Crossing Europe: Aurora – Vanishing Waves
„The Alpha-Waves are vanishing. He is diving now.“ – So beschreibt ein Mitglied der Research Group die erste neurale Verbindung von Lukas (Marius Jampolskis) zur Komapatientin Aurora (Jurga Jutaitė). Für den jungen Wissenschaftler wird aus der gedanklichen Verbindung bald mehr als ein wissenschaftliches Experiment . Er behält seine Erfahrungen für sich. Ein romantischer Science-Fiction Thriller mit gut durchdachtem Drehbuch aus Litauen.
Kristina Buožytė heißt die Regisseurin von Vanishing Waves, die vor allem die Erforschung des Unterbewusstseins, die schmale Grenze zwischen Phantasie und Realität und die Flucht vor echten Beziehungen im Auge hatte, als der Filmdreh 2011 begann. Es ist nach ihrem Abschluss der Litauischen Film- und Theaterakademie und ihrem ersten Featurefilm „The Colectress“ 2008 das erste Mal, dass sie überall auf der Welt die Kinos erreicht.
Drehort: Das Hirn der Protagonistin
Lukas meidet schon seit einiger Zeit das Gespräch und die Nähe zu Lina(Martina Jablonskytė), seiner langjährigen Freundin. Es ist die Zeit beim Zuendegehen einer Beziehung in der alles und jeder andere interessanter ist als der gewohnte Partner mit dem man das ewig gleiche verbindet.
In Lukas Fall ist es das Experiment seiner Neurowissenschaftlichen Abteilung: Er soll als erster über Hirnstrommessung im Gedankenaustausch zu einem ihm unbekannten Komapatienten stehen. Ziel für die Gruppe ist es, dass er herausfindet um wen es sich handelt und ein Phantombild abliefert. Laut „Ethnischem Kommitee“ ist zum Schutz des Patienten keine Kontaktaufnahme erlaubt.
Lukas beschreibt seinen KollegInnen nach den täglichen Sessions im abgeschirmten Wasserbecken (grandioses Set-Design übrigens) nur vage Bilder und Datenmengen die er versucht zu verarbeiten. So geht es über Wochen hinweg ohne merklichen Fortschritt. Dass ihm das Experiment aber psychisch zusetzt wird schnell allen klar.
Was Lukas nicht verrät ist, dass er seit der 2. Session bereits weiß um wen es sich handelt: Und nicht nur das, er und die junge Frau verstehen sich so gut, dass sie sich sexuell in Auroras Unterbewusstsein, bestehend aus sonnigen Meeren, Stränden und einer architektonisch wertvollen aber surreal anmutenden Strandhütte (die es wirklich gibt) ausleben.
Der nächste – nun nicht mehr einem wissenschaftlichem Interesse entstammenden – Schritt für Lukas ist es, Aurora im echten Leben zu finden zu versuchen sie aufzuwecken.
Es ist keine Besessenheit, aber doch ein Verlangen alles dafür zu tun sie lebend zu sehen. Bald scheitert seine Beziehung endgültig daran. Lina wirft ihm „eine Andere“ vor und er verneint darauf nicht.
Surreal und trotzdem realistisch, tragisch und ebenso gefühlvoll
Dieser Film ist ein „Blick in die Männliche Psyche“ schreibt die New York Times. Meiner Meinung nach ist das ein unreflektiertes und schnelles Urteil, welches die Hälfte des Films ignoriert. Hier fließen viele menschliche Eigenheiten, Ängste und Wünsche der Charaktere mit ein – Ist es zum Beispiel tugendhaft oder egoistisch dass Lukas Aurora aufwecken möchte?
Im Interview mit Hauptdarsteller Marius Jampolskis erfahren wir, dass es – wie in der litauischen Filmszene üblich – ein Low- to No-Budget Film war. Gewagt also, dass Buožytė ihre Erzählung in Science Fiction einbetten will. Gemeistert hat sie das vor allem durch die futuristischen aber minimalistischen Sets, die Leere der Strände, der Räume und der Meere. Durch gekonnte Lichtsetzung und sanfte Kameraführungen, ebenso wie durch visuelle Effekte aufgewertete cleane Umgebungen täuscht über die minimalen Mittel des Films hinweg. Großartige Arbeit haben die 5 Visual Studios geleistet, die neben den 3D Welten in Auroras Kopf auch abstrakte Datenvisualisierung von Gehirnströmen und Phosphenen betrieben haben. Teilweise hat diese vielfältige Bilderwelt aber mehr Aussagekraft und Ausdruck als die beiden Leads. Ob das beabsichtigt war?
Die Bewertung der subtext.at-Redaktion: