Crossing Europe: „Tzvetanka“
Youlian Tabakov hat mit „Tzvetanka“ ein Porträt seiner gleichnamigen Großmutter kreiert. Der 2012 zum ersten Mal gezeigte Film schafft es, den Zusehenden nicht mit Informationen zu überfluten, geht aber vielleicht gerade deshalb weniger in die Tiefe.
Tzvetanka Gosheva wurde 1926 als Tochter einer Kaufmannsfamilie geboren. Anhand von Rückblenden erfährt man vom Tod ihres Bruders, ihrer Schulausbildung, dem Medizinstudium, der Arbeit, der Pension, dem Unfall ihres Ehemannes oder ihren Prozess des Alterns. Tzvetanka hat bis zu ihrem Lebensende 2009 drei politische Systeme miterlebt, zum Einen die Monarchie, zum Anderen den Sozialismus und in letzter Folge die heutige Demokratie. Im Werk selbst kommen die Umbrüche beispielsweise durch das Ansprechen der omnipräsenten Furcht und die Sorge um die Eltern der Protagonistin, die als Feinde der Partei eingesperrt wurden oder eine 1989 stattfindende Versammlung der Bevölkerung zur Feier des Ende des Kommunismus zu tragen. Erst seit diesem Zeitpunkt könne man von Meinungsfreiheit sprechen. Ebenfalls Eingang in die Dokumentation fanden die Korruption, bei der Bulgarien 2011 im EU- Vergleich am schlechtesten abschnitt (Gosheva nennt die Unmoralität der PolitikerInnen, dass diese nur auf ihren eigenen Vorteil aus sein, das Wohl des Volkes sei nur zweitrangig), wirtschaftliche Probleme oder ein veraltetes Gesundheitssystem. Doch auch wenn Tzvetanka Gosheva zeitweise im Ausland arbeitete, kam sie trotz aller Widrigkeiten immer nach Bulgarien zurück. Die Zukunft des Staates wird von dem Regisseur hauptsächlich negativ gesehen.
Positivere Assoziationen bieten hingegen Bulgariens Landschaftsaufnahmen und die eingesetzte, teils sehr zeitgemäße Musik. Die Tatsache, dass Tabakov Kostüm und Design studiert hat, wird in seinen Bildern, wie beispielsweise einem Blutregen oder Riesenblumen in der Wohnung, welche oftmals auftauchen und schließlich auch medizinisch behandelt werden, deutlich. Diese sprechen bereits ohne Worte für sich.
Ab und zu kann einem die Dokumentation durchaus ein Lächeln entlocken, wenn es etwa heißt, dass das eine Weile so ginge und dann in Heirat endete. Ansonsten wirken einige Dinge, wie dass man PatientInnen nicht informieren durfte, dass sie Krebs haben oder das lange Fehlen einer Meinungsfreiheit zwar erschreckend, dennoch ist man kaum zum Mitfühlen verleitet, da der Film mit besonders emotionalen Ausdrücken gespart hat.
Die eingesetzte Rückblende wird bereits zu Beginn erkenntlich und auch das Mitlesen der englischen Untertitel gestaltet sich als bewältigbar, weder sprachlich zu hoch, noch technisch zu schnell angesetzt.
Manche Szenen wirken etwas sprunghaft angeordnet, speziell zu Beginn oder wenn es zwischen einem Arztbesuch und einer Winterlandschaft ohne Menschen überhaupt keinen Übergang gibt.
„Tzvetanka“ ist in knapp über einer Stunde eher eine Biografie als eine Dokumentation über den Staat Bulgarien selbst, obwohl auf diesen durchaus etwas geschlossen werden kann. Es entsteht ein erster Eindruck ohne Tiefgang, bei dem es vorteilhaft ist, zumindest oberflächlich über die bulgarische Geschichte Bescheid zu wissen. Mir haben sich die Fragen gestellt, ob Tabakov mit dem Blumenmotiv mehr aussagen wollte, als es zuerst scheint oder ob gerade jüngere BulgarInnen nicht eine Spur positivere Vorstellungen im Hinblick auf ihre Zukunft haben. Man denke an den EU- Beitritt 2007, die Einführung eines Gedenktages für die Opfer des Kommunismus 2011 oder an den zunehmenden Tourismus.
Die Bewertung der subtext.at – Redaktion: