ALIN COEN: „Schwächen darf man haben“ (mit Gewinnspiel!)

Immer noch Indie, immer noch Pop, ein bisschen elektronisch, aber 2013 mehr „Band“ denn je. Das neue Album „We’re Not The Ones We Thought We Were“ zeigt einmal mehr, dass Alin Coen zu Recht eine der interessantesten musikalischen Stimmen der Gegenwart ist. Je öfter man Titel wie „Kites“ und „A No Is A No“ hört, desto klarer wird, welche Tiefe die Musik hat. Songs hergestellt aus reinsten Naturfasern.

Ein Interview mit der sympathisch-grüblerischen Songwriterin über Selbstfindung, menschliche Schwächen und Stärken und das Wirrwarr eines Produktionsprozesses.

Alin

subtext.at: Alin, Gratulation zum neuem Album. Ich finde, es ist euer bestes Werk bis dato.
Alin Coen: Ja! Hast du den Text auf subtext.at geschrieben? Auf der Internetseite steht ja eine Rezension zu unserer Platte.

subtext.at: Ja, das war ich.
Alin Coen: Wahnsinn, also ich bin davon total begeistert, dass jemand das so durchdringen kann und erkennen kann. Es hat uns alle in der Band sehr gefreut, deinen Text zu lesen.

subtext.at: Vielen Dank für das Lob. Du an anderer Stelle vorab gesagt, dass das neue Album eine Band-Platte sei. Steht die Alin Coen Band nun auf festerem Fundament als noch vor ein paar Jahren?
Alin Coen: Zum einen sind wir natürlich musikalisch zusammengewachsen, zum anderen haben wir uns überhaupt erst mal die Zeit genommen, als Band mal zusammen zu schreiben. Wahrscheinlich geht das alles miteinander Hand in Hand. Wir sind noch lange nicht irgendwie fertig angekommen, sondern es einer Weiterentwicklung bedarf. Mit dieser Band ist noch ganz viel möglich. Aber ja, die Entwicklung ist schon ein bisschen mitzubekommen (lacht).

subtext.at: Ein Thema, dass sich durch eure bisherige Diskographie durchzieht wie ein roter Faden: Selbstfindung. Jeder stellt sich im Leben einmal die wichtige Frage: „Wer bin ich?“ Ihr habt das mit eurem Debüt „Wer bist du?“ getan. Kannst du damit etwas anfangen?
Alin Coen: (überlegt und gibt keinen Ton von sich).

subtext.at: Das zweite Album „Einer will immer mehr“ passt nicht so ganz in diesen Kontext, doch „We’re Not The Ones We Thought We Were“ passt hervorragend zu meiner Theorie. Wenn „Wer bist du?“ ein Aufbruch war, dann fühlt sich euer neues Album für mich wie ein Ankommen an.
Alin Coen: Ja, absolut. Ich weiß halt nur nicht, ob diese Selbstfindung nur etwas Selbstreflektierendes ist, ob das nur mit uns zu tun hat, oder ob es auch eine Sicht nach Außen ist. Die Titel „Wer bist du?“ & „„We’re Not The Ones We Thought We Were“ sind aus Liedern entnommen, wo ich eigentlich Leute beobachtet habe. Da habe ich mich nicht so sehr auf mich selbst zentriert. Ich habe da nur die Selbstfindung anderer Leute beobachtet (lacht).

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subtext.at: Es gibt Personen, die sich gut in andere hineinversetzen können, gut zuhören können. Und dann gibt es Leute, die sich schwer in andere hineinversetzen können und die Welt dreht sich nur um sie. Du gehörst wohl zur ersten Fraktion.
Alin Coen: Ich glaube, wir tragen alle beide Seiten in uns. Manchmal kommt die andere mehr raus und manchmal die andere. Es gibt schon Momente, wo ich selbst ziemlich viel um meine eigenen kleinen Problemchen kreise.

subtext.at: Drückst du deine zweite Seite, wie du sie benennst, mit der Musik aus?
Alin Coen: Nicht in den Texten (lacht)! Ich weiß gar nicht, ob das nicht alles fließend ineinander geht. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen findet wohl auf allen Ebenen statt. Es gibt Momente, da hat man die Kapazitäten, nach außen zu gucken und es gibt Augenblicke, da ist man zu beschäftigt mit sich selbst, um nach Außen schauen zu können.

subtext.at: Wer weiß, wer und wie er ist und was ihn als Person ausmacht, kann sich und seine Reaktionen nicht nur besser verstehen, sondern auch gut zu sich selbst sein. Stimmst du dem zu?
Alin Coen: (überlegt) Na ja, ich glaube, es hat schon auch mit der eigenen Veranlagung auch zu tun. Jemand, der depressiv ist und das über sich weiß, dem ist damit noch nicht geholfen. Was denkst denn du?

subtext.at: Wenn sich ein Alkoholiker selbst eingesteht, dass er ein Problem mit Alkohol hat, dann ist das der erste Schritt, um von dieser Sucht loszukommen.
Alin Coen: Es gibt ja auch die allgemeine Meinung, dass man zuerst sich selber helfen muss, bevor man anderen helfen kann – finde ich nicht richtig. Ich denke das nicht. Auch wenn man eine gewisse Unzufriedenheit in sich trägt, kann man noch ganz viel geben.

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subtext.at: Eigenschaften und Fähigkeiten treten in der Suche nach der eigenen Identität verstärkt in den Vordergrund. Welche sind eure Stärken und Schwächen?
Alin Coen: Na klar gibt es Schwächen, auf allen Ebenen, nach innen und nach außen. Das sind Herausforderungen, an denen gearbeitet werden kann. Ganz banal gesagt, sind wir keine Maschinen, sondern eben Menschen und da passieren zum Beispiel mal falsche Tönchen (lacht). Ich habe aber einen gesunden Bezug zu Schwächen und Fehlern, weil man die machen darf. Schwächen darf man haben.

subtext.at: Und eure Stärken?
Alin Coen: Wir sind ziemlich gut darauf konzentriert, unsere Musik zu machen. Wenn man Kunst machen möchte, ist es wichtig zu sagen, man macht es einfach, ohne zu sehr zu schauen, wie gut es ankommt oder nicht. Wir freuen uns enorm darüber, wenn uns Leute verstehen und unsere Musik toll finden, aber wir wollen nicht irgendwelche Erwartungen erfüllen. Wir gucken, was aus uns rauskommt. Natürlich haben wir auch einen gewissen musikalischen Anspruch. (überlegt) Wenn niemand mehr zu unseren Konzerten kommen würde, wäre das schon demotivierend. Wir sind schon abhängig von Feedback und vom Publikum. Bei den Jungs in der Band ist auch eine gewisse Uneitelkeit vorhanden. Es geht ihnen nicht darum, tolle Hechte zu sein, sondern es geht darum, Musik zu machen, die wir toll finden.

subtext.at: Auf der Versandplattform „amazon“ vergleichen euch Kunden mit The XX. Ein Kompliment?
Alin Coen: Ja, total. Finde ich großartig.

subtext.at: Ich habe in meiner Rezension geschrieben, dass ihr die großen Dinge des Lebens prima im Kleinen verstecken könnt.
Alin Coen: Das korreliert halt total mit dem Lied „High Expectations“ – das in einem winzigen Samenkorn alle nötigen Informationen drinstecken. Na gut, es braucht noch den Nährboden, die Sonne und den Schutz quasi, aber das Große steckt einfach schon im Kleinen drin. Überall, auch in der Natur. Dazu muss man aber auch deine Fähigkeit haben – als Empfänger es überhaupt wahrnehmen zu können. Das steckt dann quasi in dir und liegt gar nicht an uns (lacht).

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subtext.at: Wichtige Gefühle in unpeinliche Texte zu verpacken – wie wichtig ist dir das?
Alin Coen: Ich habe keine Angst davor, mich peinlich zu machen. Ich hab kein Problem mit Peinlichkeit. Natürlich will ich nichts sagen, was ich nicht wichtig finde. Ich will vertretbare Dinge singen und ausdrücken (lacht). Wenn ich mir meine ersten Songentwürfe angucke, was ich da für Texte geschrieben habe, mit 18, 19 – da gibt es schon Momente, die mir peinlich sind. Ich will natürlich nicht, dass das jemand hört, was ich damals geschrieben habe (lacht). Ich mache das aber nicht mit Absicht, möglichst unpeinlich zu klingen. Ich drücke die Dinge so aus, wie ich sie mir denke. Wenn es unpeinlich ist und du das so empfindest, dann freut mich das natürlich sehr. Es gibt bestimmt auch Leute, die anders denken. (überlegt kurz) Es ist eine Frage des Empfängers, denke ich.

subtext.at: Olaf Opal hat das neue Album produziert, der schon mit allen großen Namen der deutschsprachigen Szene zusammengearbeitet hat.
Alin Coen: Er ist toll.

subtext.at: Juli, Sportfreunde Stiller, Madsen, Reamonn oder The Notwist waren schon mit ihm im Studio.
Alin Coen: Reamonn auch? Der Rea Garvey? Da muss ich ihn mal fragen, ob das stimmt. Ich kann mir das nicht vorstellen (lacht). Ich frage ihn einfach mal bei der nächsten Gelegenheit. The Notwist finden wir vor allem toll aus dieser Riege.

subtext.at: Wie war zwischen euch und ihm die Chemie?
Alin Coen: Er ist so lässig und voll der Typ. Er ist einfach an Musik interessiert. Er hat uns bei einem Konzert gesehen, bei Bochum Total, da haben wir gespielt und er wollte sofort mit uns zusammenarbeiten. Er hat seinen Manager angerufen, als wir noch auf der Bühne gestanden haben. Eine gemeinsame Bekannte hat mir das erzählt. Wir haben ihn dann kontaktiert und beide Seiten waren von dieser Idee sehr überzeugt. Es hat sehr gut gepasst, musikalisch. Und es hat sehr viel Spaß gemacht. (überlegt) Wir hatten davor zwei Toningenieure, mit denen wir aufnehmen wollten, aber uns fehlte jemand, der den Überblick behält. Wir in der Band sind sehr detailverliebt. Ich hatte das Gefühl, wir sind auf einem Schiff und wir können es nicht steuern. Wir haben uns, was die Details angeht, total verloren. An einem Tag wurden elf Stunden lang Mikrofone hergeschoben, um den Bassdrum-Sound richtig einzustellen – das war, bevor Olaf dazukam (lacht). Er hat die Arbeit einfach ergiebiger gemacht. Durch ihn sind wir besser voran gekommen und auch experimentierfreudiger geworden.

subtext.at: „Alle Scheinwerfer auf mich“ ist eine Aussage, die ich mir bei dir irgendwie nicht vorstellen kann. Wie gehst du mit Aufmerksamkeit um?
Alin Coen: (überlegt kurz) Aufmerksamkeit ist für mich sicherlich ein Motivationsgrund. Ich erhoffe mir, Aufmerksamkeit durch die Musik zu bekommen, die wir machen. Dieser Bedarf wird dadurch erfüllt (lacht). Als ich nach Leipzig gezogen bin, hatte ich das Problem, dass mich Leute auf der Straße erkannt haben und ich hatte den Eindruck, ständig beobachtet zu werden. Diesen Punkt habe ich überwunden. Ich habe bei uns auch nicht das Gefühl, dass wir ins kalte Wasser geworfen wurden. Wir als Band wachsen stetig und kontinuierlich, was ich prima finde. Dadurch entsteht eines: Größere Entspanntheit.

Alin

Gewinnspiel: Das Gewinnspiel ist beendet, die Gewinner wurden benachrichtigt.

Auftritte im Juli in Österreich:

24.07. WIEN, Theater am Spittelberg 

25.07. WIEN, Theater am Spittelberg 

26.07. KÄRNTEN, Acoustic Lakeside Festival

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Modul Entertainment (Universal Music)
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Alin Coen 2011 im Interview mit subtext.at 
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