BROOKE FRASER: „Ich will bedeutsame Musik machen“

Wer Neuseeland bislang nicht auf seiner popkulturellen Landkarte hatte, der hat seit diesem Jahr zumindest einen neuen Ankerpunkt: Brooke Fraser hat mit ihrem Album „Flags” und der überaus erfolgreichen Single „Something In The Water” breitenwirksam auf sich aufmerksam gemacht.

Aber was zeichnet eigentlich einen guten Songwriter aus? Und in welcher Art von Umgebung kann die musikalische Kreativität am besten fließen? Im Interview mit subtext.at gibt die Sängerin Auskunft über all diese Fragen. Außerdem erzählt sie, warum sie nie mit dem Rauchen angefangen hat, welchen Lieblingsfilm sie hat und wie das mit dem Singen überhaupt gekommen ist.

subtext.at: Brooke, in welcher Art von Umgebung lässt sich ein Song am besten schreiben?
Brooke Fraser: Der beste Ort, um einen Song zu schreiben, ist genau gegenteilig von diesem hier (lacht und blickt sich im Backstagebereich um). Üblicherweise ziehe ich es vor, für mich zu sein, wenn ich Songs schreibe. Ein bisschen abgeschottet oder zurückgezogen, wenn man so will. Mit einem wunderbaren Instrument. Für mich reicht das aus. Für gewöhnlich muss es außerhalb der Stadt sein. Das brauche ich.

subtext.at: Hast du dir deinen eigenen Platz zurechtgelegt oder einen privaten Ort geschaffen, in dem du voll aufgehen kannst als Songwriterin?
Brooke Fraser: Das versuche ich. Natürlich hängt es davon ab, wo ich mich gerade befinde. Auf Tour kann ich keine Songs schreiben. (überlegt kurz) Ich muss im Kopf frei sein, offen sein. Für Kreativität muss ich mich in einer anderen Stimmung befinden. Wenn du auf Tour bist, musst du um dein Überleben kämpfen (lacht). Nein, natürlich ist es nicht so schlimm, aber wenn du Songs schreiben willst, müssen die Emotionen aus dir herauskommen. Unterwegs funktioniert das in meinem Fall überhaupt nicht. Auf Tour versuche ich, die Dinge zusammenzuhalten und mich auf die Show zu konzentrieren.

subtext.at: Die berühmte Schriftstellerin Virgina Wolf hat einmal gesagt, dass eine Frau „ihren eigenen Raum” benötigt.
Brooke Fraser: (nickt) Ich mag das Zitat.

subtext.at: Hast du einen Raum zu Hause, wo du kreativ sein kannst oder passiert das nur im Studio?
Brooke Fraser: Ein Heim habe ich die letzen zwei Jahre gar nicht gehabt, weil ich permanent unterwegs war. Dieses Jahr habe ich einen schönen Ort in Australien gefunden, da habe ich dann auch einen eigenen Bereich nur für mich. Das ist ein wenig vom Haus abgesondert und dort geht es nur darum, nachzudenken, zu lesen, zu schreiben oder zu schauen. Da gibt es Bücher, alte Sessel und Lampen. In dieser Umgebung funktioniert das hervorragend.

subtext.at: Ist es leichter, einen Song zu schreiben, wenn man eine Distanz zu den Dingen aufbaut oder wenn man sich durch seine eigenen Emotionen durchkämpft und sie durchlebt?
Brooke Fraser: Ja, manchmal ist es so, dass du durch den ganzen Prozess Distanz zu den Dingen gewinnst. Du kannst sie anders betrachten. (überlegt kurz) Songs zu Schreiben ist ein kathartischer Prozess. Es funktioniert wie eine Therapie. Du bist dazu in der Lage, etwas loszuwerden, was du in einer normalen Konversation nicht ausdrücken kannst. Wie gesagt bin ich der Meinung, dass allein der Prozess des Songschreibens eine gesunde Distanz zwischen dir und den Dingen schaffen kann.

subtext.at: Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, als du das erste Mal vor Publikum aufgetreten bist?
Brooke Fraser: (lacht) Ich weiß nicht, ob es der erste Auftritt war, aber meine früheste Erinnerung geht dahin zurück, als in der Volksschule etwas aus dem Film „Beaches” mit Bette Midler und Barbara Hershey dargestellt habe. Da war ich sieben oder acht Jahre alt. Damals gab es nicht viel Musik an unserer Schule und meine Eltern hatten auch keine große Sammlung an Platten, aber sie hatten den Soundtrack zu „Beaches”. Ich habe einen Song vom Soundtrack vor meinen Klassenkameraden vorgetragen und mich dazu bewegt. Ich war nicht besonders gut (lacht).

subtext.at: Wie wahrst du als Kind in der Schule?
Brooke Fraser: Ich war sehr rechthaberisch (lacht). Ein dramatisches Kind. Aber auch sehr gut organisiert. Ich habe mich aufgeführt wie ein Politiker. Ich war mit jedem befreundet und habe versucht, die unterschiedlichsten Leute während der Pausen zusammenzuführen oder eine Gruppe zusammenzuhalten. Ich hatte immer etwas zu tun (lacht).

subtext.at: Wie bist du später zur Musikindustrie gekommen?
Brooke Fraser: Musik war schon ewig ein Bestandteil meines Lebens. Meine Musikkarriere ist sehr natürlich und organisch zustande gekommen. Ich habe hier und da Songs vorgetragen, die ich in meinem Schlafzimmer geschrieben habe. Irgendwann hatte ich das Glück, dass einige Labels auf mich zugekommen sind und an meine Tür geklopft haben. Ich hatte die Möglichkeit, auswählen zu dürfen. Wenig später habe ich Platten veröffentlicht.

subtext.at: In welcher Sparte siehst du dich? Folk, Pop, Indie?
Brooke Fraser: Ich bin wohl irgendwo dazwischen, zwischen Folk und Pop.

subtext.at: Die Songs auf deinem aktuellen Album „Flags” fühlen sich sehr ehrlich an.
Brooke Fraser: Vielen Dank, schön das von dir zu hören (lächelt). Es ist lustig, weil ich selbst manchmal darüber nachdenke, dass die Musik, die ich mache, nicht unbedingt die ist, die ich privat höre. (überlegt) Jede Person trägt die Verwantwortung für sein oder ihr Leben. In meinem Fall versuche ich, die Musik so natürlich wie möglich zu halten. Sie soll mich widerspiegeln. Ich muss Geschichten erzählen, die mich beschäftigen, obwohl ich mich manchmal nicht so wohl damit fühle, sie mit dem Publikum zu teilen. Aber es hilft mir ungemein. Musik ist eine wirklich kraftvolle Sprache. Musik hat die enorme Möglichkeit, Dinge zu verändern für die Menschen. Wenn du einen schlechten Tag hast, leg ein Album ein, was dir etwas bedeutet, und schon wirst du dich besser fühlen. All diese Dinge nehme ich als Songwriter wirklich ernst. Ich will bedeutsame Musik machen. Bedeutsam, die von Herzen kommt, echt und wahrhaftig ist. Wenn es bei den Leuten ankommt, möchte ich, dass es sie positiv beeinflusst. Alles wird gut (lächelt).

subtext.at: Dein Album „Flags” hat sich auch hierzulange gut verkauft und die Single „Something In The Water” war ein guter Weg, dich der Öffentlichkeit hierzulande vorzustellen.
Brooke Fraser: Danke sehr.

subtext.at: „Something In The Water” ist auch direkt an erster Stelle auf dem Album zu finden. Stellt man bestimmte Songs, die man besonders favorisiert, absichtlich an erster Stelle?
Brooke Fraser: Die Songs in eine Reihe zu stellen, ist wirklich schwer (seufzt). Das gehört zu den härtesten Dingen, die man in Angriff nehmen muss, wenn man ein Album macht. Du hast all diese Songs vor dir, und das Tracklisting sollte eine einzigartige Geschichte erzählen. Manche der Songs unterscheiden sich ziemlich von den anderen. Es ist keinewegs leicht, sie zu reihen, damit es für den Hörer wie eine Reise klingt. Schwierig ist das. (überlegt) „Something In The Water” ist vielleicht deshalb an erster Stelle, weil es auch mit meiner Heimat zu tun hat. In Neuseeland kennen mich die Leute mittlerweile, deswegen wollte ich ein Lied haben, bei dem die Leute denken „Moment, mit dem habe ich aber nicht gerechnet”.

subtext.at: Du hast dir bestimmt einige Eigenschaften über die Jahre als Songwriterin und Sängerin angeeignet. Denkst du, dass du auch etwas verloren hast?
Brooke Fraser: Als Künstlerin? (überlegt) Ja, mit Sicherheit. Künstlerin zu sein, das ist schon sehr merkwürdig. Du führst ein merkwürdiges Leben. Du opferst bestimmte Dinge, das stimmt schon. Hoffentlich hast du eine Wahl. Meine Arbeit besitzt mit Sicherheit eine Priorität und ich bin engagiert, aber es ist nicht wichtiger als meine Familie, nicht wichtiger als meine Ehe und ür mich nicht wichtiger als die Leute, die ich liebe. Ich muss ein Leben in Balance führen. Es ist nicht so, dass ich Abseits der Musik kein Leben hätte. Ich weiß, wer ich bin und die Musik ist zweilefsohne ein Teil meiner Identität. Das bedeutet nicht, dass die Musik mein Leben wäre. Es definiert mich nicht, gehört aber zu mir dazu. (überlegt) Ich weiß nicht, ob das für andere nachvollziehbar ist.

subtext.at: Es gibt also eine Distanz zwischen dir als Privatperson und als Künstlerin auf der Bühne.
Brooke Fraser: Ich denke schon, ja.

subtext.at: Das „Flags”-Cover sieht für mich so aus, als käme es direkt aus der Vogue. Sehr hübsch, aber auch puristisch und dunkel.
Brooke Fraser: Es ist eigentlich viel dünkler ausgefallen, als ich anfangs gedacht habe. (spricht leise) Da hatte ich auch ein kleines Problem mit dem Fotografen (lächelt). Was das Cover angeht, wollte ich eine Flage gestalten, die wie eine Landschaft aussieht und mit natürlichen Farben. Ich sollte in der Mitte stehen und stark wirken. (überlegt) Ich wollte eine gewisse Stärke repräsentieren, aber keine Arroganz.

subtext.at: Das hat funktioniert.
Brooke Fraser: Danke (lächelt).

subtext.at: Du wirst in den Medien als smarte und intelligente Künstlerin dargestellt. Auf Platte öffnest du dich und man kann einen guten Eindruck bekommen, wer du bist und was du repräsentieren willst.
Brooke Fraser: Es liegt in der Natur der Sache, dass die Musik sehr persönlich ist. Es ist wie eine Reise, auf die ich ich selbst begebe. Auf meiner letzten Platte „Albertine”habe ich Songs, die mit intensiven und schmerzhaften Erinnerungen behaftet sind. Ich musste einen Weg finden, wie ich dieses Material Nacht für Nacht darbieten konnte. Auch, wie ich in Interviews darüber reden konnte. Es hat mir irgendwie nicht geholfen, die Wunden zu heilen. Ich habe mich gefühlt, als würde ich emotional festsitzen. Mit „Flags” erzähle ich immer Persönliches, aber in einer anderen Art und Weise. Ich muss mich nicht mehr auf den Schmerz festlegen, weil ich den Geschichten einen anderen Dreh gebe. Das macht es für mich leichter. Das bin noch immer ich, wahr und real, aber ich kann auch gewisse Dinge für mich behalten. Das habe ich vielleicht lernen müssen.

subtext.at: Was hast du noch nie im Leben getan?
Brooke Fraser: (sofort) Ich habe noch nie eine Zigarette geraucht.

subtext.at: Das kann ich dir nicht abnehmen.
Brooke Fraser: Doch, es ist so. Ich habe mich nie so dafür interessiert und dann war ich schon aus dem Alter, wo man damit anfängt. Ich habe mir gedacht „Erst gar nicht damit anfangen”. Vielleicht probiere ich es ja doch einmal aus. Wer weiß?

subtext.at: Viele rauchen in Stresssituationen. Wie gehst du mit solchen um?
Brooke Fraser: Üblicherweise kann ich meinen Frust in der Dusche loswerden, da weine ich dann los (lacht). Eigentlich hilft mir mein Mann dabei, den Touralltag zu bewältigen. Das klingt zwar total dämlich, aber es ist so. Ich habe ihn aber nicht nur deswegen geheiratet, weil er mir beim Stressabbau hilft (lacht).

subtext.at: Was hast du erst einmal in deinem Leben getan und danach nie wieder?
Brooke Fraser: (überlegt) Ich denke, dass ich einmal Alkohol in die Schule geschmuggelt habe und den auf der Toilette getrunken habe. Das habe ich allerdings nie wieder getan. Ich war jung und verdorben (lacht).

subtext.at: Welchen Film hast du mindestens dreimal gesehen?
Brooke Fraser: Das sollte ich zwar nicht hier in Österreich sagen, aber es ist „The Sound Of Music”. Oder „Die kleine Meerjungfrau” (lacht).

subtext.at: Gibt es Genre, dass du bevorzugst?
Brooke Fraser: Es kommt immer auf die Situation an. Wenn ich ausgehe, dann möchte ich im Kino einen neuen Indiefilm sehen oder etwas Arthouse-mäßiges. Auf Tour will ich mich meistens mit wirklich schlechten Actionfilmen ablenken. Etwas mit Schwarzenegger oder Stallone (lacht). Der Plot muss so simpel wie möglich gestrickt sein. Keine Charakterstudien bitte.

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Foto: Warner Music

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