SOHN @ Arena Wien

Was tun, wenn man als Künstler sein musikalisches Projekt zu Grabe getragen hat? Einfach weitermachen. Der Wahl-Wiener SOHN verwandelt seine Version von Pop in futuresken R’n’B – inklusive allerlei Ausschmückungen. Es lässt sich inzwischen ruhig behaupten, dass es um ihn einen musikalischen Hype gibt, der über Landesgrenzen weit hinausgeht. Gerechterweise, muss man zugeben.

Trouble Over Tokyo standen eigentlich nicht so schlecht da in der Musikwelt. Das Projekt wurde dennoch eingestampft. Aus Gründen, die wohl nur Christopher „Toph“ Taylor genau kennt. Es ist eine Lücke entstanden, die nun Platz macht für SOHN. Jetzt folgt die Auferstehung. „Tremors“ heißt das „neue“ Debütalbum zur Tour, die natürlich auch in Wien halt macht, seiner neuen Heimat. Die Platte vereint tolle, elektronisch verfeinerte Songs, die nicht den Anspruch erheben, möglichst schnell in irgendwelche Charts zu stürmen. War ja davor auch nie die Maxime und das kriegt man auch live mit. Der Abend am 23. April 2014 fängt jedenfalls gut an, denn selbst der Support aus Tel Aviv, Garden City Movement, hat Glück, weil die Anwesenden auch ihnen genug Aufmerksamkeit schenken, um nachher mit einem gut hinterlassenen Eindruck von der Bühne zu gehen.

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Bei SOHN hält anschließend die Kopfnicker-Atmosphäre an. Knackige Beats und sonore Bässe erklingen, die deinen Kehlkopf zum Vibrieren bringen. Die Live-Darbietung vor vollem Haus in der Wiener Arena erinnert an eine Salbung und hat tatsächlich etwas Transzendentales, denn SOHN thront über dem Publikum wie ein Zeremonienmeister über seine Anhänger. Das Publikum gibt zwischen den Stücken reichlich Applaus, währenddessen hört es aufmerksam zu.

Man spürt, dass hier eine Klangästhetik am Werk ist, die aus mehr bestehen möchte als aus gewöhnlichen 0815-Clubhits. Viele kleine Bausteine werden zusammengefügt. Indie, Elektronik, Postrock, Dubstep und ja, auch Pop. Verzerrte Stimm-Samples, hypnotische Loops, eine penibel auf den Takt getimte Lichtshow und ein bisschen Falsettgesang ergänzen das stimmige Bild eines Musikers, der weiß, was er tut.

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Visuell bestimmend sind es pulsierende Schatten, die SOHN von links und rechts umgeben, von oben und unten umhüllen. Das Bühne erstrahlt meist in gleißenden Rottönen oder kühlem Blau. Wenn normales Licht mal aufkeimt, dann meist von hinten – wie das Signal eines Scheinwerfers, der einem auf den Rücken zielt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Musik, wenig bis nichts soll davon ablenken. Einige Künstler handhaben das inzwischen auf diese Weise. Wie Dillon aus Berlin oder Banks aus Los Angeles, die von ihm produziert wird.

Trotz der Melancholie, die in Songs wie „Veto“, „Fool“ oder „Lights“ tief drin steckt, ist das hier keine Trauerkloßmusik. Jedenfalls nicht für mich. Er ist eher ein Gefühl des sich-dagegen-wehren-und-auflehnens. Und obwohl Post-Dubstep das neue Epizentrum der Coolness ist, wirkt es nie so, als würde man versuchen, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Nichtsdestotrotz wird der eigene Mythos weiter angestachelt und fortgesetzt.

Es ist erfreulich, wenn der Techno-Beat von „Lessons“ live noch eine Spur härter gerät oder wenn eine mit allen Leuchtdioden zum Glühen gebrachte Ballade wie „Bloodflows“ auf der Bühne nichts von ihrer Magie verliert. Der Vater wäre stolz auf seinen Zögling.

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