Zeitliches Glücklichsein

Wenn wir schon tagein, tagaus mit Werbung konfrontiert werden, soll sie uns zumindest glücklich machen. Und wenn man es erst einmal bemerkt hat, muss man ja fast zwangsläufig schmunzeln. „Hast du mal die Zeit?“

Ich habe ungefähr 22 Jahre damit gelebt, es nicht zu wissen. Erst als ich im Laufe dieses Studiums davon gehört habe, war mir das Ausmaß dieses Skandals bewusst geworden: die ganze Welt wird von einer bösartigen Uhrlobby regiert, deren Aufgabe es ist, Werbung so positiv wie möglich zu gestalten. Man sehe es sich mal an:

Was fällt auf? Genau: Jede dieser Uhren (entnommen aus den verschiedensten Uhrenwerbungen, die ich auf die Schnelle bei Google gefunden habe) zeigt genau eine Zeit an. 10 nach 10 (manchmal auch 10 vor 2) ist wohl die beliebteste Uhrzeit in einem Marketingbüro. Denn an was erinnert denn der Stand dieser Zeiger? (Hier nun etwas Zeit, um wieder zu überlegen.) Genau: an ein lächelndes Gesicht. Naja, in Wahrheit stimmt das natürlich nicht, denn man braucht schon sehr viel Fantasie, um in zwei, im stumpfen Winkel voneinander abstehende Zeigern einen lachenden Mund zu sehen.

Und wie sieht das bei Digitaluhren aus? Darüber kann ich zwar nicht wirklich etwas sagen, aber auch hier hat die Google-Bildersuche weitergeholfen. Wie man hier sieht, lieben es die Uhrenmacher, ihre Digitaluhren zu einer Uhrzeit abzulichten, wenn eine achte Minute geschlagen wird (12:38 Uhr, 13:48 Uhr, etc.) Außerdem ist mir, bei extrem teuren, goldigen Uhrenwerbungen aufgefallen, dass man mutig ist. Und den Ernst der Lage damit zeigen will, indem man dreinschaut wie Angela Merkel. 20 nach 8 oder 4 Uhr 40 befindet sich aber in dieser Beziehung eindeutig in der Minderheit.

Also: Aufmerksam durch die Welt gehen und bemerken, wie oft man von einer Uhr angelächelt wird. Ich sehe jetzt beinahe schon reflexartig jedes Mal um 10 nach 10 auf meine Uhr und schmunzle belustigt zurück.

Kurz zur Erklärung: In “subliminal” mache ich mir jeden zweiten Mittwoch Gedanken zur Werbung. Möchte grandiose und negative Beispiele aufzeigen, Mythen aufdecken und Botschaften entschlüsseln.

Bildquelle 1: AttributionNoncommercialNo Derivative Works Some rights reserved by Max Nathan
Bildquelle 2: eine Collage aus vielen verschiedenen Werbungen, gefunden durch Google Images

29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)