Solide europäische Unterhaltung – Part 1

Was verbindet einen mehr oder weniger zielstrebigen Design-Studenten, einen angehenden Kunsthistoriker in der Adoleszenz-Phase und einen frisch gebackenen, erlebnisorientierten Magister der Politikwissenschaft miteinander? Richtig – ein Interrail Städte-Trip der besonderen Art. Prag-Berlin-Hamburg-Amsterdam liest sich nun nicht gerade wie das who-is-who der exotischen Reiseziele und dennoch bieten diese vier Städte solide europäische Unterhaltung, die einen Artikel wie diesen nicht nur rechtfertigen, sondern unerlässlich machen.

Was erwartet man sich von einem Städte-Trip dieser Größenordnung? Karl Julius Weber erkannte das „Reisen als das beste Mittel zur Selbstbildung.“ Für Sir Francis Bacon war das „Reisen in der Jugend ein Teil der Erziehung, im Alter ein Teil der Erfahrung.“ Nun gut, unser Antrieb waren keine konstruierten Touristen-Gruppenfotos vor dem Brandenburger Tor und der Prager Karlsbrücke, nein uns ging es viel mehr um die Atmosphäre, das Gefühl, welches eine Stadt vermittelt, in dem Moment, in dem man sie betritt. Unsere Intention war es, uns abseits jeglicher Touristen-Pilgerstätten zu bewegen und den wahren Geist einer Stadt und ihrer BewohnerInnen einzufangen.

PRAG
Vergewaltigt von unfreiwillig mitgehörten, Wiener U-Bahn-Gesprächen zwischen zwei pubertierenden Mädchen, die sich höchst professionell über Haxen- und Achselrasuren, sowie Intim- Bauch- und Zungenpiercings unterhielten, machten wir im Zug Richtung Prag unsere ersten interessanten Bekanntschaften. Im durchaus angenehmen ÖBB Speisewagen konnten wir einem echten Prager, der gerade von einer mehrtägigen Reise heimkehrte, interessante Tips und Infos über Prag entlocken, die wir in der späteren Folge mangels Orientierung jedoch nur bedingt beherzigen konnten. Der Prager Hauptbahnhof entpuppte sich als Flughafen-ähnliche Anlage von international überdurchschnittlichem Standard. Da unser Zug nach Berlin bereits am nächsten Morgen ging, beschlossen wir, die Nacht durchzumachen, was uns angesichts dieser wunderschönen und belebten Stadt an der Moldau nicht schwer fallen sollte. Nach einem Spaziergang klassisch touristischer Prägung, der uns durch die Prager Innenstadt, über die Karlsbrücke, bis zur Prager Burg und deren angrenzende Parkanlagen führte, suchten wir, nahe der Petrin-Warte eine einfache, bei Einheimischen beliebte Lokalität auf, wo sich an Spieltagen Fußballfans von Sparta Prag, bei hervorragendem ein-Euro-Budweiser-Bier und reichlich Becherovka auf das Match im nahe gelegenen Stadion vorbereiten.

Prag

Der Abend führte uns, nach einigen Versuchen, der manchmal durchaus hinterlistigen Prager Taxifahrer, uns in überteuerten Kommerz-Clubs wie Duplex, Roxy oder den Karlsbädern „abzuschieben“, in eine kleine Bar mit dem klingenden Namen Chapeau Rouge, die sich als spannende Mischung aus Dance-Club und Irish-Pub entpuppte. Musikalisch wurde uns feinster Drum and Bass mit live Trompeter geboten. Hier hört man zu der Melodie von Mr. Brightside der Killers, fetten Drum and Bass Beats des DJ‘s und den waghalsigen Einlagen eines live Trompeters eine atemberaubende Mischung, die wohl nicht zuletzt für die Einzigartigkeit der Prager Musikszene spricht. Zahlreiche Jazz-Clubs und für Kontinentaleuropa eher unübliche live-Acts, zeichnen diese architektonisch als das bessere Wien zu bezeichnende Stadt, zusätzlich aus.

BERLIN
Die Bahnfahrt nach Berlin führte uns verweichlichten Komfort-Reisern erstmals die Strapazen vor Augen, die einem im Zuge eines solchen Trips zu Teil werden können. Wer einmal fünf Stunden lang, zusammengepfercht auf zwei Quadratmetern, im letzten Wagon des Zuges, direkt neben der Toilette versucht, nach einer durchgetanzten Nacht ein Schläfchen am Fußboden hinzulegen, der weiß was es bedeutet, Städtetrips im Highspeed-Tempo zu absolvieren. Die Fahrt führte uns vom Kaiserwetter Prags in die Nebel-, Regen- und Kältewetterei der deutschen Hauptstadt. Ganz als würde sich das Wetter unserem Trip anpassen, tappten wir von der fröhlichen Prager Jazz- Atmosphäre in die regnerisch, düstere Berliner Techno-Szene. Zwischen Ostbahnhof, der Berliner Hausbesetzer- und Punkszene und den zahlreichen Friedrichshainer Pubs, in denen sich Alternative, Künstler und Intellektuelle mit Studenten und Sinn-suchenden die Klinke in die Hand geben, tanzten wir das ABC des Berliner Techno, von Berghain bis Watergate, pflichtbewusst herunter.

Im Watergate trifft man selbst um acht Uhr früh noch interessante Charaktere, zu deren Sonntagsprogramm die vormittägliche After-Hour so dazugehört, wie die tägliche Tea-Time zur britischen Königin. Will man nach einer unverfänglichen Watergate-Affäre noch ins Techno-Mekka Berghain, so kann es einem, wie uns passieren, selbst Sonntags um neun Uhr früh noch zwei Stunden Schlange zu stehen, um das ehemalige DDR Gebäude betreten zu können. Nach drei Nächten voller Regen, Curry-Würsten und den wahrscheinlich besten Techno-Beats Europas, verließen wir die bevölkerungsreichste und größte Stadt in Richtung zweitgrößter Stadt Deutschlands.

Den zweiten Teil gibt es morgen auf subtext.at zu lesen  – dann geht es weiter nach Hamburg und Amsterdam!