Scott Matthew: „Man soll nicht versuchen, es jedem Recht zu machen“

„Gallantry’s Favorite Son“ – das ist der Singer/Songwriter Scott Matthew, der mit seiner tief-traurigen Stimme das Publikum begeistert. subtext.at hat ihn im Rahmen seines Interviews zum Gespräch über Melancholie, Interviews an sich und mangelnde Alternativen getroffen.

subtext.at: Gibt es eine Frage, die du gleich hinter dich bringen möchtest?Scott Matthew: Oh, die Fronten scheinen gewechselt zu haben. Aber nein, ich verspüre nicht das große Verlangen, eine bestimmte Frage gleich zu beantworten.

subtext.at: Du hast also kein großes Verlangen danach, Fragen zu beantworten?
Scott Matthew: Es macht mir nichts aus, Interviews zu geben. Im Gegenteil, es ist mir lieber, wenn sich Leute überhaupt um einen scheren.

subtext.at: Also eher „part of the game“ für dich?
Scott Matthew: Interviews sind immer etwas, wie soll ich es sagen, „ernst“. Es gibt natürlich auch lustigere Interviews, die sind natürlich auch gut (lacht).

subtext.at: Ich möchte dir zuerst gerne ein Klischee von Singer/Songwritern vorhalten, das mir ein Freund  so gesagt hat: „Ein Singer/Songwriter ist ein Mann mit Gitarre auf einer Bühne, der Songs über die Liebe singt.“ Würdest du dem zustimmen?
Scott Matthew: Ja, zu einem großen Teil stimmt das sogar. Ich versuche auch nicht, mich bewusst weg von diesen Klischees zu bewegen. Ich hatte nie die Sehnsucht danach, „avantgardistisch“ oder experimentiell unterwegs zu sein. Mich interessiert eher ein Song, der traditioneller strukturiert ist und auf traditionelle Instrumente zurückgreift und eher ohne viel Technologie auskommt.

subtext.at: Also wird es keine elektronischen Werke von Scott Matthew geben?
Scott Matthew: Glaube ich eher nicht (lacht). Ich hab zwar ein paar Remixes gehört – die machen mir auch nichts aus – aber es ist nicht das, was ich machen möchte. Sollte es jemals soweit kommen, wird es wohl eher eine Kollaborartion mit irgendjemand anderem sein. Von mir selbst würde das nicht kommen.

subtext.at: Ein weiteres Klischee, das vor allem im Singer/Songwriter-Bereich oft kommt, ist das der Melancholie als starkes Element. Warum ist das deiner Meinung nach so?
Scott Matthew: Das ist ein Bereich, wo ich mich eher nicht auf eine bestimmte „Szene“ festlegen möchte. Ich beschäftige mich aber natürlich sehr stark mit Emotionen, und habe auch versucht, das ganze zu analysieren. Da könnte ich dir jetzt stundenlang erzählen, wie viel Einfluss dieses auf jenes hatte – ich bin aber mittlerweile an einem Punkt der Akzeptanz angekommen, dass es so ist, wie es ist. Dieser Punkt ist sehr komfortabel, muss ich sagen.

subtext.at: Wie schwer war es für dich, weg vom Analysieren hin zu diesem Punkt zu kommen?
Scott Matthew: Es hat schon eine Zeit gedauert. Ich wollte immer schon mal abschließen mit Melancholie als „die“ bestimmende Emotion im Genre, aber es hat dann doch lange gedauert, bis ich dann auch musikalisch so weit gekommen bin und das dann auch zeigen konnte.

subtext.at: Gab es einen bestimmten Moment, wo du sagen kannst, dass du dich zu diesem Zeitpunkt gerade weg von der Melancholie allein bewegt hast?
Scott Matthew: Ich hatte schon mal eine Band in New York, das war mehr die „klassische“ Rock/Pop-Band. Während dieser Zeit fühlte ich mich nicht wirklich wohl mit dem, was wir gemacht haben, und habe begonnen, Solo-Shows zu spielen. Da hat es wohl angefangen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich dann auch angefangen, unter meinem richtigen Namen zu spielen.

subtext.at: Bist du also auch ein Singer/Songwriter, der es zufällig geschafft hat, nicht nur in lokalen Pubs zu spielen, sondern auch wirklich auf Tournee zu gehen?
Scott Matthew: Naja, ich spiele ja noch immer in Pubs (lacht). Ich habe aber das Gefühl, dass ich meinen Platz gefunden habe.

subtext.at: Gibt es in diesem Platz etwas, was du gerne ändern möchtest?
Scott Matthew: Nichts drastisches, nein. Im Hier und Jetzt passt das schon. Natürlich gäbe es Sachen, zu denen ich gerne Zugang hätte. Aber um Musik auf einem bestimmten Level zu betreiben, musst du erkennen, dass einfach nicht alles möglich ist. Aber die Mehrheit von dem, was ich mache, begeistert mich auch selber – also ja, ich bin glücklich zur Zeit.

subtext.at: Wenn man mit Musikern spricht, ist es oft ein Ziel, auf der Bühne „Party“ zu machen – bei dir stimmt das ja offensichtlich nicht. Was ist das, was du den Zuschauern von der Bühne aus mitgeben möchtest?
Scott Matthew: Seltsamerweise ist es eine Mischung aus Einsamkeit und Hoffnung. Komischerweise ist aber das, was das Publikum aufnimmt, genau das Gegenteil. Die Leute sagen mir immer, dass sie die Show eher inspirierend fanden – zumindest nach dem Konzert. Das ist auch für mich inspirierend. Ich sehe es immer als „einen Freund haben“ – das ist auch immer nett. Es geht also nicht um Traurigkeit – sondern um die Einsamkeit gepaart mit der Tatsache, nicht alleine dazustehen.

subtext.at: Kannst du mir einen Grund geben, deine Musik nicht anzuhören?
Scott Matthew: Ich weiß es nicht. Ich kann mir keinen Grund vorstellen. Es geht aber nicht darum, jeden zufriedenzustellen – es geht in erster Linie darum, sich selbst zufriedenzustellen. Da kann auch eine ehrliche Verbindung mit anderen Leuten entstehen. Natürlich will ich aber, dass die Leute meine Musik mögen – ich bin ja kein Idiot (lacht). Man kann aber mit diesem Anspruch, es jedem Recht machen zu wollen, in keinen kreativen Prozess gehen – das funktioniert dann einfach nicht.

subtext.at: Also würde Scott Matthew auch funktionieren, wenn weniger Leute ihn hören würden?
Scott Matthew: Naja, jahrelang hat sich kein Mensch meine Musik angehört (lacht). Bis vor sechs Jahren halt. Davor hat sich zehn Jahre lang keiner interessiert. Also ja, schon.

subtext.at: Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass Singer/Songwriter die Gruppe an Musikern sind, zu denen man als erstes gehen sollte, wenn man gute Musik entdecken möchte?
Scott Matthew: Ich bin ja selbst einer, also ja (lacht). Aber die Musik ist ein so weites Feld und so komplex und so persönlich, dass man das nicht verallgemeinern kann. Ich höre ja auch Kings of Leon und Kylie Minogue.

subtext.at: Wenn du kein Musiker wärst, was würdest du tun?
Scott Matthew: Das ist eine furchteinflößende Frage. Ich habe keine Fähigkeiten, keine hohe Ausbildung und kein Fallback-Szenario. Ich lebe im Moment, aus Angst davor, über die Alternativen nachdenken zu müssen (lacht).

subtext.at: Eine Frage, die ich jedem Musiker stelle – ein Album, das du nicht mehr hören kannst?
Scott Matthew: (überlegt) Keine Ahnung. Was wäre deines,  dann kann ich deine Antwort stehlen (lacht).

Links und Webtipps:

Fotos: Christoph Thorwartl, earlier.at

/p

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.