Kettcar – Vom Krieg und vom Frieden

Zehn Jahre sind seit ihrem Erstlingswerk vergangen, doch Kettcar klingen auf „Zwischen den Runden“ viel jünger und teilweise doch auch viel älter als sie in Wahrheit sind. Ein Liebesbrief.

Liebes Kettcar,

Seit sieben Jahren kenne ich dich nun schon. Mit „48 Stunden“ hast du mir einen ersten Ohrwurm in den Kopf gepflanzt, selbst heute noch taucht er in meinen täglichen Playlists auf. 48 Stunden können allen, aber nicht uns genügen. Irgendwann begann ich „Im Taxi (zu) weinen“, spürte hie und da mal die „Volle Distanz“ zwischen uns. Du hast mir gezeigt, dass deutschsprachige Musik fernab von Xavier Naidoo oder Sido auch nur annähernd cool sein kann. Ich war so stolz, dich zu kennen. Doch lange Zeit war all das nur eine gewisse Fernbeziehung, nichts wirklich Greifbares. Und doch hast du mich drei Jahre lang begleitet, auf allen Wegen, warst wahrscheinlich mein bester Freund auf last.fm. Und dann kam das Tief …

Zuerst wolltest du nach Sylt, oder „Graceland“, oder wie du es nanntest. Der Name war egal, ich fühlte mich einfach unwohl. Du wurdest lauter, wurdest ungemütlicher. Statt Akustischem bekam ich immer öfter Elektrisches zu hören. Soll es das gewesen sein? Und dann trafen wir uns. Ein wundervolles Erlebnis, nachdem ich mich eineinhalb Stunden zwischen U-Bahnstation und Arena (5 Minuten Gehweg) verlaufen hatte. Gänsehaut, als wir gemeinsam „Am Tisch“ sangen, fehlerfrei und im Chor, obwohl das Lied offiziell erst fünf Tage alt war. Einmal haben wir uns dann noch getroffen seither, ich glaube nur wenige Wochen später – ganz kurz – auf der Donauinsel. Dann wurde es ruhig. Ich konzentrierte mich auf Du und wieviel von deinen Freunden und Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen. Ich lebte also in der Vergangenheit, wollte nicht glauben, dass plötzlich alles schlimmer wird. Mach immer was dein Herz dir sagt wurde zum Lebensmotto, zu jenem Satz, der im alles entscheidenden Moment immer parat war. Ich habe mich so oft wie möglich daran gehalten, habe wunderbare Momente wegen diesem Satz erlebt. Und dann bist du plötzlich wieder da. Nur mal eben so. Zwischen den Runden.

Und redest über den Krieg. Und über Frieden. Über einen apokalyptischen Reiter und sein besorgtes Pferd. Und ich komme nicht zur Ruhe, weil du wieder so bist wie damals. Du bist so wie damals, obwohl du dich in den vergangenen zehn Jahren so sehr weiterentwickelt hast. Ruhige Töne, langsame Melodien, wenn ich „In deinen Armen“ liege, wenn du gerade „Zurück aus Ohlsdorf“ bist (und dabei nicht die Gemeinde im Salzkammergut meinst). Und „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ muss ich gleich jetzt damit rausrücken damit. Du bist wunderbar. Man kann nie wissen, was einen erwartet. Wenn das der Frieden ist, musst du den Krieg nicht noch erfinden. Du bleibst dieses Mal auch nicht ruhig, du warst es noch nie wirklich. Aber egal ob mit Piano oder Gitarre, die Stimme ist immer im Vordergrund. Und das ist wichtig.

Du rechnest ab, mit zehn Jahren, mit der Vergangenheit, und auch mit der Gegenwart. Mit dem Weltschmerz eines wissenden Menschen, eines kritischen, eines verliebten Menschen. Mit Ernüchterung und Aufregung. Mit der Liebe zum Leben. Jedes Mal, wenn du wieder zu mir kommst, wirkst du noch schöner, melodischer, noch gefühlvoller. Du kannst ruhig bleiben. „Schrilles buntes Hamburg“ meinst du und ich will einfach nur „Nach Süden“. Drei weitere Jahre wirst du mich mit dieser Platte nun begleiten. Mindestens. Ich danke dir dafür. Bis bald mal wieder. Hoffentlich.

Dein Dominik

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29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)