„Hauptsache Clooney!“

Mit dem fünffach Oscar-nominierten Familiendrama „The Descendants“ darf sich George Clooney, nach seiner dritten Nominierung als bester Hauptdarsteller und dem Gewinn des Golden Globes, berechtigte Hoffnungen auf das begehrte Goldmännchen machen.

Was gibt es Schöneres als nach einer durchzechten Nacht erschöpft im Kinosessel zu versinken und George Clooney auf einem Eifersuchtstrip durch ganz Hawaii hetzen zu sehen? Richtig – es gibt Einiges. Dennoch verschlug es mich ins provinzielle Kommerzkino, indem „The Descendants“ ob seiner Intellektualität nach der dritten Woche nur noch im kleinsten Kinosaal einmal täglich über die Leinwand flimmert.

„Spieln‘s denn was Lustiges für Zehnjährige?“, wollte ein älteres Pärchen mit Enkel im Schlepptau an der Kinokassa wissen. „Einiges – da wären die „Muppets“ die „Chipmunks“ oder „die fünf Freunde“ im Programm“, sagt die Kassierin und ich frage mich ob Verfilmungen erfolgreicher Fernsehserien wohl im Trend liegen. Aber egal, ein Ticket für „The Descendants“ sollte es sein und satte 15 Euro inklusive altem ungesalzenem Popcorn und kohlensäurelosem Cola ließen bei mir kurzzeitig die Teuerungsalarmglocken schrillen. Reihe sieben, Sitze neun, zehn und elf – verwirrte Kinobesucher tauschten wild ihre Plätze hin und her, fast als ob sie zum ersten mal ein Lichtspielhaus besuchen würden. Schließlich war der kleine Saal hübsch gefüllt und zwischen ewig verliebten Seniorenpärchen und innerlich dahinschmelzenden, weiblichen Clooney-Fantrupps schmuggelte sich auch der ein oder andere Teenieknutscher in die Vorstellung.

„Is der Film lustig?“, fragte ein Mädchen ihre Freundin. „Des is ma Wurscht, Hauptsoche da Clooney spüt mit“, war die flapsig bestimmte Antwort. Damit – dachte ich mir in weiterer Folge – sei eigentlich auch schon alles gesagt. George Clooney, der in dem tragikomischen Film von Regisseur Alexander Payne einen überforderten Familienvater spielt, der erst als seine Frau im Sterbebett liegt, von deren Affäre mit einem anderen Mann erfährt, brilliert in einer ungewöhnlichen Rolle als hilfloser Verlierertyp. Rasend vor Eifersucht versucht dieser den Liebhaber seiner Frau ausfindig zu machen und zur Rede zu stellen. Hilfe bekommt er dabei von seiner 17-jährigen Tochter – glänzend gespielt von Nachwuchstalent Shailene Woodley – zu der sich sein angeknaxtes Vater-Tochter-Verhältnis durch die Identifizierung des gemeinsamen Feindes – den Liebhaber der Mutter nämlich – stetig verbessert.

Clooney, bekannt geworden durch seine Rolle als Doug Ross in Emergency Room, fügt sich in die, zwischen Hawaiianischer Märchenlandschaft und bedrückender Krankenhausatmosphäre pendelnde Szenerie, nahtlos ein. „Seine bisher schwierigste Rolle“, wie Clooney selbst meint, spielt das gereifte Sexsymbol mit viel Gefühl und Souveränität. Shailene Woodley als rebellierende Tochter wirkt äußerst überzeugend und könnte mit „The Descendants“ ihre Visitenkarte in Hollywood abgegeben haben. Das war‘s dann allerdings schon mit den erwähnenswerten Details des fünfach Oscar-nominierten Films, darunter in der Kategorie als „bester Film“ und „beste Regie“.

Die mitweilen etwas langatmige Handlung und die teilweise holprigen Dialoge zeigen die Schwächen des Films schonungslos auf. Der schwarze Humor, den Hollywod daran so zu lieben scheint, wirkt phasenweise etwas aufgesetzt und deplatziert – einzig in der Schlüsselszene, in der Clooney seinen Nebenbuhler zur Rede stellt und aus Rache dessen Ehefrau küsst, kann der Film dramaturgisch überzeugen. Thematisch dreht sich alles um den schwierigen Umgang mit Verlust und Enttäuschung, sowie um den Ausverkauf unberührten Hawaiianischen Bodens. Den belehrenden Naturschutz-Nebenstrang hätte man sich sparen können, wenngleich George Clooney auf sympathische Art und Weise immer wieder politische Themen aufgreift und sich dabei kein Blatt vor den Mund nimmt. Für seine Regie- und Drehbucharbeit im spannenden Politthriller „The Ides of March“ hätte der umsichtige Hollywoodstar den Oscar allemal verdient. Was seine Rolle im eher mäßigen Streifen „The Descendants“ betrifft, so bin ich mir dabei nicht ganz so sicher.

Während erwartungsvolle Cineasten wohl nicht unbedingt den Oscar für das Familiendrama fordern werden, kommen Clooney-affine Fans, denen‘s obendrein „Wurscht“ ist, voll auf ihre Kosten. Hauptsache Clooney eben.

Foto: Merie Wallace