Nachbericht: MELODY GARDOT @ Stadthalle Wien

Wenn Musik für jemanden kein reines Produkt darstellt und auch keine Industrieware ist, sondern etwas sehr Kostbares, sollte man das nicht besonders wertschätzen? Am 23. April 2013 gibt es in der Wiener Stadthallte spitzen Jazz-Songs moderner Prägung von einer außergewöhnlichen Sängerin zu hören: Melody Gardot. Trotz ihrer geringen Zahl an Lebensjahren hat sie schon einiges erlebt. Man kann es fühlen.

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Über einen Umweg kam die damals 19-jährige Amerikanerin zur Musik, die ihr halt gab, als sie sich von einem schweren Autounfall erholen musste. Ein Jeep rammte sie auf ihrem Fahrrad. Ihre Hüfte war daraufhin mehrfach gebrochen und ihre Wirbelsäule ebenfalls schwer verletzt, was ihr Nervensystem fast lahm legte. Viele Wochen und Monate lag die junge Frau auf der Intensivstation. Kurzum: Sie kennt den Schmerz, von dem sie singt, nur allzu gut. Sie hat ihre Grenzen erfahren und ist ihnen gefährlich nahe gekommen.

Das erste, was einen an Melody Gardot an diesem Abend in Wien auffällt, ist ihre enorme Bühnenpräsenz. Auch ihre Stimme hält das Versprechen, welches die nun 28-jährige auf ihren Erfolgsalben stets gibt. Schon jetzt klingen ihre Songs wie moderne Klassiker. Gardot intoniert das Material auf der Bühne mit einer Leichtigkeit, aber auch mit einer Tiefe, die ihre junge Stimme eigentlich noch gar nicht haben dürfte. Die Pegel schlagen zwar selten aus, doch am Ende des Abends steht der Saal aufgrund afrikanischer Melodien, groovender Percussion und des brasilianischen Bossa Nova Kopf und alle von ihren Stühlen auf, um Lebensfreude zu zelebrieren. Trotz der Gegenliebe bleibt Gardot mit jeder Faser ihres Körpers stets sie selbst – ein bisschen unnahbar und zurückhaltend, kühl und wie hinter Glas.

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Es gibt auch nachdenkliche, aber nicht pessimistische Töne, die geprägt sind von der Tradition des portugiesischen Fado. Sie versteht es, dem Jazz eine vielfarbene Aura zu verleihen, die scheinbar auch das ganz normale Publikum immer stärker vermisst. Sie und ihre Band scheinen wie gebaut dafür zu sein, nach dem Höchsten der Gefühle zu streben um neue Blickwinkel auf wiederkehrende Themen zu finden. Respektvoll interpretiert sie Cesaria Evoras „Sodade“ und „Over The Rainbow“.
Sie bekommt viel Applaus und sie lässt sich auch nicht lange bitten, als es zu einer kleinen Zugabe geht.

Zwischen der Musik hat die Gardot auch noch einiges zu sagen. Anekdoten über ihren ersten Aufenthalt in Paris oder über das Kulturgut in Europa streut sie ein. Sie ist froh über die Gelassenheit der Leute hierzulande und lässt sich über die allgemeine Hektik in den USA aus, die ihr nicht gut tut. All das erzählt sie auf die charmanteste Art, wie man es sich nur überhaupt vorstellen kann. Die bunt schimmernden Jazz-Nuancen sorgen für einen rundum gelungenen Abend – für Geduldige. Musik als Gefühl verstehen. So geht das also.

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Daniel Gilic
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