The Parlotones: „Wenn du anfängst, glaubst du, dass du gut bist“
Es gibt Konzerte, da lohnen sich die Supportacts fast noch mehr als die Headliner. Als Ende Juni Snow Patrol die ausverkaufte Arena Wien beehrte, waren dabei „The Parlotones“ mit von der Partie. Die Truppe aus Südafrika konnte dabei begeistern und stellte klar, warum sie in ihrer Heimat mit Gold und Platin überhäuft wurden.
Sänger Kahn Morbee gibt sich, genauso wie der Rest der Band, im Anschluss an die Show beim Interview sehr locker. Bei einem kühlen Bierchen wurde dabei über Populärmusik, die Anfänge in südafrikanischen Garagen, englische Reinfälle und ihr Album „Journey through the Shadows“ gesprochen.
subtext.at: Bitte stell dich mal in nicht mehr als drei Sätzen vor…
Kahn Morbee: Also, ich heiße Kahn, ich singe und spiele Gitarre bei den Parlotones, und wir sind grade in Wien von der Bühne gegangen.
subtext.at: Gleich zu Beginn: drei Wörter zur Show heute Abend?
Kahn:Awesome, Awesome und Awesome (lacht).
subtext.at: Gehen wir mal ganz weit zurück in eurer Geschichte – ihr macht seit mehr als einer Dekade Musik. Kannst du dich noch an die allererste Session eurer Band erinnern?
Kahn: Ja, schon. Das erste Mal haben ja auch nur Neil und ich zusammen gespielt. Wir hatten da einen Besenstiel als Mikrofonständer umgebaut….
subtext.at: Das heißt also, dass ihr auch noch so „billig“ geklungen habt, wie sich das anhört?
Kahn: Ja, ganz schrecklich. Aber wir haben geglaubt, dass es toll ist (lacht). Neils Eltern waren damals anderer Meinung, als sie uns in der Garage gehört haben.
subtext.at: Warum gibt es euch dann noch, wenn ihr so schrecklich wart?
Kahn: Weil du glaubst, dass du gut bist, wenn du anfängst. Diese Ignoranz zu Beginn ist eigentlich ein gutes Zeichen. Ich glaube, dass dieser jugendlicher Spirit dabei wichtig ist.
subtext.at: Hast du auch heute noch dasselbe Gefühl, dass ihr „Gut“ seid?
Kahn: Man ist sich dessen mehr bewusst – natürlich brauchst du das gewisse Selbstvertrauen. Als wir angefangen haben, haben wir geglaubt, dass wir das beste sind, was je da war. Jetzt ist es eher so, dass wir, je mehr wir die Musik verstehen, das „große Ganze“ eher sehen.
subtext.at: Auf eurer Facebook-Seite steht folgendes geschrieben: Ihr Sound, der in den Anfangsjahren als alternativ bezeichnet wurde, hat sich mit jedem Album weiterentwickelt und ist fokussierter geworden. Eine einfache, und auch harte Frage: Muss sich Musik weiter entwickeln?
Kahn:Ich glaube nicht, dass sie sich weiterentwickeln „muss“. Musik ist ein sehr subjektives Ding, und es kommt darauf an, was die Leute mögen. Es ist aber eher so, dass die Leute nicht wissen, was sie mögen. Sie mögen das, was sie kennen. Das ist auch die Geschichte von Musik. Du gehst in eine bestimmte Richtung, und magst dann irgendwas daran – seien es Riffs, Vocals, oder sonstwas. Ich glaube nicht, dass es die ultimative Notwendigkeit ist, dass man sich um jeden Preis weiterentwickelt. Wir, als Musiker, wollen das auf der anderen Seite schon.
subtext.at: Du hast gerade schon erwähnt, dass Musik ein sehr subjektiver Ansatz ist. Was ist dein Ansatz dazu – gibt es für dich zum Beispiel „die“ Popmusik?
Kahn: Für mich ist es die Musik, die zugänglich ist. Populärmusik muss zugänglich sein – wenn sich viele identifizieren, dann ist das Populärmusik. Auch wir also zu einem gewissen Grad. Die „Definiton“ von Pop wären dann aber Sachen wie Rihanna und Beyonce. Auch Nirvana – die waren auch Pop. Auch Pop, mit einem anderen Zugang.
subtext.at: Bleiben wir gleich beim Begriff „populär“ – The Parlotones haben Gold- und Platinawards gewonnen. Eine etwas sarkastische Frage: warum steckt ihr noch immer in einem Supportslot fest?
Kahn: Weil wir hier nicht so „relevant“ sind. Wir kommen aus Südafrika, das machts natürlich im Rest der Welt schwerer. Die Leute schauen zuerst im eigenen Land, dann schauen sie nach Großbritannien, dann nach Amerika. Den Leuten klarzumachen, dass es eine gute Rockband aus Südafrika gibt, ist nicht so einfach. Hier in Europa sind wir noch richig „Indie“, würde ich sagen.
subtext.at: Was mich zum nächsten Stichwort bringt. „Indie“, und damit verbunden „Alternative“. Eine Frage, die ich jeder Alternative-Band stellen muss: wie kann man alternativ sein, wenn es schon so viele Alternative-Bands gibt?
Kahn: Gute Frage. Das ist das, was ich auch immer sage. Musik kommt immer in verschiedenen Outfits daher, und verschiedene Leute mögen diese verschiedenen Outfits. Metallicas „Nothing else matters“ ist ja auch ein Popsong, der als Metal-Outfit daherkommt.
subtext.at: Würdest du mir dann zustimmen, dass Alternative zur Populärmusik geworden ist?
Kahn:Ja, und das verschiebt sich auch weiterhin. In ein paar Jahren ist Pop vielleicht wieder eher in Richtung Disco oder Dance unterwegs. Das passiert seit Jahren – es recycelt sich. Dann denken auch die Hipster, dass sie cool sind, obwohl sie nur einen vergangenen Trend wieder aufleben lassen.
subtext.at: Weil du gerade Metallica angesprochen hast – ihr habt mal ein Konzert direkt nach der Show von Metallica gespielt. Kann man darauf stolz sein, oder habt ihr einfach nur die Leute rausgespielt?
Kahn: Wir alle mögen ja Metallica. Das coole am Spielen nach Metallica war eher, dass wir die Show von der Seite der Stage gesehen haben. Von den 40.000 Leuten sind zwar 35.000 nach Metallica wieder gegangen, aber 5000 haben unsere Show dann trotzdem noch gesehen. Das war schon in Ordnung. Wir haben es ja auch gemacht, weil wir mal vor einem anderen Publikum spielen wollten – und natürlich ist es cool, sagen zu können, dass wir nach Metallica gespielt haben.
subtext.at: Kommen wir zu eurem aktuellen Album „Journey through the shadows“. Was ist der Track, den du darauf am wenigsten magst?
Kahn:Ich kenne Pauls Track, den er nicht aushält – das ist einfacher. Der heißt „Singing you to sleep“ (Paul gähnt laut hörbar im Hintergrund). Er denkt, dass er langweilig ist (Paul lacht).
subtext.at: Warum ist der Track dann trotzdem am Album gelandet?
Kahn: Naja, wir haben ihn oft live gespielt, bevor wir den Track für das Album aufgenommen haben.
subtext.at: Also ein Song quasi „Fürs Publikum“?
Kahn: Ja. Das ist ein Song aus der Kategorie „wir mögen ihn nicht unbedingt“, das Publikum dafür umso mehr. Wenn wir Songs schreiben, dann wär das auch selbstsüchtig, zu glauben, dass man nur die Songs veröffentlicht, die allen gefallen. Das ginge gar nicht.
subtext.at: Kann man „Journey through the shadows“ auch als autobiographisches Album sehen – von der elterlichen Garage hin zu großen Bühnen?
Kahn: Ja, natürlich. So, wie das Leben eines Menschen eine „Reise durch die Schatten“ ist, ist es auch die von uns als Band. Das „Indie-Dasein“ und diese alternative Rolle hat auch ihre Schattenseiten – wir wissen nicht, was wir in den nächsten Jahren machen. Da gibt es also auch Schatten.
subtext.at: Eine Frage, die ich jeder Band stellen muss, die es schon eine Zeit lang gibt: habt ihr je darüber nachgedacht, aufzuhören?
Kahn: Nein, nie. Obwohl: es hat eine sechswöchige Tour durch England gegeben, wo wir in 40 Tagen sicher 50 Shows gespielt haben – also mehr als eine am Tag. Wir haben nie darüber nachgedacht, aufzuhören, haben uns aber folgende Frage gestellt: „Wir geben einen Haufen Geld dafür aus, auf Tour zu gehen – ist es das wert?“. Wir waren etabliert zu Hause, und wir haben das Geld dafür ausgegeben, auf Tour zu gehen. Dann gibt es Shows in England vor 5 oder vor 10 Leuten. Das geht dann an die Substanz. Da haben wir schon darüber nachgedacht, den Traum der „weltweiten Touren“ aufzugeben.
subtext.at: Heute habt ihr dann doch vor etwas mehr als 10 Leuten gespielt – zur Zeit erlebt ihr also genau das Gegenteil zu besagter England-Tour?
Kahn: Klar, ja. Wir haben mittlerweile ja auch eine Fanbase hier, es ging ja nur darum, ob es das wert ist, so viel Geld ausgzugeben, um vor verhältnismäßig wenig Leuten zu spielen. Wir hätten uns damals auch genausogut ein nettes Häuschen daheim kaufen können – da hatten wir die Fans ja schon.
subtext.at: Also habt ihr auf der England-Tour die beschissensten Konzerte ever erlebt?
Kahn: Ja – es nervt, vor genau einer Person zu spielen, die sich ein Ticket gekauft hat. Sie war dazu nicht mal aus England, sondern aus Südafrika – was das ganze noch deprimierender macht.
subtext.at: Ein Album, das du nicht mehr hören kannst?
(Paul aus dem Hintergrund) „Best of the Backstreet Boys“ (alle lachen).
Kahn: Gute Frage. Es ist blöd, weil ich manchmal Alben, die ich nicht mehr hören, dann wieder höre zwei Jahre später. Mühsam wird’s nur, wenn Neil einen Artist entdeckt. Das läuft dann rauf und runter im Van, und dann hört man vier Stunden lang den selben Song (lacht). Dann ist unser Soundguy auf den Song aufgekommen, und nach dem Konzert ist dann ewig der selbe Song gelaufen.
subtext.at: Noch mal zurück zu eurem Album. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mich sofort an „Hot Fuss“ von The Killers erinnert gefühlt. Ein angemessener Vergleich?
Kahn: Den kriegen wir immer wieder. Vielleicht, weil die Stimme ähnlich klingt. Wobei Hot Fuss eher „softer“ klingt. Ich habe aber nichts dagegen – es gibt schlimmeres, als mit The Killers verglichen zu werden. Die Vergleiche kriegst du halt – niemand ist eine Insel, und jeder muss sich denen stellen.
Links und Webtipps:
- The Parlotones auf Facebook
- www.theparlotones.net
Fotos: Michael Straub