Filmreview: „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“

Ist es moralisch vertretbar, das Thema Autismus in eine Komödie einzubauen oder wird diese Entwicklungsstörung damit gar ins Lächerliche gezogen? „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ ist ein mutiger Film, der viel Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen legt und dennoch weder auf eine überspitzte Metaphorik noch Selbststigmatisierung verzichtet.

„ I rymden finns inga känslor“, so der schwedische Originaltitel, ist das Kino- Debüt des erst 25- jährigen Regisseurs Andreas Öhman, welcher zugleich das Drehbuch verfasst hat. Eine Tragikomödie, die in Schweden bereits Erfolge feierte (4 Nominierungen beim heimischen Filmpreis, Publikumspreis), 2011 in Deutschland gezeigt wurde (Filmfest München zum Beispiel), und nun in den österreichischen Kinos zu sehen ist.

Simon (Bil Skarsgard) ist 18 Jahre alt und hat das Asperger Syndrom, eine milde Variante des Autismus. Um sich in seinem Leben halbwegs zu Recht zu finden, braucht er einen regelmäßigen Tagesablauf, der von fixen Essenszeiten oder derselben Kleidung geprägt ist. Simon ist in Naturwissenschaften talentiert, hat aber Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen, weshalb er eher Einzelgänger ist. Seine Eltern haben immer mehr Probleme, einen Zugang zu ihm zu finden, weshalb er schließlich zu seinem älteren Bruder Sam zieht. Sam (Martin Wallström) ist 23 Jahre alt und Simons engster Vertrauter. Durch den Einzug Simons wird seine Beziehung zu Frida (Sofie Hamilton) allerdings auf eine harte Probe gestellt und als er von dieser verlassen wird, gerät auch Simons gewohnte Ordnung durcheinander. Simon ist der Überzeugung, die Ordnung wieder herstellen zu können, indem er eine neue Freundin für Sam sucht. Diese soll mehr Gemeinsamkeiten mit ihm aufweisen und die Dinge erledigen, für die Frida bisher zuständig war. Die Suche gestaltet sich jedoch alles andere als einfach, es kommt zum Streit mit Sam und für ein Date mit Jennifer (Cecilia Forss) muss dieser erst entführt werden. Das Ende ist offen, aber angedeutet.

„Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ wird manchmal mit „Rain Man“ oder „Vincent will Meer“ verglichen, wobei ich die Umsetzung hier im Vergleich zu letzterem für gelungener halte. Der Film ist erfrischend anders als viele Hollywoodkomödien: Man kann lachen, ohne sich zu fragen, ob das überhaupt angebracht sei, erkennt aber dennoch den Ernst dahinter, auf welchem hingegen nicht das Hauptaugenmerk liegt. Für dramatische Momente sorgt vor allem Martin Wallström, der von Liebeskummer und Sorge um seinen Bruder geplagt wird. Überzeugend sind auch Bil Skarsgard, der seine Verständnis- und Hilflosigkeit über Emotionen in Ausrastern oder der Flucht in seine „Weltraum- Tonne“ ausdrückt sowie Cecilia Forss, welche sich seiner Denkmuster aneignet und charmant Chaos, ein wenig Verwirrtheit und Spontanität repräsentiert.

Simons Asperger Syndrom kommt etwa gut zum Vorschein, als er auf die Trennung Sams und Fridas mit der Frage, wer jetzt den Abwasch mache, reagiert oder als er um mit Jennifer reden zu können in sie hineinläuft. Ihm ist nicht klar, dass er Jennifer weiterhin sehen kann, auch wenn sie nicht Sams Freundin wird. Auf ihre Aussage, dass sie ihn möge, meint er, dass sie seinen Bruder dann sicher mögen werde, weil dieser 937- Mal besser sei als er selbst.

Für Simons Denkweise und Weltanschauung wurden etwas verwirrende Einblendungen vom Weltraum gewählt- Mit etwas verwirrend meine ich, dass mir der Zusammenhang nicht klar verständlich war- sowie Smileys, die er der Laune seiner Mitmenschen versucht zuzuordnen oder Uhrzeiten. Um Liebe zu verstehen, borgt er sich in einer Bücherei Filme aus, bei welchen ihm Codes und Texte erscheinen.

Die HauptdarstellerInnen verwenden Sprache unterschiedlich. Simon hat ein Problem mit ungenauen Aussagen, in dessen Folge beispielsweise mit Sprichwörtern, weshalb er Leute diesbezüglich stets korrigiert. Jennifer bedient sich umgekehrt häufig einer bildhaften Sprache. Schwedisch an sich hat mich ein wenig an das Niederländische erinnert, manche Wörter waren auch vom Deutschen her halbwegs ableitbar.

Man darf sich keine Dokumentation über Autismus, zahlreiche Actionszenen oder spannungssteigernde Elemente wie bei einem Horrorfilm oder Krimi etwa erwarten- Wer dies tut, wird wohl enttäuscht werden- und muss mit einem etwas abrupten Ende sowie der Darstellung des Gegensatzes zwischen Vernunft und Gefühl zurechtkommen. Hier würde ich anmerken, dass dies zwar wohl tendenziell ein größeres Problem bei AutistInnen darstellt, aber dennoch genauso die Bevölkerung ohne Autismus betrifft, was Andreas Öhman etwas außer Acht gelassen hat, indem er die Beziehungsgeflechte mit herkömmlichen, eher einfallslosen Aussagen wie „Mädchen stehen immer auf Jungen, die nicht auf sie stehen und die sie schlecht behandeln“ präsentiert hat. Den Film mit einem Schrei beginnen zu lassen, ist auch etwas ungewöhnlich.

Die für den Film gewählten SchauspielerInnen der drei Hauptcharaktere Simon, Sam und Jennifer (Geburtsjahrgänge 1990, 1983, 1985) sind alle aus Schweden und haben größtenteils Schauspielausbildungen absolviert, beziehungsweise im Fall von Wallström und Skarsgard bereits miteinander in einem Film mitgewirkt. Forss wird demnächst auch in „Die Kunst, sich die Schuhe zu binden“ zu sehen sein.

Des Weiteren wurde die herzerwärmende Tragikomödie für den diesjährigen Auslands- Oscar nominiert, den sie meiner Meinung nach verdient hätte.

„Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ war der als vorletztes gezeigte Film beim Sommerkino in Linz, der wegen Schlechtwetter ins Moviemento verlegt werden musste. Das Sommerkino findet jährlich von Juli bis Anfang September österreichweit (Ausnahme: Vorarlberg) statt, der Linzer Standort befindet sich auf dem OK- Platz.

Weitere Informationen, den Trailer und Bilder gibt es auf der offiziellen Website des Filmes: http://www.imweltraum.de/

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/