Leben im Moment

Sie kultivierten den Weltschmerz und schenkten uns unvergessliche Hymnen wie „Losing My Religion“, „Nightswimming“ oder „Everybody Hurts“, die weiterhin berühren. R.E.M. sind eine Band mit Geschichte und eine Inspirationsquelle für viele Musiker und Künstler. Nachdem die Freude am Temporausch auf dem letzten Album „Accelerate“ noch groß war, haben sie auf „Collapse Into Now“ diese Idee leider wieder zu Grabe getragen.

Dekadente Üppigkeit? Noch nie ihr Ding gewesen, doch „Collapse Into Now“ fehlt einfach die leitende Hand. Das Album weiß nicht recht, wohin und lässt den Hörer ein bisschen ratlos zurück. Traditionsbewusstsein? Fehlende Kreativschübe? Die Songs benötigen mehr Format. So bleibt es nur ein weiteres R.E.M.-Platte, die dem Kanon nichts Neues hinzufügt.

Es geht gezügelt zu. Scheinbar haben Michael Stipe, Peter Buck und Mike Mills in ihrem Schaffen alle Möglichkeiten ausgeschöpft und sie sind bereit, die einzelnen Fragmente miteinander zu verbauen und in Einklang zu bringen. Das gelingt mal besser wie in „All The Best“, mal schlechter (der Schnellschuß „That Someone Is You“).

„Every Day Is Yours To Win“ wird so langweilig vorgetragen, dass es beinahe überflüssig ist. Es verdirbt das Gemüt, wenn Material wie „Mine Smell Like Honey“ so unspektakulär nach vorn rockt oder „Walk It Back“ dermaßen einschläfernd ausgefallen ist. Überraschungen sucht man auch besser woanders.

„Collapse Into Now“ ist manchmal so spröde wie splitterndes Holz, doch glücklicherweise wird es auch warm und selig – der Schlusspunkt „Blue“ mit Patti Smith ist großartig. Die Rhythmussektion ruckelt stetig, das Pathos ist da, aber verhalten. Der Opener „Discoverer“ schwelgt in souveränem Individualismus, „Me, Marlon Brando, Marlon Brando And I“ wird von einem sachten Pulsschlag geleitet und die Moll-Harmonien in „Oh My Love“ sind auch unverkennbar. Die Single „Überlin“ entwaffnet mit Emotionalität und einer tollen Melodie.

Ob man diese Platte liebt oder als dröges Geplänkel abtut, ist eher eine prinzipielle Frage als eine von Qualität. Wer Zeit und Muße hat, findet in den zwölf Tracks der Platte bestimmt einige Stühle und Bänke, um es sich bequem zu machen.
Sie können es noch besser.

Facts:
R.E.M. – Collapse Into Now
Gesamtspielzeit: ca. 41 Minuten
Warner Music

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remhq.com
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Foto:
Warner Music

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