CHRISTINA PERRI: „Einen Song live zu performen funktioniert jedes Mal als eine Art Therapie“

Über Umwege zum Popstar, davon könnte Christina Perri gleich ein Dutzend Lieder trällern. „Jar Of Hearts“, ihre allerseits bekannte Debütsingle, hat für Perri volkswirtschaftlich enorm gut funktioniert. Nach dem Einsatz in einer TV-Show brachen für die Tattoos liebende amerikanische Sängerin alle Dämme. Und als dann noch die erfolgreiche Franchise-Romanze „Twilight“ an die Tür klopfte, um einen ihrer Songs verwenden zu dürfen, war der ganz große Durchbruch gar nicht mehr weit.

Dezent konstituierter Radiopop mit einer angenehm beiläufigen Selbstverständlichkeit war auf ihrem ersten Album „Lovestrong“ vorzufinden. „Head Or Heart“, ihr zweiter Longplayer, erscheint in diesen Tagen und soll die Zerrissenheit des modernen Menschen widerspiegeln, sich ständig entscheiden zu müssen. Es ist ein Charakteristikum unserer Gegenwart, sich stets und überall auf etwas festzulegen. Egal, ob im Job, familiär oder in der Liebe.

Ein Interview mit subtext.at spricht eine sehr lässige Christina Perri über die perfekte Single, Wahlmöglichkeiten, Kitsch und italienisches Temperament.

subtext.at: Christina, ich denke oft darüber nach, welche Art von Single am besten geeignet ist, wenn man nach einer Pause zurück auf der Bildfläche erscheint. Uptempo oder eine Ballade? Du hast als Leadsingle nun zweimal eine Ballade ausgewählt…
Christina Perri: Ich muss gleich loswerden, dass ich die erste Single, die es von mir gab, nicht selbst ausgewählt habe. Damals hatte ich gar kein Album, keine richtigen Songs und auch kein Management. Zu der Zeit habe ich als Kellnerin gearbeitet und es gab nur ein paar Demos von mir. Die amerikanische TV-Show „So You Think You Can Dance“ hat meinen Song „Jar Of Hearts“ aus dem Internet ausgewählt und von da an ging alles sehr schnell. Der Song kletterte auf iTunes die Charts empor. Am nächsten Tag bin ich schon nach New York City geflogen, um mich mit Plattenfirmen zu treffen. Einundzwanzig Tage später habe ich einen Plattenvertrag unterschrieben. Ich hatte keine richtige Wahl bei der ersten Single, wenn du so willst. Es gab dann noch vier Auskopplungen von mir. „A Thousand Years“ lief auch sehr erfolgreich für mich. Wenn man so will, sind zwei Piano-Balladen meine erfolgreichsten Songs bis dato.

subtext.at: Du gibst also zu, dass du dir über solche Dinge und Entscheidungen Gedanken machst?
Christina Perri: Wenn ich jetzt beim zweiten Album sagen würde, ich hätte darüber nicht nachgedacht, dann wäre das schlichtweg eine Untertreibung. Mit dem Label habe ich Wochen und Monate diskutiert, welcher Song als erste Single ausgekoppelt werden soll. Drei Songs standen in der engeren Auswahl, für „Head Or Heart“ hatte ich insgesamt neununddreißig Songs zur Auswahl. Wir haben dann die besten fünfundzwanzig herausgepickt, die sowohl mir als auch dem Management gefallen haben. Anschließend haben wir sechzehn finale Songs produziert und aufgenommen, dreizehn sind letztendlich auf der Platte drauf. Das war hart, weil das Label eigentlich nur zehn Songs haben wollte, aber ich wollte meine drei kleinen Babys trotzdem dabei haben.

subtext.at: Es hat also länger gedauert, bis du eine Entscheidung getroffen hast?
Christina Perri: (überlegt kurz) Sechs Tage, bevor es eine Single geben sollte, waren wir uns immer noch unschlüssig. Das entspricht der Wahrheit, was ich dir jetzt erzählt habe, aber von meinem Bauchgefühl her wusste ich seit dem ersten Tag, dass es schließlich „Human“ sein würde. „Burning Gold“ war die andere Option, ist auf dem neuen Album ebenfalls drauf. Super-uptempo, super-großartig, weil es etwas ist, dass die Leute sich vielleicht erhoffen oder erwarten. Bei „Human“ lag dennoch irgendwie alles auf der Hand, denn der Song vereint all das, was ich sagen und ausdrücken möchte. Musikalisch wollte ich eine Schippe drauflegen und der Song verhält sich anders mit dem Programming und der Produktion, weil es einen elektronischen Unterton gibt. Außerdem soll es den Leuten das richtige Gefühl für die Platte vermitteln. Klar, das Label denkt nur an die Verkaufszahlen, aber ich habe gesagt: „Moment, wartet mal, ich bin die Künstlerin hier und dieses Lied spricht mich aus so vielen Winkeln an!“

subtext.at: Du hast also etwas debattiert, was die Wahl anging?
Christina Perri: Ich wollte jedenfalls, dass die Leute, die mein erstes Album mochten, nicht komplett von meiner neuen Single geschockt sind, wenn sie sie hören – es sollte sie aber auch nicht langweilen. Zudem halte ich den Song für verwundbar und verletzlich. Das war nur fair, „Human“ auszukoppeln.

subtext.at: Es gibt viele Songs, die als kitschig bezeichnet werden können. Du bist zwar auch im Pop-Segment zu Hause, allerdings habe ich bei dir nicht das Gefühl, dass sie „cheesy“ sind. Wie vermeidet man, solche Songs zu schreiben?
Christina Perri: Ach, ich liebe kitschige Musik und cheesy Texte! Ich denke halt, dass deine Wahrnehmung von Kitsch vielleicht anders ist als meine, wer weiß? Bei mir ist das so: Wenn ich etwas schreibe, dann bin ich auch dazu in der Lage, es zu singen. Wenn ich nicht dazu imstande bin, es zu singen, dann schreibe ich es auch nicht auf. Was ich schreibe, das bin ich. „Be My Forever“ von der neuen Platte könnte eventuell als das kitschigste Liebeslied von mir angesehen werden. Trotzdem meine ich das zu 100% so, wie ich es singe und Ed Sheeran teilt sich mit mir den Gesang. Der singt auch nicht gerade fröhliche Songs. Two of us singing the happiest song I’ve ever written in my fucking life (lacht)! Es hat sehr viel Spaß gemacht, weil wir es auch wirklich so meinen. Am Ende des Tages denke ich einfach nicht darüber nach, ob es nun kitschig sein könnte oder nicht.

subtext.at: Ist Musik für dich eine Art therapeutische Angelegenheit?
Christina Perri: Zu 100%. Auf jeden Fall. Einen Song aufzunehmen und ihn zu produzieren, das ist eine emotionale Angelegenheit, die auch schmerzlich sein kann. Einen Song live zu performen funktioniert jedes Mal als eine Art Therapie.

subtext.at: Du hast italienisches Blut in dir, stimmt das?
Christina Perri: Das ist richtig.

subtext.at: Man sagt ja stets über Italiener, dass sie sehr temperamentvoll, kontaktfreudig und leidenschaftlich sind. Du wirkst auf mich sehr bodenständig. Da drängt sich mir die Frage auf, wie du deine italienischen Wurzeln handhabst…
Christina Perri: Meine italienischen Wurzeln finden sich überall bei mir (lacht)! Ich bin aber zu 50% Italienerin und zu 50% Polin. Als ich drei Jahre alt war, hab ich aber den Leuten erzählt, dass ich Italienerin bin und mein Bruder Pole (lacht). Mein Papa ist Italiener, ich bin sehr europäisch aufgewachsen, wenn man so will. Ich glaube, dass mein italienisches Temperament am Tag bestimmt an die sechzig Mal herauskommt. Ich liebe das Essen, ich nehme mir vieles zu Herzen und bin leidenschaftlich in nahezu allen Bereichen meines Lebens. Meine Familie liebe ich über alles. Ich genieße mein Leben, bevor ich an meine Karriere denke. Mir ist es wichtig, wer ich bin und nicht, was ich mache. Das kann ich mir Sicherheit über mich sagen.

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