JUDITH HOLOFERNES: „Home is where my heart is“

Wenn Bands eine Pause einlegen, ist das meistens traurig und unschön für deren Fans. Wenn die Frontfrau deiner Lieblingsband jedoch nach vier Jahren des Wartens solo weitermacht, um mal wieder frische Luft zu tanken (sprichwörtlich), die musikalischen Fühler erneut ausstreckt und ein solch famoser Album-Streich wie „Ein leichtes Schwert“ dabei herumkommt, dann dürfte die Traurigkeit erst mal verflogen sein. Wir Sind Helden pausieren weiterhin, Sängerin Judith Holofernes ganz und gar nicht.

Eloquent, charmant, redegewandt – das kennt man ja schon von ihr. Auch beim subtext.at-Gespräch vor ihrem Konzert in der Wiener Arena zeigt sie sich von dieser Seite. Und so herrlich lustig ist sie dabei auch noch.

Ein wunderbar schräghängendes Interview über die Vermarktung von Musik, gute Konzertbesucher und Rustikalität.

© Chris Voy

subtext.at: Judith, was macht für dich einen guten Konzertbesucher aus?
Judith Holofernes: (überlegt) Das ist eine interessante Frage. Natürlich nehme ich nicht so viele einzelne Leute wahr, aber mich freut es immer, wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Leute gleichzeitig über die Texte freuen, zuhören und tanzen können. Natürlich möchte man von der Bühne aus die Leute tanzen und strahlen sehen. Was man nicht weiß als Publikum: Man wird gesehen. Die meisten Leute denken nicht, dass du sie von der Bühne aus siehst. In der ersten Reihe hast du immer irgendwie einen stehen, der die ganze Zeit in der Nase bohrt – aber aus irgendeinem Grund in der ersten Reihe steht (lacht)! Das ist hart. Man wird gerne angetanzt, angestrahlt und mitsingen schadet auch nicht.

subtext.at: Du bemerkst also genau den einen, der sich komisch verhält und aus der Reihe tanzt.
Judith Holofernes: Ja, weil den einen, der sich komisch benimmt, den siehst du irgendwann einmal am Anfang und du kommst nicht mehr von ihm los. Das ist bescheuert (lacht). Du musst immer wieder hingucken und du denkst dir: „Was ist denn mit dir los?“ Ich suche mir immer euphorische Leute heraus und spiele dann sozusagen für sie.

subtext.at: Sollten deiner Meinung nach Konzertbesucher zeigen, wenn ihnen etwas missfällt?
Judith Holofernes: (überlegt) Wenn einem etwas missfällt, schon – man sieht die Leute ja auch mehr, als sie denken. Was jedoch nicht so gut funktioniert ist, wenn sie Sachen reinrufen. Man hört wiederum schlechter, als die Leute denken. Dann ist das immer ein bisschen so: „Wie bitte?“ Die Kommunikation über Feinheiten ist also ein bisschen gemäßigt (lacht).

subtext.at: Du befürwortest also auf alle Fälle, wenn das Publikum emotionale Äußerungen macht?
Judith Holofernes: Ich finde es gut, wenn die Leute mitmachen. Echt ätzend sind natürlich Leute, die an der Bar stehen, sich unterhalten und voll abschalten (lacht).

subtext.at: Mich stört es auch immer, wenn eine Band einen ruhigeren Song anstimmt und die Leute meinen, sich müssten sich währenddessen unterhalten.
Judith Holofernes: Ja, das ist hart. Komischerweise haben wir gerade gestern in der Band darüber geredet. Es ist so unterschiedlich. Wir hatten zwei Konzerte mit Per Anders, der Band von meinem Mann Pola Roy, als Support in Dresden und in Leipzig. In Dresden haben die Leute andächtig zugehört, in Leipzig haben sie die ganze Zeit durchgelabert. Es ist ganz komisch. Wir waren aber auch nicht beleidigt oder so, nur man sitzt dann da und überlegt sich, wo denn da der Unterschied war? Die gleiche Band, die gleiche Uhrzeit, ähnliche Clubgrößen, weißte? Es gibt eine Gruppendynamik und du weißt nicht so richtig, was diese auslöst.

subtext.at: Ist ein höflicher, jedoch lustloser Applaus schlimmer für dich als eine heftige Reaktion, wenn jemand beispielsweise buht?
Judith Holofernes: (überlegt) Bei eigenen Konzerten passiert das ja meistens nicht, weil die Leute ja Geld bezahlt haben, um dich zu sehen. Sie wissen im weitesten Sinne, was sie sich da einkaufen. Bei Festivals passiert das schon eher mal, dass du aus Versehen ein-gesandwiched bist zwischen System Of A Down und Velvet Revolver (lacht herzlich)! Da stehst du so und denkst dir: „So, jetzt kommen wir!“ Es gab mal ein Konzert, da haben wir vorher Drohungen gekriegt über das Internet, 2006 oder so. Wir waren als Ersatz gebucht für Limp Bizkit bei Rock Am Ring. Völlig absurd! Die Limp Bizkit-Fans waren natürlich nicht so amüsiert. Ich hatte richtig Schiss. Ich dachte, ich werde mit Sachen beworfen. Natürlich ist das alles nicht passiert.

subtext.at: Mir ist aufgefallen, dass du diesen Auftritt von Wir Sind Helden häufiger in Interviews erwähnst.
Judith Holofernes: Es klingt halt lustig, wenn man es erzählt, aber ich war damals um die 25 und ich bin angerufen worden, ob wir nicht Headliner bei Rock Am Ring sein möchten. Ich hab geheult! Ich wusste, man kann da jetzt nicht nein sagen, weil ich wollte es eigentlich nicht. Es hat mich nur überfordert, ich fand es fürchterlich (lacht).

subtext.at: Ihr habt es aber allem Anscheinen nach solide gemeistert.
Judith Holofernes: Ja, irgendwie ehrenhaft hinter uns gebracht (lacht). Ich fand es aber zum Kotzen (spricht leiser).

© Chris Voy

subtext.at: Jetzt bist du als Solokünstlerin unterwegs. Hat sich die Struktur deines Publikums verändert oder ist es immer noch die gleiche Schicht, die du als Sängerin ansprichst?
Judith Holofernes: Wir haben jetzt erst fünf Konzerte gespielt, aber ich finde es total faszinierend, weil es mir total gut gefällt. Das sage ich jetzt nicht einfach nur so, obwohl ich zwar noch keine richtigen Schlüsse ziehen kann. Meine Platte ist ja jetzt wirklich keine Mainstream-Pop-Platte vom Sound her und ich hatte zwar wirklich viel schöne Presse, aber keinen Radiohit – dadurch hast du eine bestimmte Publikumsstruktur schon einmal nicht. Ja, es ist einfach so. Ich war er erstaunt, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass es jetzt übrig gebliebene Helden-Fans sind. Viel weniger, als ich dachte. Meine Größte Angst war, dass die ganze Zeit jemand „Denkmal, Denkmal“ ruft. Es ist noch kein einziges Mal passiert. Meine Theorie im Moment: Es sind meine Blog-Leser. Heterogen und total durchmischt. Leute, die voll dabei sind und zuhören. Extrem offen, so. Die freuen sich dann wahrscheinlich auch über ein Tiergedicht von mir (lächelt). Mir macht es total Spaß.

subtext.at: Mir kommt es so vor, als hätten bestimmte Leute sehr auf dieses Album von dir gewartet. Sie nehmen es sehr wohlwollend an.
Judith Holofernes: Ja, das ist total schön. Wusste ich halt nicht, ne? Konnte ich ja nicht wissen und das ist total toll und erleichternd. Natürlich ärgere ich mich dann über irgendwelche Details und über dieses Mutti-Thema und wie das alles schon wieder funktioniert. Ärgert mich dann. Unterm Strich bin ich total erleichtert. Ich dachte, dass eine viel stärkere Fixierung auf Wir Sind Helden sein würde. Wie man das kennt, dass die Leute einfach sauer sind, weil man etwas alleine macht – egal, was es ist. Sie sagen einfach: „Fuck off, ich will Wir Sind Helden hören!“ Das passiert halt nicht und deswegen bin ich auch erleichtert (lacht).

© Chris Voy

subtext.at: Zu Beginn eurer Karriere als Band musstet ihr scheinbar einflussreichen Leuten nicht die Hände schütteln, um weiterzukommen. Glaubst du, dass sich das Talent eines Musikers am Ende immer durchsetzt?
Judith Holofernes: (antwortet sofort) Nee, überhaupt nicht. Ehrlich gesagt kenne ich genug Leute, die ganz, ganz tolle Sachen machen, wo das nicht passiert. Es muss immer Glück zusammenkommen und eine bestimmte Art von Vertrauen, weil es viele Leute gibt, die ihrem eigenen Talent nicht vertrauen. Sie haben Angst und blocken den Erfolg auch selbst ab, weil sie sich selber auf den Füßen stehen. Es gibt Leute, die fantastische Sachen machen und nicht den Erfolg haben, der zu der Musik passen würde. Bei uns war viel Glück dabei und wir sind früh an gute Leute gekommen, wir haben ja nicht alles alleine gemacht. Wir hatten zwar kein Management, aber einen fantastischen Verleger, der echt ein harter Hund ist. Vor dem haben auch Leute Angst und so (lächelt). Keiner kommt dran vorbei. Wir hatten mit Patrik Majer einen Produzenten, der kein besonders breitschultriger Mann ist, aber sich mit ordentlich breiter Brust vor uns gestellt hat. Dazu dann meine/unsere eigene Veranlagung, nicht alles zu glauben, wenn jemand sagt, so und so muss man das machen.

subtext.at: Ist die Vermarktung von Musik heutzutage genau so wichtig wie die Musik selber? Vielleicht sogar noch wichtiger als die Musik selbst?
Judith Holofernes: Das Frage ich mich selber auch und wir reden auch total viel im Bus darüber, wie sich das verändert, das Musikgeschäft. In den letzten vier Jahren, wo ich weg war und nicht so viel davon mitgekriegt habe, hat es sich noch einmal so krass verändert. In Deutschland ist es so, ich weiß nicht, wie es in Österreich ist, dass es kaum noch Fernsehsendungen gibt, wo man sich über die Musik präsentieren kann. Es war immer schon schwierig, aber die wenigen, die es gab, sind entweder weg oder haben nicht mehr die Bedeutung. Es gibt keine Volltreffer mehr. Früher gab es eine Art Jackpot, den man knacken konnte. Es war klar, wenn du bei „Wetten, dass..?“ spielst, dann hast du es geschafft. Inzwischen ist es so, dass wenn man bei „Wetten, dass..?“ spielt, gehen alle Leute daheim vorm Fernseher geschlossen aufs Klo (lacht). Es ist so, denn es gibt Studien, in denen drin steht, dass die Einschaltquoten von den einschaltquotenstärksten Sendungen quasi für den Arsch sind, wenn da eine Band spielt. Die Leute wollen es einfach nicht sehen. Diese Studie liegt allen Sendern vor und deswegen ist der Stellenwert von Musik im Fernsehen am Katzentisch. Du wirst gekürzt, ausgeblendet und der Abspann wird über dich drübergefahren.

subtext.at: Diese Studie kenne ich nicht. Interessant.
Judith Holofernes: Alle sagen dann „Ja, es muss im Internet passieren“, was aber auch nicht für alle Bands spricht, denn nicht alle sind Selbstvermarkter. Man müsste der geniale Selbstvermarkter sein und in den Videos Katzen auf Reinigungsrobotern platzieren (lacht). Das Internet ist keine Wundermaschine für alle Bands. Bei den Hip-Hoppern funktioniert das, im Indierock schon viel weniger. (überlegt) Es ist eine komische Zeit, wie eine Art von Limbo. Alles befindet sich im Schwebezustand. Die Sachen, die mal einigermaßen funktioniert haben, funktionieren nicht mehr. Man weiß nicht, was stattdessen funktioniert. Ich bin in einer glücklichen Position, denke ich, weil ich habe die Sachen früher auch nicht geglaubt, die funktionieren müssen. Ich bin nicht so tief gefallen (lacht)!

subtext.at: Limbo trifft es gut, denn nichts ist so flüchtig wie die momentane Popkultur. Mir kommt es auch so vor.
Judith Holofernes: Ja, es geht wahnsinnig schnell. Selbst die ganz spektakulären Sachen wie das Pharrell-Video – da merkst du auch, wie sich alle gegenseitig mit ihren Ideen überbieten wollen, aber selbst das macht irgendwie kleine Wellen. Dann kommt der Wu-Tang Clan daher und möchte nur ein Exemplar der neuen Platte pressen und herausbringen, an den Höchstbietenden. Das ist alles super, aber so richtig reißen tut es mich nicht.

subtext.at: Das Pharrell-Video zu „Happy“ ist ein gutes Thema – alle reden darüber, aber gefühlsmäßig scheint es sie überhaupt nicht zu packen.
Judith Holofernes: Genau. Es scheint auch nicht mehr die Verbindung auszulösen, sich diese Musik kaufen zu müssen. Ich finde es schwieriger, wenn jemandem die Musik im Kern wichtiger ist, diese Musik dann auch zu transportieren. Man rödelt viel, man macht Interviews, ist im Fernsehen und so und alles schlägt sich in einer vagen Popularität nieder, die mir am Arsch vorbei geht. Ich habe das Gefühl, dass ich den ganzen Tag Interviews geben könnte, ohne das jemand meine neue Platte bemerkt. Viele Leute leben davon, von dieser vagen Bekanntheit, und sie lassen sich dann dafür bezahlen, dass sie bei irgendwelchen Events auftauchen. Wenn du dich nicht selber promoten willst, sondern deine Platte, dann werden die Plattformen schmaler.

subtext.at: Ich möchte dir ein Zitat vorlesen, es lautet so: „Liebe ist wie ein Wasserbett. Sie ist in einer Beziehung nichts Festes, sondern erzeugt sich ständig neu aus ihren Bewegungen.“
Judith Holofernes: Toll.

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subtext.at: Was sagt „Ein leichtes Schwert“ über das Thema Liebe aus?
Judith Holofernes: (überlegt) Wenn man sich die Lieder auf der Platte anhört, die mit dem Thema zu tun haben, dann zieht sich meine Liebe zur Realität durch sie durch. Ich mag es, einen unromantischen romantischen Blick auf die Liebe zu haben. Echte, unsaubere, unaufgeräumte Gefühle, die Gleichzeitigkeit von Gefühlen in Leben von Erwachsenen. Es soll keine Verklärung stattfinden. In der Liebe soll man das Menschliche akzeptieren. Wenn ich ein Liebeslied im Radio höre und da ist irgendetwas drin, was ich ultrareal finde, dann berührt mich das total tief. Große Gefühle, Geigen – geht mir alles am Arsch vorbei. Wenn Elvis Costello in „A Good Year For The Roses“ eine auseinanderfallende Ehe anstimmt, tausendfach besungen, und singt „From the bedroom the familiar sound of a baby’s cryin‘ goes unheard“, dann berührt mich das. Das Baby ist im Nebenraum und heult und sie hören es nicht, weil sie sich zu doll streiten.

subtext.at: Nebensächliche Beobachtungen, die dann ganz wichtig erscheinen.
Judith Holofernes: Genau, die etwas ganz Reales haben, was bisher noch nicht besungen wurde. Fast mir dann voll in die Brust (lacht).

subtext.at: Dieses „Heile Welt“-Getue ist demnach nicht dein Ding.
Judith Holofernes: Nee, genau. Ich bin ja auch praktizierende Buddhistin – wenn auch nicht so wie ich wollen würde (lacht). Die Unbeständigkeit von bedingtem Glück ist dann natürlich ein Kernthema. Ich finde das sehr hilfreich, es zu wissen. In der Meditation versucht man dann, Zugang zu kriegen zu un-bedingteren Glückszuständen, zur Freiheit. Es hat ja auch etwas unheimlich Anarchistisches eigentlich. Man will sich befreien von diesen Abhängigkeiten. Wenn alles geil läuft, bin ich glücklich, wenn alles schwierig läuft, bin ich nicht glücklich. Die menschliche Existenz ist halt verknüpft mit dieser Abhängigkeit. Ich versuche, dass ein bisschen aufzulockern. Klappt aber nicht (lacht herzlich). Nur manchmal. Müsste ich mehr meditieren, damit es öfter klappt.

subtext.: „Ein leichtes Schwert“ versucht für mich, die Schwere des Lebens leicht zu verpacken.
Judith Holofernes: Ich hatte Lust auf Leichtigkeit. Nicht auf Oberflächlichkeit, sondern auf Leichtigkeit. Die letzte Helden-Platte, obwohl ich sie immer noch sehr liebe, war sehr schwer und dunkel. War damals auch richtig so, weil es mir so ging. Man funktioniert ja auch immer wie ein Pendel. Ich hab wahnsinnig viel Spaß gehabt beim Machen und es sollte sich bis zum Endergebnis transportieren. Oft ist das nicht so, weil man dieses „Scheiß-Draufige“ verliert. Jetzt sollte man es bis zum Schluss auf der Platte hören.

subtext.at: Das hört man ihr an.
Judith Holofernes: Das ist gut (lacht)!

subtext.at: Hast du das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft nichts mehr in die Tat umgesetzt wird, wenn es nicht hundertmal durchgeplant und durchgegangen wird?
Judith Holofernes: Ich erlebe das beim Musikmachen überhaupt nicht, sondern erst dann, wenn es rausgeht mit der Musik. Wie oft ich höre, dass irgendwas nicht geht, ne? Das wundert mich total, weil inzwischen weiß ja jeder Depp, dass das Playbook sowieso zerknickt ist. Haben wir ja auch vorhin besprochen. Keiner weiß mehr, wie es geht – und trotzdem sagt man dann noch, es geht und funktioniert nicht. Ich habe schon das Gefühl, dass ich viel an Glaswänden entlang laufe. Man hat eine Idee und sofort hört man, es geht nicht. Es heißt nie, dass es nicht eine geile Idee wäre, sondern es wird nie so viele Leute erreichen, wie wir gerne hätten. Meinen schönen Ideen wird erst mal ein Nützlichkeitskorsett übergestülpt. Wenn es zweihundert Leute geil finden, dann zählt das nicht. (überlegt kurz) Wenn ich ein Marketingmensch wäre, würde ich diese Einstellung auch nicht teilen. Wenn dir die zweihundert Menschen für immer aus der Hand fressen, weil sie es geil fanden, ist es doch besser als wenn du zweihunderttausend Leute erreichst, die so vage indifferent sind und sich denken „Ich höre solch einen Scheiß“ (lacht heiter).

subtext.at: Dieses Familiending wird in Gesprächen mit dir oft zum zentralen Thema gemacht, was ich heute eher vermeiden wollte. Trotzdem abschließend die Frage, ob die Familie in einer sehr beschleunigten Welt die einzige Heimat ist, die einem letztendlich bleibt?
Judith Holofernes: Ich würde sagen: „Home is where my heart is.“ Mein zu Hause ist immer dort, wo ich mich unter meines Gleichen fühle. Ich bin sehr anschlussmotiviert. Wenn ich mir abends im Bus mit Martin Wenk bis um vier Uhr früh Musik vorspiele, dann bin ich zu Hause. Wenn ich daheim auf meinem Balkon bin und runtergucke auf Kreuzberg, dann bin ich auch zu Hause. Ich kann mich sehr weit weg von zu Hause fühlen, wenn ich mich fremd fühle, in spießigen Vororten zum Beispiel. Ich habe eine Rustikalitätsphobie, wohl noch aus meiner Kindheit. Wenn ich Hirschköpfe an den Wänden sehe, dunkel getäfeltes Holz und Gardenias, dann fühle ich mich sehr schnell fremd (lacht).

subtext.at: Bei dir hat also dieses Gefühl von Heimat weniger mit einem Ort als mit Menschen an sich zu tun.
Judith Holofernes: Ja, total. Ich bin auch als Kind viel umgezogen. Berlin fühlt sich für mich aber schon sehr nach zu Hause an, aber nicht eine bestimmte Straße oder so. Innerlich bin ich sehr mobil. Mit sechs Jahren bin ich von Berlin nach Freiburg umgezogen und dort habe ich mich sehr fremd gefühlt am Anfang. Ich habe gelernt, mit mein eigenes zu Hause zu machen (lacht).

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Fotos: Chris Voy

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