„Illusionen“: Das (Nicht-)Vorhandensein von Liebe und Glück

 Das 2011 entstandene Stück „Illusionen“ von Iwan Wyrypajew („Juli“, „Sauerstoff“) wird seit dem 17. März 2013 im Linzer Eisenhand Theater aufgeführt. Fokus wird auf die Geschichte zweier befreundeter Paare gelegt, die mit einer desillusionierenden Wirkung bezüglich Liebe und Glück einhergeht.

Gibt es etwas Beständiges in der Welt beziehungsweise ist Glück möglich, wenn es das nicht gibt? Sind wir noch fähig dazu, zu lieben und was ist Liebe überhaupt? Der 1974 geborene Iwan Wyrypajew fragt nach einer absoluten Wahrheit, er merkt in einem Interview mit der Dramaturgin Meike Sasse an, dass wir hauptsächlich Bezug auf die geschlechtliche Definition- Begierde und Eifersucht eingeschlossen- nehmen würden, dabei spreche Darwin bei der natürlichen Selektion genauso von Liebe oder Paulus von Gottes-und Nächstenliebe. In „Illusionen“ enthält eine Passage die Aussage, dass Gefühle für jemanden nicht auf denjenigen, für den man sie empfindet, selbst, sondern auf jemand Anderes projiziert werden könnten.

Danny und Sandra sowie Albert und Margret sind seit über 50 Jahren miteinander verheiratet. Auf dem Sterbebett bedankt sich Danny bei Sandra für ihre Liebe und die schöne gemeinsame Zeit. Sandra hat allerdings Albert geliebt, von dem weder dieser, noch Danny ahnten. Kurz vor ihrem eigenen Tod macht sie ein Geständnis und Albert glaubt zu erkennen, dass er Sandra ebenfalls die ganze Zeit geliebt hat. Albert weiht Margret ein und diese eröffnet ihm, dass sie eine Affäre mit Danny hatte, was sich als Scherz herausstellt. Kein Scherz ist jedoch, dass zwischen Danny und Magret Gefühle im Spiel waren. Ein PartnerInnentausch scheint aber keine Option gewesen zu sein, da sich die Beteiligten dennoch als glücklich ansehen und nicht ausschließen, ihren eigenen Partner oder die eigene Partnerin genauso zu lieben/geliebt zu haben. Anfangs überzeugt davon, dass wahre Liebe nur auf Gegenseitigkeit beruhe, sieht es im Laufe des Stückes nicht mehr ganz so danach aus. Liebe sei Arbeit, die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Liebe sei einfach nur Liebe und könne, egal wie und zu wem auch immer, bestehen. Gleichzeitig werden die Erklärungen durch weitere, wie dass Liebe im Grunde genommen etwas ganz Anderes sei, wieder zerstört.

Für „Illusionen“ wurde eine zweite Ebene mit Rückblenden gewählt: Junge Schauspielende (Nancy Fischer, Gunda Schanderer, Christian Manuel Oliveira, Bastian Dulisch) erzählen – die meiste Zeit sitzend- abwechselnd von verschiedenen Situationen im Leben von Danny, Sandra, Albert und Margret.  Das Theaterstück bewegt sich zwischen Sein und den verschiedenen Ebenen des Scheins. Die Zusehenden werden direkt angesprochen, Sprechpausen und eine Trinkpause für die Darstellenden werden angekündigt, am Ende wird man verabschiedet. „Ich liebe dich“ wird geschrien, um genau das dann zu hinterfragen. Die Tür zur Garderobe war während des Stückes geöffnet und diente kurz als Schauplatz. Gelächter gab es besonders für das spontane Eingehen auf die Situation, dass eine Person verspätet zu den Gästen dazu stieß, woraufhin eine Schauspielerin im Anschluss hörbar die im Publikum sitzende Souffleuse (Sigrid Hochreiter) fragte, wo sie gerade textlich stand oder dass zu Beginn des Stückes die SchauspielerInnen einzeln mit Sesseln und Lampen eintraten. Manches wurde von allen gemeinsam, etwas zeitversetzt, gesprochen. Das Herumgehen und die Steigerung mit allen möglichen Liebesgeständnissen (an Papier, Bleistifte, noch mehr an geschriebene Texte, wenn sie auf einer Tür haften, …), sich auf den Boden werfen, ins Publikum laufen und sich gegenseitig ergänzenden Phrasen wie „Ich liebe, wie ihr liebt“ oder „Ich liebe dein Äußeres“ vs. „Ich hingegen liebe den Inneres“ gegen Ende hin zuzwerfen wirkt auflockernd in einem Werk, in dem doch die Literatur sehr stark im Vordergrund steht. Ich hätte mir auch ein paar dieser Elemente zu Beginn gewünscht, da man hier sagen könnte, dass es sich noch um eine reine Erzählung handelt.

Nett ist die Idee, dass selbst der Radio eine kleine Lampe hat und später als UFO dient. Ansonsten ist das Bühnenbild (Zuständige Ilona Agnes Tömo) schlicht gehalten, es wird viel mit Lichteffekten gespielt. Raimund Steininger und Christa Dollhäubl haben Kostüme geschaffen, die sich weder von der Farbe, noch von Mustern und sonstigem in den Vordergrund rücken. Warum das Lied, welches die meiste Zeit über im Hintergrund läuft, ausgewählt wurde, erschließt sich mir nicht.

Zur Geltung kommen Dialoge, die ins Leere gehen, Unbeständigkeiten oder die Verwobenheit von Liebe und Tod, deren Kreis sich schließt. Die aneinandergereihten Geschichten lösen die zuvor gestellten Fragen und werfen neue auf. Auf diese Art und Weise ergibt sich Spannung in einem kritischen Stück, das durchaus viel feinen Humor beinhaltet. Es ist in meinen Augen jedoch falsch zu sagen, der Kernaspekt sei ein philosophischer Zugang.

„Illusionen“ läuft noch bis Mitte Mai, die nächsten Termine sind der 20., 22. und 28. März, jeweils um 20 Uhr in der Eisenhandstraße 43, 4020 Linz.

 

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/