Austra: „Olympia ist die persönlichere Platte“

2011 mit „Feel it Break“ umjubelt, veröffentlichten Austra 2013 mit „Olympia“ den lang und heiß erwarteten Nachfolger. Die Band rund um Frontfrau Katie Stelmanis, kanadische Sängerin mit lettischen Wurzeln, tourt derzeit erfolgreich durch Europa. New-Wave meets Goth? Nicht nur, wenn es nach Katie geht.

Im Rahmen des Ahoi!-Pop-Festivals im Posthof sprach sie mit uns im Interview über Vergangenes, die analog eingespielte Platte „Olympia“ und die Vergleiche zwischen Musikhören und Orgasmen.

subtext.at: Irgendetwas, das du gleich als erstes loswerden möchtest?
Katie Stelmanis: (lacht) Keine Ahnung, das ist schwer (lacht). Vielleicht gleich die Standard-Geschichten, wie alles angefangen hat, warum wir Austra heißen und so weiter. Ich hoffe du hast das nicht auf deinem Fragezettel (lacht).

subtext.at: Da kann ich dich schon mal beruhigen!
Katie Stelmanis: Gut. Die mag ich nämlich nicht mehr beantworten.

subtext.at: Austra selbst hat 2009 ja als Soloprojekt angefangen, das mit dem neuen Album „Olympia“ zu einer vollen Band geworden ist. Die größten Unterschiede zwischen dem „Alles-alleine-machen“ und der Zusammenarbeit innerhalb einer ganzen Band?
Katie Stelmanis: Natürlich ist es anders, in einer Gruppe zu arbeiten – das habe ich aber auch vorher gewusst. Das war aber auch Absicht, das Ganze auf der neuen Platte als „komplette“ Band zu machen. Ich hab ja lange vorher schon alleine gearbeitet, da war das eine willkommene Neuerung.

subtext.at: Also hattest du kein Problem damit, auf einmal mit zig Einflüssen anderer Mitglieder umgehen zu müssen?
Katie Selmanis: Ich glaube, wenn du Musik hörst, dann kommt man schnell drauf, ob dahinter eine Person oder eine Gruppe steht. Ich glaube, dass Musik, hinter der eine einzelne Person steht, auch etwas weniger Ästhetik hat – das wollte ich nicht. Ich wollte diesen Gruppen-Zugang, und das war „Olympia“. Das ist wahrscheinlich die Platte, wo der Zugang als Gruppe am offensten ever war. Also Problem hatte ich damit überhaupt keines.

subtext.at: Zu „Olympia“ kommen wir später dann noch. Ich möchte kurz bei der Vorgängerplatte, „Feel it Break“ kommen, die 2011 dem „Gothic-Revival“ zugeordnet wurde. Vielleicht ist mir das damals entgangen – wo war dieses angesprochene „Gothic-Revival“? Würdest du Austra 2011 dem zuordnen?
Katie Stelmanis: (lacht) Hm, das war auch eine Herausforderung, die wir hatten. Ich persönlich war ja immer beeinflusst von Indusrial-Musik, wie den Nine Inch Nails zum Beispiel. Also diese „dunkle“ Ästhetik. Damals haben halt viele mit dieser „Goth“-Ästhetik experimentiert, da sind wir auch reingerutscht. Natürlich hat es diese Elemente auch von Haus aus gegeben, aber im Endeffekt war das dann schon etwas zu viel. Da wollten wir auch mit der neuen Platte etwas weg davon.

subtext.at: Also Olympia als logische Folge dessen, was sich vorher entwickelt hat? Weg von dem „Dunklen“ und eher in Richtung des Electronic-Booms, der gerade herrscht?
Katie Stelmanis: Naja, es ging uns da wohl wie jedem Artist, der in ein Eck gestellt wird. Der versucht, da rauszukommen – und das ist das, was wir ganz grundsätzlich gemacht haben. Wir waren in diesem „Dark-Wave-Goth“-Eck. Damit konnten wir uns nicht mehr vollständig identifizieren. Also wollten wir zeigen, dass wir etwas anders machen können. Obwohl es komisch ist – manche Leute sehen die neue Platte komplett anders, andere ganz ähnlich zum Vorgänger.

subtext.at: „Feel it Break“ war komplett digital produziert, „Olympia“ im Gegensatz dazu komplett analog. Wie seid ihr diese ganz neue Herausforderung angegangen?
Katie Stelmanis:
Mein Hauptproblem mit „Feel it Break“ war die Produktion. Wir hatten eben komplett digitale Elemente benutzt – was zu einer fast „eisigen“ Qualität am Schluss geführt hat. Ich mag die Platte noch immer – aber dieses „Eisige“ fühle ich erschöpfend anzuhören. Das wollten wir loswerden. Ich weiß zwar, warum es damals so war, und damals machte es auch Sinn, aber es waren halt Computer-Sounds, und das hörte man. Bei der neuen Platte wollten wir dann alles selber machen.

subtext.at: Du selbst hast ja einen Background aus der klassischen Musik. Kommt das daher, dass ihr auf „Olympia“ alles selbst eingespielt habt?
Katie Stelmanis: Persönlich ist mir eine Kombination lieber – ich habe an sich nichts gegen Musik aus dem Computer, finde aber, dass man sie mit selbst eingespielten mischen sollte. Damit es nicht „komplett digital“ klingt.

subtext.at: Kommen wir zu „Olympia“. Wenn ich mir die Platte anhöre, glaube ich, dass die Lyrics „dunkler“ als auf „Feel it Break“ sind. Also ein Überbleibsel der alten Platte?
Katie Stelmanis: Mit „Olympia“ wollte ich persönliche Songs machen  – das hatte ich vorher nie gemacht. Ich wollte direkt sein und die Leute angehen. Ich hatte vorher nie diese direkten Dinge in Songs angesprochen. Deswegen sind die Lyrics etwas „dunkler“, eben weil sie Themen behandeln, die persönliche Dinge ansprechen.

subtext.at: Alle Songs sind aber nicht von dir geschrieben.
Katie Stelmanis: Ja, stimmt. Einige Songs stammen von einer meiner Background-Sängerinnen.

subtext.at: Künstler haben oft einen sehr speziellen Bezug zu ihren Lyrics. Du hast also kein Problem damit, Lyrics auf der Bühne authentisch rüberzubringen, auch wenn sie von jemand anderem stammen?
Katie Stelmanis: Nein, ich bin ja keine Poetin oder Autorin. Die Lyrics selbst waren nicht immer das entscheidende für mich – es kommt auf die Art und Weise an, wie man sie singt. Und um den Ausdruck.

subtext.at: Also eher das Thema als die Person, die dafür verantwortlich steht?
Katie Stelmanis: Ja, schon. Obwohl für diese Platte die Lyrics schon eine große Rolle spielen natürlich. Ich wollte, dass die Leute einen ungewöhnlichen Zugang zu diese Platte haben. Darum habe ich die Lyrics auch nicht alleine verfasst – dabei hätte ich mich nicht wohlgefühlt.

subtext.at: Ein ZDF-Zitat zu euch: „Austra ist Sehnsucht in Noten verpackt“. Was ist diese „Sehnsucht“?
Katie Stelmanis: (lacht) Puh, keine Ahnung. Was ich mir immer denke, wenn ich Musik höre, ist, dass es eine Sehnsucht nach etwas ist, was einem Moment der „Vollkommenheit“ entspricht, einem speziellen Moment oder so etwas. Das erinnert mich grade an etwas, was ich mal als Kind in einem Buch über Mozart geschrieben habe, wo der Autor geschrieben hat, die Musik sei „ein Klimax, wo das Vergnügen nicht mehr auszuhalten war“. Das ist eigentlich das, was man bei einem Orgasmus fühlt (lacht). Das Ziel wäre es dann also, diesen Klimax in Bezug auf einen Orgasmus mit der Musik zu erreichen.

subtext.at: Bleiben wir mal bei Vergnügen. In fast allen Pressetexten zu Pop- und Electronic-Platten steht zu lesen, die Musik sei „tanzbar“. Warum muss Musik immer tanzbar sein?
Katie Stelmanis: (lacht) Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich schreiben die Verantwortlichen bei den Plattenfirmen das einfach deswegen, weil die Leute das hören wollen. Bei unserer Platte hört man das ja auch manchmal.

subtext.at: „Tanzbar“ ist aber nicht das erste, was mir im Zusammenhang mit Austra einfällt.
Katie Stelmanis: Ein paar Nummern gibt es schon, die etwas „tanzbar“ sind. Grundintention war es aber nicht, ja. Es passiert aber viel mehr, darum verstehe ich das auch nicht komplett.

subtext.at: Wird es also von den Leuten erwartet – auch wenn die Platte an sich nicht darauf schließen lässt?
Katie Stelmanis: Das weiß ich nicht genau, ob und was die Leute eigentlich erwarten.

subtext.at: Rein persönlich gesehen – wo würdest du Austra lieber hören? Auf Platte daheim im Wohnzimmer oder mit 1000 Leuten in einer Konzerthalle?
Katie Stelmanis: Also wenn ich Austra hören würde, selbst aber nicht Austra wäre? Schwer zu sagen. Persönlich höre ich Musik sehr, sehr gerne zu Hause, allein. Das ist eine sehr spezielle Erfahrung. Was Austra live betrifft, kann ich das nicht sagen, wie Besucher das empfinden. Für uns ist es etwas anderes – wir spielen ja dieselbe Show mit derselben Lichtshow öfters. Ich versuche da schon, mich in einen Konzertbesucher hineinzuversetzen – ich schaffe es nur nie.

subtext.at: Es ist also eher schon Routine geworden?
Katie Stelmanis: Nicht ausschließlich – schließlich ist jedes Publikum und jedes Venue etwas unterschiedlich. das sind immer neue Erfahrungen. Langweilig wird uns aber nie. Manchmal gibt es natürlich Shows, die etwas von der erwähnten „Routine“ haben – das versuchen wir aber wenn möglich zu vermeiden.

subtext.at: Ein Grund, Austra nicht zu hören?
Katie Stelmanis: Wenn du Musik nicht ausstehen kannst, wo eine Frau singt (lacht). Da hatte ich in der Schule früher mal jemanden, der mir gesagt hat, keine weiblichen Sänger zu hören. Wenn du so denkst, ist Austra nichts für dich.

Links und Webtipps:

Fotos: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.