„Hexenjagd“: Aktuelle Themen werden durch die Inszenierung nicht zeitgemäß
Seit dem 19.10. ist das Drama „Hexenjagd“ nach Arthur Miller in den Linzer Kammerspielen zu sehen. Die Inszenierung von Ingo Putz hinkt in vielerlei Hinsicht.
Pastor Parris (Thomas Bammer) entdeckt seine Tochter Betty (Linn Sanders), seine Nichte Abigail (Sabrina Rupp) und ihre Freundinnen trotz Verbotes beim nächtlichen Tanzen im Wald. Betty scheint daraufhin eine Schockreaktion oder Krankheit zu haben. Sie ist zuerst nicht ansprechbar, möchte dann zu ihrer toten Mutter, um später von dem Sprung aus dem Fenster abgehalten zu werden. Währenddessen gibt Abigail ihrem Onkel gegenüber zu, dass es sich bei dem Tanz um Rituale, welche unter anderem die Beschwörung des Teufels zum Ziel hatten, gehandelt hat. Der Hexenspezialist Pastor Hale (Sebastian Hufschmidt) wird herbeigerufen, in der Gemeinde bricht allgemeine Hysterie aus. Um sich vor einer Bestrafung zu schützen, simulieren die Freundinnen Anfälle und behaupten, verhext worden zu sein. Namen von Bewohner/inne/n werden genannt, die Machtposition wird ausgenutzt. Man hat nun die Möglichkeit, Leute loszuwerden, die Verantwortung für das eigene Handeln Unschuldigen zuzuschieben. Ein Gericht wird einberufen (Richter: Sven-Christian Habich). Abigail klagt schließlich auch Elizabeth Proctor (Bettina Buchholz) an, um selbst deren Ehemann John (Georg Bonn) zu bekommen. John wird als anfängliche Stimme der Vernunft aber ebenfalls durch sein Dienstmädchen Mary (Katharina Stehr) angeklagt, die der Macht des Kollektives nicht standhält.
Als Hintergrund für das Drama dienten die 1692 stattgefundenen Hexenprozesse im heutigen Bundesstaat Massachusetts (USA). 55 Angeklagte wurden unter Folter zu Falschaussagen gebracht, 150 Personen wurden inhaftiert und weitere 200 verdächtigt, mit Hexerei in Verbindung zu stehen. „Hexenjagd“ wurde 1953 geschrieben, der Autor (1915-2005) verwendete die Prozesse als Analogie auf die Kommunistenverfolgung in der McCarthy-Ära. Sein eigener Kommentar bezieht sich vor allem auf den Umgang mit (politischen) Gegner/inne/n: „Überall dort, wo die Ablehnung des politischen Gegners grausame Formen annimmt, wo man ihn misshandelt und austilgt, eben weil man in ihm nicht mehr den Menschen sehen kann, sondern etwas dämonisch Inspiriertes- überall dort wirkt auch in unserem Jahrhundert der alte Hexenwahn“.
Obwohl Verfolgungen, Hysterie, die Fragen nach Schuld, Verantwortung oder Gerechtigkeit nach wie vor aktuell sind, schafft es die Inszenierung nicht, diesen Aspekt einzubringen. Vielleicht hätte es eine Übertragung in die Gegenwart, nicht die Einbettung in das 17. Jahrhundert, und die Fokussierung auf andere Bereiche gebraucht. Die Macht von Kollektiven ist stets präsent, wenn es um die Mehrheitsmeinung oder das Revidieren von Aussagen aus Angst und Selbstschutz geht. John Proctor stellt die Frage, ob der/dem Ankäger/in automatisch ohne nähere Überprüfung geglaubt wird, die Gerechtigkeit des Gerichtes wird hinterfragt, Rebecca Nurse (Eva-Maria Aichner) gesteht nicht. Doch führen diese und andere Handlungen nicht zu einem Umdenken der in Hysterie verfallenen Menschenmasse. Der Machtaspekt ist gar nicht so subtil, als wie er undeutlich dem Publikum vermittelt wird.
Spannung ist von Anfang bis zum Ende des Stückes nicht vorhanden. Weder die inneren Konflikte von John, noch das Ändern des Bühnenbildes (Stefan Brandtmayr) oder die Kooperation mit der Anton-Bruckner-Universität können das ausmerzen. Bei dem Einsatz von Sexualität, etwa in Tänzen oder dem Räkeln auf dem Boden, stellt sich die Frage, ob dieser das Stück nicht zusätzlich in die Länge zieht. Die Idee, unerlaubte Sexualität in das Werk einzubringen, passt zwar zum Inhalt, macht die Umsetzung aber nicht spannender.
Überzeugend sind die Schauspielleistungen in der über zwei Stunden dauernden Spielzeit. Die Hände werden gefaltet, man agiert panisch und stellt weitere Emotionen glaubwürdig dar.
Auch der Inhalt des Stückes ist an und für sich nicht schlecht, für eine Aufführung hätte mehr herausgeholt werden können.
Die nächsten Vorstellungstermine sind der 1.11. 2013 (17 Uhr), der 7.11. (19.30 Uhr) oder der 9.11. (19.30 Uhr). Am 14.11.2013 bekommen Aktivpassinhaber/inn/en zusätzliche Ermäßigungen.
Link-und Webtipps:
Artikelbild: Christian Brachwitz