GUANO APES: „Die Energie von früher ist nach wie vor da, nur anders kanalisiert“

Da kann man wohl nur gratulieren und sagen: Comeback gelungen. Die frisch zurückgekehrten Crossover-Veteranen Guano Apes haben es mit ihrem neuen Album „Bel Air“ erneut an die Spitze der Charts geschafft. Nachdem 2006 der vorläufige Schlusspunkt gesetzt wurde, geht es jetzt nun mit neuer Musik weiter. Alle Streitigkeiten, die in der Vergangenheit für Probleme gesorgt haben, sind verziehen und vergessen.

Im Interview mit subtext.at erklären Sängerin Sandra Nasić und Gitarrist Hennig Rümenapp die genauen Beweggründe für die Reunion nach mehreren Jahren kreativer Schaffenspause.

subtext.at: Was hat euch wieder dazu bewegt, gemeinsam Musik zu machen?
Henning Rümenapp: Die Musik und das wir wieder gemeinsam Musik machen können. Stefan kam auf die Idee, die Band wieder zusammenzubringen. Er hat dann mit Sandra gesprochen und beiden hatten dann den Vorschlag, dass wir wieder gemeinsam Konzerte spielen könnten. Dann haben wir uns getroffen und uns wieder angenähert. Wir haben dabei festgestellt, dass die musikalische Chemie nach wie vor zwischen uns ist. In den ersten beiden Proben haben wir direkt zwei neue Songs geschrieben und wir haben auch fürchterlich viel Spaß gehabt, den alten Kram zu spielen. Und teilweise wieder neu zu lernen. 2009 und 2010 haben wir dann einige Konzerte gemacht und auch sehr sehr viel Rückmeldung bekommen. Wir hatten wieder besten Mut, uns an neue Songs zu wagen.
Sandra Nasić: Und uns war langweilig. Kann man schon sagen (lacht). Natürlich hat jeder seine Projekte gehabt, und ich mache da auch meine Sachen weiter, wenn Zeit ist. Jetzt ist ja gar keine Zeit, weil wir ziemlich viel unterwegs sind. Die letzten sieben Jahre war das aber nicht so. Es hat sich letztendlich gut zusammengefügt. (überlegt kurz) Wenn die Musik nicht frisch gewesen wäre, und das war sie in den letzten Proben vor dem Album hatten, dann wären wir nicht hier. Das war das Wichtigste: Die Songs sollen uns gefallen und eine neue Tür für öffnen.

subtext.at: Fangt ihr jetzt von vorne an? Gibt es einen Bedarf, bestimmten Leuten noch etwas beweisen zu müssen?
Sandra: Beweisen müssen wir niemandem mehr irgendwas (lächelt). Natürlich hat man einen musikalischen Anspruch an sich selber. Das ist für mich das wichtigste: Das ich damit zufrieden bin. Sonst muss ich niemandem etwas beweisen. Du, Henning?
Henning: Meiner Mutter vielleicht (lacht).
Sandra: Unseren beiden Müttern zusammen!
Henning: Nee, um Himmels Willen. Aber wenn wir jetzt wieder nach Hause kommen, fragen unsere Mütter, was wir uns alles in Wien angesehen haben. Wir sagen dann, dass wir den ganzen Tag im Hotelzimmer waren. Dann kriegen wir richtig Schelte (lacht)

subtext.at: Hattet ihr ein wenig Angst davor, zurück ins Rampenlicht zu treten?
Sandra: Ganz ehrlich: Bei Rock am Ring hatte ich richtig Angst. Solch ein riesiges Konzert nach so vielen Jahren, und ich stand zudem das allererste Mal nach Jahren wieder auf der Bühne, und dann gleich Rock am Ring. Ich hatte auch noch das Hotel genau am Ring, ich habe also jede Band, die ganze Nacht, durchgehört. Da habe ich nur mehr nach rückwärts gezählt, wann wir dran sind. Ich habe überhaupt kein Auge zugetan, es war die Hölle. Auf der Bühne konnte ich mich dann wieder auf mich verlassen. Und auf die Musik, die einen eben trägt. Da ist der Schalter im Kopf umgesprungen und alles ging sehr leicht (lächelt).

subtext.at: Nehmen wir an, dass „Bel Air“ nicht an den alten Erfolg anknüpft. Würdet ihr euch damit zufriedengeben, nicht mehr in der 1. Liga zu spielen, sondern vermehrt Clubshows spielen zu müssen?
Sandra: Machen wir ja auch. Wir machen alles durchmischt.
Hennig: Haben wir immer schon gemacht. Wir sind ja in ganz Europa unterwegs, da gibt es dann kleine wie große Konzerte. Da haben wir keine Mindestteilnehmerzahl, wo wir sagen „Darunter treten wir jetzt nicht auf“. Wir spielen für vier, genauso wie für sechzigtausend Leute. Das ist immer unser Anspruch gewesen.
Sandra: Wir haben auch nicht den Anspruch… (bricht ab) Es ist natürlich schön, wenn die Musik erfolgreich wird, dass will jeder Künstler, aber wenn es nicht so ist, dann ist es auch nicht so schlimm. Wir haben den Erfolg gehabt und ich muss mir da nichts beweisen. Ich würde es mir wünschen, vor allem für die Leute um uns herum, die natürlich auch viel Arbeit und Hoffnung da reinstecken. Man würde sich freuen, sagen wir es mal so (lacht).
Henning: Wir sind jetzt ja nicht auf Nummer sicher gegangen. Wir wussten, dass wir nicht das Muster von früher wiederholen wollen. Auf Nummer sicher wäre jetzt auch nicht gewesen, ein zweites „Open Your Eyes“ zu machen. Da liegt einfach wahnsinnig viel Zeit dazwischen. Die Generation, die mit uns aufgewachsen ist, hat andere Impulse und hört andere Musik. Wir freuen uns aber zu sehen, dass sowohl ältere Leute bei unseren Konzerten sind als auch unsere Generation. Das ist toll, weil es immer schon so war. Wir freuen uns, dass es jetzt wieder so ist.

subtext.at: Ihr habt ein neues Logo und auf dem „Bel Air“-Cover seid ihr zum ersten Mal in eurer Geschichte selbst zu sehen. Wie kommt das?
Sandra: Du bist der erste, dem das aufgefallen ist. Wir stehen jetzt zu uns (lacht).

subtext.at: Früher war das nicht so?
Sandra: Sagen wir mal so: Weil wir früher nie selber drauf waren, fanden wir es diesmal gut. Vor allem nach so langer Zeit.
Henning: Es geht darum, dein Gesicht zu zeigen. Es in einem sehr reduzierten Stil zu zeigen. Wir haben versucht, es sehr grafisch zu halten, mit weißem Hintergrund und schwarzweißem Foto. War für uns jetzt angebracht, mal Farbe zu bekennen uns uns selber zu zeigen. Wir verstecken uns nicht hinter irgendwelchen grafischen Elementen.

subtext.at: Habt ihr euren Tick mit der Fledermaus beibehalten? Die hat ja auch jedes eurer Alben verschönert.
Sandra: Hatten wir da nicht irgendwas? Zufälligerweise? Doch, meine Haltung erinnert an eine Fledermaus (lacht). Das war’s aber auch.
Henning: Die Leute suchen da vielleicht nach etwas Bestimmtem, ich weiß es nicht. Wir haben das Logo bewusst nicht weitergezogen. Für uns ist es ein Neustart, ein neues Kapitel. Es gibt die alte Ära und jetzt ein neues Buch, was aufgeschlagen wird. Wir haben nicht zwanghaft versucht, uns von alten Sachen zu entledigen, wir haben einfach das zugelassen, was passiert.

subtext.at: Fühlt ihr euch als Band ausreichend geschätzt?

(längere Pause)
Henning: Ich glaube, dass die Band von außen und von anderen teilweise sogar größer gesehen wird, als wir das selber tun. Ich bin da ganz froh drüber. Ich habe da auch mit Kollegen von anderen Bands gesprochen, die in der Tat das so empfunden haben, dass sie sich von der Szene und der Presse nicht geschätzt gefühlt haben. Die waren total verbittert darüber. Wir haben uns da relativ wenig Gedanken gemacht. Wir waren sehr erstaunt, jetzt beim Wiederkommen, wie die Band von außen gesehen wird. Viele haben auch erst jetzt entdeckt, dass wir auch in ganz Europa viel unterwegs sind.
Sandra: Also wir fahren schon unseren eigenen Film. Es läuft nicht immer parallel mit den Medien und der Presse, aber wir machen eben unser Ding. Es ist nicht immer alles deckungsgleich.

subtext.at: Wieso trägt die Platte den Titel „Bel Air“? Damit beschreibt ihr ja quasi einen Ort…
Sandra: Einen Ort, an dem nichts ist, wie es scheint, aber doch alles so erscheint, wie es sein soll (lacht).

subtext.at: Philosophisch.
Sandra: Ja, das ist auch die Erklärung. Der Titel ist aus dem Song „Oh What A Night“, es beschreibt mehrere Dinge auf einmal. Dieses Wort passt wahnsinnig gut auf ganz viele Dinge. Zum einen Bel Air als Teil von Hollywood, ein Ort, an dem Träume entstehen. Musikalisch übersetzt ist es für mich ein Ort, um zu träumen. Die Musik soll den Leuten Traumwelten eröffnen (lächelt). Das, was man mit Musik bestenfalls machen kann. Und zum anderen natürlich auch Bel Air, die gute Luft, die wir gerade atmen (lacht).
Henning: Eine leichtfüßige, traumtänzerische Erklärung.
Sandra: Ein lotter Leben (beide lachen).

subtext.at: Ist die Platte denn in den USA entstanden?
Sandra: Nein.
Henning: Nee, Gott sei Dank nicht. Manche Leute kommen auf die Idee, für ein tolles Album bis ans Ende der Welt fahren zu müssen. Dort schließen sie sich sich sechs Wochen ein und sind von allem getrennt, was sie gerne mögen. Wir sind nicht so. Wir leiden schon kreativ genug, wenn wir eine Platte machen, da muss das dann auch nicht sein (lacht). Die Platte haben wir in Hamburg aufgenommen, weil wir das ganze Jahr über schon genug unterwegs sein werden.

subtext.at: Ihr habt mir bekannten Leuten wie Terry Date, der ansonsten für die Deftones verantwortlich ist, und Jon Schumann, der Carpark North und Kashmir produziert hat, zusammengearbeitet. Weshalb gerade diese Leute?
Sandra: Sie standen auf unserer Wunschliste. Jeder von uns hat Namen aufgeschrieben und diese Leute standen eben drauf. Ich finde die Arbeit von Terry Date sehr gut, ich bin ein großer Deftones-Fan. Es sind hochkarätige Leute dabei, die auch wirklich Ahnung und ein internationales Ohr haben. Wir waren und sind eine internationale Band, es war es uns sehr wichtig, solche Leute da ranzulassen. Wir finden, es hat sich gelohnt.
Henning: Wir haben länger überlegt, wen wir als Produzenten nehmen sollen. Wir wollten das Produktionsteam, was wir die ersten drei Alben gehabt haben, auf jeden Fall wechseln. Wir wollten einen neuen Blick auf die Band und auch gerne jemanden, der nicht aus Deutschland kommt. Jon Schumann hat einen europäischen Blick auf die Szene. Er hat es geschafft, unseren Bandsound mit elektronischen Impulsen so zu vermischen, dass weder das eine noch das andere dominiert. Wir mussten den kompletten Produktionsprozess auf Englisch durchführen, was aber auch spannend war. Es war weniger hinderlich, als wir anfangs gedacht haben.
Sandra: Jon hat ja auch hervorragend Deutsch gesprochen. Teilweise (lacht).

subtext.at: Habt ihr auch etwas auf Dänisch gelernt?

Sandra:
Ja (lacht)!
Henning: Was war das doch gleich?
(beide bringen anschließend dänische und schwedische Begriffe durcheinander)

subtext.at: Was habt ihr auf „Bel Air“ von früheren Platten übernommen?
Sandra: Instrumente, Stimmen… (lacht) Ich glaube, dass die Energie, die wir immer mitschleppen, noch da ist. Ich kann es gar nicht beschreiben, ehrlich gesagt. Wir haben schon einen eigenen Sound, aber ich kann ihn nicht beschreiben (lacht).
Henning: Es ist so 50/50. Es ist für uns gewohnt, aber trotzdem total neu. Früher haben wir unheimlich viel versucht, die Energie in verzerrte Gitarren zu stecken. Unser Motto war: Viel hilft viel. Diesmal ging es darum, sich auf die Songs zu fokussieren. Wir haben dann ziemlich gefiltert und Songs, die schon relativ weit waren, wieder zur Seite geschoben, weil die Nummer nicht stark genug war. Früher ging es mehr um die Produktion und um die Fassade, diesmal um den einzelnen Song. Es hat geholfen, sie sind jetzt noch stärker und strahlen einfach mehr. Die Energie von früher ist nach wie vor da, nur anders kanalisiert.
Sandra: Früher hatten wir dieses Wall Of Sound-Problem (lacht). Es war zwar ein guter Sound, aber jetzt würde ich es auf keinen Fall mehr so machen. Mein Wunsch war es, einen Klang zu schaffen, der mit einer Gitarre, einem Bass, Schlagzeug und Gesang auskommt. Ich wollte sehr mono arbeiten, im Gegensatz zu früher, wo es hieß „Breiter, breiter, breiter“. Man dachte, dass man dadurch irgendwie größer wirkt. Oft hat das zu Verwischerei geführt. Je mehr Farben du in einem Bild benutzt, umso dunkler wird es. Ich finde es ganz gut, dass wir jetzt so reduziert arbeiten und songdienlich sind.

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Foto:
Sony Music

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