländern ist das nicht immer so.

subtext.at: 3000 Mitglieder ist nicht wenig, aber auch kein übermäßig großer Personenkreis. Warum wird diesen 3000 Personen in der öffentlichen Meinung, wo auch von einem „Geheimbund“ gesprochen wird, eine so hohe Bedeutung zugeschrieben?

Michael Kraus: Die Ambition der Freimaurer ist es ja nicht, besonders groß zu sein. Es ist eine Besonderheit, als eine so kleine Organisation mit ihren Traditionen so bedeutend sind. Es ist aber nicht unsere Ambition, möglichst Viele zu sein, sondern diejenigen zu sein, die mit ihrem Engagement auch etwas in der Gesellschaft bewirken.

Elfi Schulz und Michael Kraus im Kepler Salon

subtext.at: Warum wird den Freimaurern dann trotzdem dieser Stellenwert gegeben?

Michael Kraus: Wir können ja nicht messen, ob das tatsächlich so ist. Die Tatsache, dass wir als „Geheimbund“ gelten, macht uns aber sicher für die Öffentlichkeit „interessant“. Dieses Interesse beruht sicher auch auf unserer Geschichte, nachdem wir an vielen Momenten beteiligt waren. Ob wir deswegen einen hohen Stellenwert haben, weiß ich nicht – es ist uns aber auch relativ gleichgültig.

subtext.at: Freimaurer vereinen nach ihrem Selbstverständnis Menschen aus „verschiedenen sozialen Schichten, aller Bildungsgrade und aller Glaubensvorstellungen“. Sind die Freimaurer demnach die liberalste Organisation?

Michael Kraus: Die Liberalität ist sicher ein wichtiger Parameter, nachdem ja auch die drei Schlagwörter der französischen Revolution – „Liberte, Fraternite, Egalite“ auf uns zurückgehen. Wir sind sehr stolz darauf, liberal zu sein – das ist für uns auch ganz wichtig. Es gibt eine gewisse Einschränkung, die natürlich schon auch mit dem Wesen der Freimaurer und ihrer Geschichte zu tun hat – mit Atheisten sind wir, wenn Sie so wollen, „nicht glücklich“.

subtext.at: Wie würden Sie es mit Agnostikern halten?

Michael Kraus: Das ist kein Problem – es ist dann auch ein Zeichen der Liberalität, gegenüber den verschiedensten Glaubensrichtungen und Religionen offen zu sein.

subtext.at: Womit wir beim Thema Religion angelangt wären. Die katholische Kirche steht Freimaurern sehr ablehnend bis abweisend gegenüber. Der Islam siehr Freimaurerei auch nicht mit seinen Grundwerten vereinbar – damit wären die zwei größten Weltreligionen abgehakt. Provokativ gefragt: muss man gegen das „Establishment“ dieser zwei Religionen antreten, um Freimaurer zu sein?

Michael Kraus: Nein, überhaupt nicht, das ist ein großer historischer Irrtum. Die Freimaurerei ist immer dann mit Religionen in Konflikt, wenn die einen absolutistischen Anspruch stellen – wie zum Beispiel die katholische Kirche im 16. und 17. Jahrhundert, die ja auch weltliche Macht hatte. Da wurde keine andere Glaubensrichtung gedultet. Das widerspricht natürlich dem Gedanken der Toleranz und der Liberalität – deshalb ist die Freimaurerei damit auch in Konflikt geraten. Aber wir haben auch eine Reihe von hohen Geistlichen unter unseren Mitgliedern. Die Einstellung der katholischen Kirche hat sich – nicht nur seit dem zweiten Vatikanum – stark geändert. So gibt es zum Beispiel keine automatische Exkommunizion mehr. Außerdem gibt es ja auch andere christliche Konfessionen, mit denen wir keine Konflikte hatten. Beim Islam ist es unterschiedlich – so gibt es auch in islamischen Ländern Freimaurerei. Dort, wo der Islam fundamentalistisch ausgelegt wird, sind wir auch aufgrund des Anspruches des Absolutismus an einem Problemfeld angelangt.

subtext.at: Sie haben gerade angesprochen, dass der Konflikt mit der katholischen Kirche heutzutage schon „entspannt“ ist. Gibt es trotzdem noch Spannungsfelder?

Michael Kraus: Mit der offiziellen römisch-katholischen Kirche in Österreich gibt es seit 1983 eine sehr klare Regelung, die durch die Gespräche eines hohen Freimaurers aus Linz mit dem damaligen Kardinal König erstellt wurde, wo das Kirchenrecht damals angepasst wurde. Es ist heute offiziell für niemanden mehr in der römisch-katholischen Kirche ein Problem, Freimaurer zu sein.

subtext.at: Kommen wir zum Thema Politik: Wenn ich an Freimaurer in Verbindung mit österreichischer Innenpolitik denke, komme ich unweigerlich auf den Namen Ewald Stadler, der den Freimaurern ja doch sehr skeptisch gegenübersteht. Ist das die Einzelmeinung eines Politikers in einer Partei, oder gibt es Freimaurern gegenüber generell Ressentiments?

Michael Kraus: Schauen Sie, es ist nicht wirklich überraschend, dass Viele, nicht nur Herr Stadler, dem skeptisch gegenüberstehen, weil sie nicht wirklich viel darüber wissen. Sie gehen davon aus, dass sich die Freimaurerei absichtlich mit der Kirche anlegt – was nicht stimmt. Herr Stadler ist da nicht alleine – er hat es, wie man modern sagt, zu seiner „USP“ (Unique Selling Proposition, Anm. d. Red.) gemacht. Auf diesem Pferd reitet er und will Profil gewinnen. Wir nehmen das nicht ernst – wir sind ja weit davon entfernt, diskriminiert oder gar verfolgt zu werden. Aber es ist sicherlich so, dass ein Teil der öffentlichen Meinung und Herr Stadler im Speziellen den Verdacht hegt, dass eine Verbindung, die sehr privat organisiert ist, Netzwerke bildet und andere dadurch benachteiligen will. Ganz unverständlich ist es also nicht.

subtext.at: Im Gegensatz zu anderen Organisationen geben Freimaurer nicht preis, wer Mitglied ist. Ist das das Geheimnis, weshalb Freimaurer bereits seit Jahrhunderten Bestand haben?

Michael Kraus: Das ist eines unserer Grundprinzipien. Jedes Mitglied kann selbst entscheiden, wie er damit umgeht – es gibt Viele, die sich offen deklarieren. In anderen Staaten wird dieses Gebot auch oft weniger streng ausgelegt als in Österreich. Man darf ja nicht vergessen, dass gerade in Österreich Freimaurer Ende des 18.. Jahrhunderts verfolgt wurden. Darum gehen wir mit diesen Dingen vorsichtig um.

subtext.at: Sie haben einmal gesagt: „Helmut Elsner ist kein Mitglied der Freimaurer.“ Man darf also schon sagen, wer nicht Mitglied ist?

Michael Kraus: Ja, stimmt. Über die verstorbenen Mitglieder darf man im übrigen schon sprechen.

Buch "Die Freimaurer" von Michael Kraus

subtext.at: Ihr Buch trägt den passenden Titel „Die Freimaurer“. Sind Sie mit dem Anspruch hingegangen, diesen „Geheimbund“ etwas für die Öffentlichkeit zugänglicher zu machen?

Michael Kraus: Das ist vielleicht auch ein Missverständnis. Es gibt keinen Paradigmenwechsel in der für uns in Österreich wichtigen Zurückgezogenheit. Es gibt aber ein großés öffentliches Interesse an uns – nicht nur Neugierde, sondern durchaus fundiertes Interesse. Wir wollen eine gewisse Klarheit über uns herstellen, deswegen haben wir uns entschlossen, uns in dieser moderaten Weise darzustellen, was Gegenwart und Zukunft betrifft. Wir wollen über Wesen, Sinn und Zweck ein bisschen in den relevanten Medien sprechen.

subtext.at: Solche Vorträge, wie Sie ihn heute hier im Linzer „Kepler Salon“ halten, bedienen immer ein tendenziell gebildetes Publikum. Haben Sie das Gefühl, dass sie mit diesen Vorträgen auch die Barriere zwischen Öffentlichkeit und Freimaurern abbauen können, oder sprechen sie „nur“ für den Bund der Freimaurer?

Michael Kraus: Ich mache solche Vorträge immer nur auf explizite Einladung, und wo ich weiß, dass es ernst gemeintes Interesse gibt. Die Leute, die kommen, haben aber meistens eine zumindest positive Grundeinstellung dem Thema gegenüber. Ich war aber auch schon in der „Höhle des Löwen“ und habe beim Cartellverband auch schon Vorträge gehalten. Das ist aber ein Randaspekt dessen, was wir tun.

Zur Person: Dr. Michael Kraus ist seit mehr als 30 Jahren Freimaurer und stand von 2002 bis 2008 als „Großmeister der Großloge“ an der Spitze der österreichischen Freimaurer. Seither ist er „Alt- und Ehrengroßmeister“. Als Herausgeber des Buches „Die Freimaurer“ ist er immer wieder in Vorträgen zu Gast.

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.