Christine Dollhofer: „Man muss kein Filmnarr sein, um einzusteigen“

Crossing Europe geht heuer in die mittlerweile achte Auflage. Auch dieses Jahr wird Linz wieder für eine Woche zur Filmfestival-Stadt. subtext.at hat mit Festivaldirektorin Christine Dollhofer vorab über Finanzprobleme, Ehrenamtlichkeit und das kommende Festival gesprochen.

subtext.at: Seit 2004 leiten Sie das Crossing Europe Filmfestival in Linz. Wenn Sie an 2004 zurückdenken und dieses Jahr mit heuer vergleichen – was ist der größte Unterschied?
Christine Dollhofer: Wir haben uns auf jeden Fall professionalisiert. Wir sind dann quasi gemeinsam mit dem Publikum gewachsen. Es gibt eine ständig wachsende Community, die das Festiuval sehr schätzt und mit ihm mitwächst. Das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Es beflügelt uns dann natürlich, wenn das Festival gut angenommen wird. 2004 war ein echter Pilotversuch, mit einem ambitionierten Programm. In der Vermittlung sind wir sicher da noch nicht so gut herüber gekommen wie heute – gerade im Hinblick auf das Programm.

subtext.at: Das heißt, dass 2004 noch sehr viel Idealismus dahinter gesteckt ist. Wie viel Idealismus braucht man auch sieben Jahre später noch?
Christine Dollhofer: Das hört nie auf und ist ein stetig wiederkommender Kreislauf. Man beginnt immer wieder aufs Neue, Filme zu sichten und zusammen mit Darstellern und Verantwortlichen nach Linz zu bringen. Natürlich möchte man sich da auch ein eigenes Profil erarbeiten – was nicht immer einfach ist, weil es oft schwer ist, die Filme und die Gäste für den Zeitraum des Festivals zu bekommen.

subtext.at: Wenn ich an die letztjährige Auflage des Festivals denke, denke ich zuerst an „Es muss was geben“ und die Verbindung zur lokalen Filmszene. Habt ihr das Gefühl, dass diese Szene auch außerhalb ihrer eigenen Grenzen stärker wahrgenommen wird, oder ist es nur ein Produzieren und Konsumieren der eigenen Inhalte?
Christine Dollhofer: Was die Publikumszusammensetzung betrifft, glaube ich schon, dass das mitunter unterschätzt wird. Da gehen dann nicht nur üblichen Verdächtigen der Kunst- und Kulturszene hin, die man ohnehin bei allen anderen Veranstaltungen auch trifft. Natürlich sind die auch da, aber mir ist es wichtig, auch ein Angebot zu ermöglichen, die per se sich nicht primär für Film und Kultur interessieren, sondern durch verschiedene Themen angesprochen werden. Da gibt es viele Felder – etwa gesellschaftspolitische Themen wie die Stadtmigration oder die Arbeitswelten. Man muss kein Filmnarr sein, um in das Festival einzusteigen.

subtext.at. Kommen wir zu einem unvermeidbaren Thema bei jeder kulturellen Veranstaltung – das Geld. Gerade der Kulturbereich klagt ja oftmals über Unterfinanzierung. Wie schwer ist es für Crossing Europe, mit seiner Geschichte immer wieder Finanzmittel aufzustellen?
Christine Dollhofer: Generell ist eine Finanzierung immer schwierig. Da geht es allen in der „mittelfreien“ Szene – in dieser würde ich Crossing Europe einfach mal ansiedeln – gleich. Gerade die öffentlichen Förderungen werden immer prekärer, weil die Töpfe seit Jahren nicht mehr wachsen und etablierte Insitutionen zuerst profitieren.

subtext.at: Das heißt, dass Crossing Europe keine „etablierte“ Institution ist?
Christine Dollhofer: Wir sind sicher kein Ars Electronica Festival, wir sind aber auch kein freier Kulturverein. Wir sind, wie ich schon gesagt habe, da in der Mitte angesiedelt. Wir sind etabliert in der Wahrnehmung und in der Hinsicht, dass jeder das Festival toll findet und es gut findet, dass wir es machen. Etabliert in der Finanzierung – also dass man Zukunftspläne über längere Zeiträume entwickeln könnte – sind wir aber nicht.

subtext.at: Also wird das Festival von Jahr zu Jahr aufs Neue geplant?
Christine Dollhofer: Ja, wir planen jedes Jahr neu. Und ich glaube, dass man in den letzten 15 Jahren ohne private Sponsoren keine mittelgroße bis große Kultur- und Kunstevents machen kann. Erfreulicherweise ist es uns gelungen, dass wir auch nach Linz09 private Sponsoren, wie heuer die Linzer Firma Silhouette, gewinnen konnten. Wachsen geht aber wie gesagt nur mit privaten Finanzmitteln.

subtext.at: Stichwort „Wachsen“ – gewachsen sind in den letzten Jahren auch die Besucherzahlen. Mitunter stößt man hier auch an die Grenzen der Kapazitäten der Spielorte. Gibt es auch hier Pläne, zu wachsen? Wo könnte man noch hingehen?
Christine Dollhofer: Generell spüre ich diese Grenzen auch. Das Interesse nimmt immer noch zu. Auch heuer können wir nicht mal alle interessierten Leute aus der Filmszene akkreditieren, weil wir den Platz nicht haben. Ich würde wahnisinnig gerne auch neue Spielstätten lukrieren – das hängt aber auch wieder von den finanziellen Möglichkeiten ab. Möglichkeiten für neue Räume gibt es sicher viele – auch hier im Kulturquartier am OK-Platz, wo Mehrzwecksäle entstehen, wie etwa im Ursulinenhof. Es gibt nach wie vor das ehemalige Centralkino, wo auch nicht geklärt ist, wie es genutzt wäre. Es ist aber auch das Signal da, dass die öffentlichen Gelder 2012 nicht aufgestockt werden können – und auch die verbliebenen Mittel aus Linz09 laufen aus. Das Ziel ist aber, zum zehnjährigen Jubiläum 2013 eine zusätzliche Location zu haben.

subtext.at: Bei einem Festival kann immer einiges schiefgehen – etwa der Vulkanausbruch auf Island im letzten Jahr. Trotzdem steigt der Erfolg von Jahr zu Jahr – was kann also 2011 noch besser laufen als letztes Jahr?
Christine Dollhofer: Gute Frage. Heuer wird es auf jeden Fall mehr Programm geben – alle Kinosäle und auch die KAPU werden den ganzen Tag über bespielt. Daneben gibt es viele lokale Veranstaltungspartner – etwa die HOSI Linz, das Salzamt oder das Ann & Pat. Wir versuchen da, Synergien zu nutzen und mit dem Festival auch hinaus zu gehen. Die Tendenz ist eh schon da, dass man neben dem klassischen Kinoprogramm auch andere Schwerpunkte setzt – eben weil die Nachfrage da ist.

subtext.at: Gibt es in sieben Jahren Crossing Europe eine Situation, wo Sie schon bereut haben, sich das alles anzutun?
Christine Dollhofer: Nein, eigentlich nicht. Sicher gibt es deprimierende Phasen, wenn sich gerade im Hinblick auf die Finanzierung nichts bewegt. Das sind dann immer Tiefpunkte – man wird dann aber auf dem Festival auch immer wieder aufs Neue belohnt.

subtext.at: Eine etwas provokante Frage: 2011 ist das Jahr des Ehrenamts. Gerade im Kulturbereich spielen Ehrenämter eine große Rolle. Spielt das auch hinein, wenn es darum geht, Geld zu lukrieren? Wird da Ehrenamtlichkeit auch quasi „vorausgesetzt“?
Christine Dollhofer: Das lasse ich gar nicht zu – alle, die bei uns arbeiten, sollen auch dafür entlohnt werden. Ich bin generell gegen Gratisarbeit, bei allem Idealismus, der dahinter steckt. Das sind dann zwar keine Spitzengagen, aber adäquate Entlohnung muss drinnen sein. Dieser Druck, der von der Politik kommt, den spüre ich nicht. Es hat mir noch keiner gesagt: „Sucht euch halt ein paar Ehrenamtliche für die Arbeit!“.

subtext.at: Weg vom Geld – hin zum Programm. Wo liegen heuer die Schwerpunkte von Crossing Europe auf filmischer Seite?
Christine Dollhofer: Junges, zeitgenössisches, innovatives, eigenwilliges, exzentrisches europäisches AutorInnenkino – das ist die Formel, die jedes Jahr gültig ist. Dazu kommen dann natürlich die Dokumentarfilmschiene und gesellschaftspolitische Spielfilme. Auch heuer gibt es wieder die „Local Artists“ – Schiene, einen Querschnitt der lokalen Filmproduktion. Daneben gibt es die bereits erwähnten Themenschwerpunkte – heuer steht die Arbeit der Frauen im Mittelpunkt, sowie das Stadtmigration-Identitätsprogramm in Kooperation mit dem afo. Heuer gibt es erstmals auch eine historische Schiene – mit den „Red Western“ aus den 20er Jahren.

subtext.at: Stichwort „Red Western“ – etwas nicht gerade Alltägliches. Woher stammt die Idee, diese Filme hier zu zeigen?
Christine Dollhofer: Das ist aus einer Kooperation mit dem internationalen Filmfestival Rotterdam entstanden. Die haben angefragt, ob wir da mit machen wollen. Das war dann zwar alles sehr kompliziert, weil die Verfügbarkeit der Kopien und die Untertitelung nicht immer einfach war. Das sind dann aber immer einmalige Gelegenheiten, die man nicht auslassen möchte. Das ist Filmgeschichte, die man nicht so schnell wieder sehen kann.

subtext.at: Zum Abschluss – was soll über Crossing Europe nie gesagt werden?
Christine Dollhofer: Dass es ein konservatives, langweiliges und elitäres Festival ist.

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.