Arabischer Frühling im Kepler Salon

Am letzten Februartag dieses Jahres fand sich zu Mittag eine große Menschenmenge im Linzer Kepler Salon ein. Grund dafür war der „Popstar unter den Auslandskorrespondenten“, Karim El-Gawhary – bekannt für seine Berichterstattungen aus dem arabischen Raum. Der Titel der Veranstaltung lautete „Woran arbeiten Sie gerade, Herr El-Gawhary?“

Korrespondenten kennen die meisten von uns aus oft sehr kurzen Zuspielungen in Nachrichtenformaten, wie der ZiB. El-Gawhary bedient sich jedoch viel mehr Medien als nur des Fernsehens: So ist er außerdem in Print und Radio sowie im Internet durch Blogs, Twitter und Facebook vertreten.

El-Gawhary kritisierte im Gespräch die Massenmedien, die lediglich über einzelne kritische Situationen berichten wollen, aber an längeren Prozessen, die deren Hintergründe bilden, wenig interessiert seien. Und eine Revolution, wie wir sie derzeit im arabischen Raum erleben, ist nicht in 2 Jahren durchgestanden. Vielmehr sei der Sturz der Diktaturen wie ein frühes Tor in einem 90-minütigen Fußballspiel. Es bedarf also vor allem an Zeit, um dem politischen System eine neue Ordnung zu geben – Zeit, die nicht unbedingt vorhanden ist. Denn der ägyptischen Bevölkerung gehe es sehr schlecht, sie kämpfe mit der Armut. So müssen 4 von 10 Ägyptern mit weniger als einem Euro am Tag auskommen. Diese Situation verschlimmere sich seit Monaten und wenn es so weiter gehe, werden wohl bald Hungeraufstände aufkommen, so El-Gawhary. Doch neben einem politischen Wandel braucht es auch einen gesellschaftlichen Wandel, denn keines von beidem gehe ohne dem anderen vonstatten. Damit würde sich auch die Interpretation des Islams verändern. Fragen mit religiösem Inhalt waren bemerkenswert oft im Publikum vertreten.

Er sprach sich gegen die distanzierte Form des Auslandsjournalismus aus, und betonte die Bedeutung der Nähe zu den Menschen. Ein Außenreporter sollte zum Ziel haben, „möglichst nah dran“ zu sein. So würden sich auch neue Sichtweisen auf das Geschehen eröffnen. Die Sichtweise der Bevölkerung vor Ort könne sich nämlich stark von der „europäischen“ unterscheiden.

Die westliche Welt, vor allem Europa, dürfe sich laut El-Gawhary nicht als Schutzpatron der Demokratie im arabischen Raum sehen. Lange genug hätten die Industriestaaten die totalitären Systeme akzeptiert und mit Diktatoren verhandelt. Europa arbeite immer mehr daran, sich gegenüber Asien und Afrika abzuschotten und Asylsuchende werden nicht nur hierzulande schlecht behandelt. Das schüre die Unzufriedenheit bei den Arabern gegenüber der westlichen Welt. Trotzdem sieht El-Gawhary keine Rückkehr zu einem totalitärem System in den Ländern des Arabischen Frühlings. Die Menschen seien sehr froh, dass kein einzelner herrschender Mann mehr an der Spitze ihres Heimatlandes stehe. Im Übrigen sei die Demokratie samt ihrer Strukturen „Neuland“ für Ägypten. Hier sollten anfangs Fehler gemacht werden dürfen, und das Arbeiten innerhalb dieser Strukturen könne nicht von einem Tag auf den anderen erlernt werden. Ein großes Problem seien Zukunftsperspektiven, wo sich die beiden großen Parteien derzeit gegenseitig blockieren.

El-Gawhary lebt und arbeitet in Kairo und schreibt derzeit unter anderem an seinem dritten Buch. Alles andere, was den Journalisten beschäftigt, könnt ihr in seinem Blog nachlesen, und vielleicht würde euch ja auch eines seiner zwei bisher erschienenen Bücher interessieren.

Die gesamte Veranstaltung gibt es in Kürze zum Nachhören auf http://kepler-salon.at/de/Veranstaltungen/Zu-Mittag-bei-Kepler-Woran-arbeiten-Sie-gerade-Herr-El-Gawhary.

Studentin. freischaffende Künstlerin. bluehirsch.