Loreen: „Kämpfe für das, was du erreichen willst“

Wenn man an Loreen denkt, kommt einem unweigerlich der Eurovision Song Contest in den Sinn. Derzeit ja erneut das Thema in den Medien schlechthin. Vor mehr als zwei Jahren gewann die Sängerin mit marokkanischen Wurzeln jedenfalls haushoch beim europäischen Musikwettbewerb mit einer Performance, die wahrlich einzigartig war.

Kein Brimborium, keine großes Getöse – nur sie, singend, tänzelnd und barfuß im Halbschatten. Musik für den Dancefloor mit Charakter und Seele, wenn man so will. Willkür oder Kalkül? „Euphoria“ markierte auf jeden Fall einen Wendepunkt für die Newcomerin, die weiterhin fleißig an ihrer Karriere bastelt. Noch heuer soll ihr zweites Album erscheinen.

Betritt man den Raum, wird man von ihrer besonderen Aura und ihrer Herzlichkeit fast erschlagen. Ein Interview über Ängste, Technologien und gute Ratschläge.

subtext.at: Loreen, viele Leute geben ihre Träume auf oder verbannen sie in die Nacht. Eines Tages realisieren sie dann, dass sie unglücklich sind. Du scheinst für mich nicht zu diesen Leuten zu gehören.
Loreen: Oh (wirkt überrascht). Danke dir für diese Worte.

subtext.at: Ich habe bei dir das Gefühl, dass du mit offenen Augen durch die Welt gehst, um deine Träume wahr werden zu lassen.
Loreen: (überlegt lange) Eine wirklich schöne Ansicht, die du hier vom Stapel loslässt. Ich muss überlegen, ob ich mich überhaupt als Träumer sehe. Zu träumen löst in mir auch Unbehagen aus, weil du willst, dass Dinge Wirklichkeit werden. Weiß du, was ich meine? Du willst sie anfassen, sie spüren (macht Handbewegungen). Ich erinnere mich, als Kind andauernd gesagt zu haben, dass ich singen möchte. Dann möchtest du halt auf einer Bühne stehen. Ich kann also deswegen schon zustimmen, dass ich mit offenen Augen meine Träume verfolge. Du musst dir Ziele setzen, um etwas erreichen zu können und um sie wahr werden zu lassen.

subtext.at: War es schon immer der Fall, dass du dich stark genug gefühlt hast, um deine Ziele erreichen zu können?
Loreen: Eigentlich war es schon ein Kampf. Ich wusste und ich weiß, was ich will – dennoch verspüre ich weiterhin große Angst, wenn ich es tue. Ich erinnre mich noch an meinen ersten Auftritt mit „My Heart Is Refusing Me“. I was so fucking afraid, I can’t even tell you how afraid I was (lacht)! Ich dachte nur, dass ich es mir selbst auf keinen Fall erlauben kann, es nicht zu tun. Irgendwie habe ich meine Ängste überwunden, obwohl ich noch Furcht verspürt habe. Mir ging der Arsch auf Grundeis (lacht). Ich wusste nicht, ob ich stark genug für all das bin, ob ich dafür gemacht bin. Was ich wusste war, dass ich nicht meinen Ängsten erlauben durfte, die Überhand zu gewinnen. Ich ließ sie an ihrem Platz und machte trotzdem weiter. So sah mein Kampf aus.

subtext.at: Hast du einen Tipp oder einen Ratschlag, wie man gegen seine Ängste angehen kann?
Loreen: Habe ich, obwohl es nicht wirklich ein Ratschlag ist: Die Angst wird immer da sein. Vor allem am Anfang. Es gibt keinen einfachen Weg, wie man das umgehen kann. Geh einfach deinen Weg, geradeaus. Natürlich gibt es die Gefahr, dass es weh tun wird, einmal, zweimal oder auch dreimal. Das ist der Test. Kämpfe für das, was du erreichen willst. Wenn du wirklich etwas möchtest, dann bist du bereit dafür zu kämpfen. Ein leichtes Unterfangen? Vergiss es. Mit kämpfen meine ich, dass du an das glaubst, was du tun möchtest. Es sind immer Leute um dich herum, die nicht an dich glauben und nicht wollen, dass du es schaffst. Mein Tipp also (schnippt mit den Finger): Nimm dir dein Ziel her und führe es dir vor Augen. Take the fuck out of it (lacht)!

subtext.at: Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast? Kannst du dich an einen erinnern?
Loreen: Ich habe viele gute Ratschläge bekommen. Heute habe ich mit meiner Assistentin im Auto darüber geredet. Einer der besten: Du hast selbst die Kontrolle über die Dinge, die du tust. Wenn du es nicht schaffst, dann liegt es irgendwie an dir, denke ich. Die ganze Verantwortung für dein Leben trägst letztendlich du allein. Ich hasse es, es zu sagen, weil ich will, dass es anders herum ist (lacht)! Du willst es anderen in die Schuhe schieben und mit dem Finger auf sie zeigen, aber im Grunde bist du selbst für verantwortlich. Ich erinnere mich, als mir diese Person gesagt hat, dass ich selbst für die guten und schlechten Dinge in meinem Leben verantwortlich bin. Du realisiert: OMG, I’m in control of my shit. Perfekt, sehr gut dann (lacht)!

subtext.at: Bist du der Meinung, dass alles aus einem gewissen Grund passiert?
Loreen:
Ja. Ich denke schon, es stimmt. Ich kann nur für mich sprechen und eventuell für das Leben meiner Freunde (lacht). Wenn Dinge anfangen, sich zu wiederholen… Wenn sich beispielsweise Ladys immer auf die gleiche Art von Männern einlassen, dann geschieht das aus bestimmten Gründen passiert. Es gibt Ärger, alles kommt auf dich zurück. Etwas oder jemand versucht uns zu leiten. Daran glaube ich. Es ist hart, wenn es darum geht, sich selbst zu finden. Meist machen wir etwas Anderes und richten unsere Blicke nach außen, betrachten alles und jeden, anstatt uns selbst und unser Inneres zu betrachten.

Das ist das Problem mit unserer Gesellschaft. Wer sagt mir, wie ich mich fühlen soll? Warum tue ich es nicht selbst, warum sage ich es nicht selbst? Um in sich zu gehen, braucht man Zeit für sich. Wie viel Zeit bleibt einem heutzutage dafür? Reichlich wenig. Es gibt immer etwas zu tun. Der Fernseher läuft, das Radio ist an, der Computer ist aufgedreht, die Freunde warten.
Tourmanager: Loreen, wir müssen dann langsam zu einem Ende kommen.
Loreen: Hör mal, es sind interessante Themen dabei. I fucking love these questions! Lass mich doch reden! Fuck, fuck the show, let’s talk (alle lachen)!

subtext.at: Technologien beeinflussen uns täglich, ob bei der Arbeit oder in unserer Freizeit. Wie denkst du wirken sich Computer, Smartphone und Tablet auf unser Leben aus, auf unseren Glauben und unsere Sinne?
Loreen: Diese Dinge beeinflussen uns enorm. Ich glaube nicht, dass uns diese Sachen dermaßen mit Energie versorgen. Für mich ist es eher so, als würden wir viel von uns hergeben und wenig zurückbekommen. So viele Prozesse und so viele Informationen müssen gehandhabt werden. Technologie, vor allem die, die du angesprochen hast, macht vieles zunichte. Natürlich hat sie auch gute Sachen. Wenn Leute sich zum Beispiel dadurch in manchen Ländern politisch mitteilen können, in denen sie es sonst nicht können. Wenn sie sich zusammentun, um etwas zu bewegen und planen. Gute Sachen. Gute Sachen, nichts Schlimmes.

Was diese Dinge spirituell mit uns anstellen? Nun, ich kann sagen, dass ich keinen Fernseher besitze und darüber sehr froh bin. Wenn ich einen hätte, würde ich nur schauen wollen, wie in Hypnose, stundenlang. Daran ist nichts Interessantes. Auf der einen Seite führt uns Technologie von dem weg, wer wir sind. Man hat keine Zeit herauszufinden, wer man wirklich ist, weil man ständig berieselt wird. Computer an, Facebook, Instagram, yeah und dann noch solche Sendungen wie „True Blood“ (lacht).

subtext.at: Wenn heute der letzte Tag deines Lebens wäre, wärst du mit den Dingen zufrieden, die heute noch anstehen? Wärst du eine glückliche Person?
Loreen: Auch eine interessante Frage. (überlegt) Ja, klar, wobei ich eventuell lieber draußen im Freien performen würde anstatt in einem Club. Frische Luft einatmen, Sonne auf meiner Haut, ein Berg vielleicht (lacht). Wenn es mein letzter Tag sein würde – ich würde mir nichts Anderes wünschen, als aufzutreten. Nichts ist vergleichbar damit. Es ist wie eine Art Trance, in der du dich befindest. Wenn es eine Verbindung gibt zwischen Publikum und Künstler, dann bin ich weg.

subtext.at: Manchmal ist die Atmosphäre so besonders, dass man sich in dem Moment selbst vergisst.
Loreen: Ist das nicht ein wunderbares Gefühl? All der Mist und der Scheiß pausiert, du lässt sie hinter dir zurück. I love it. Mein Gott, du hattest wunderbare Fragen heute, die haben mich echt ins Grübeln gebracht (lacht). Komm, steh auf und lass dich von mir umarmen!

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Foto: Magnus Ragnvind

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