CANNIBAL CORPSE: Genickbrecher nach Schema F / ((szene)) Wien
CANNIBAL CORPSE – die Institution des US Death Metal – droschen den Wiener Fans die Trommelfelle aus den Ohren. Vor der temporären Taubheit boten auch AEON und REVOCATION Ohrenzermürbung vom Feinsten.
Und man hätte kaum zwei passendere Vorbands für die A Skeletal Domain Tour finden können! Schon AEON zeigten zu Beginn vor einem ausverkauften Haus, wie Death Metal klingen kann, soll und muss. Der schwedische Leichentransporter rund um Sänger und professionelle Rampensau Tommy Dahlström bretterte mit höllischem Vollgas über das zahlreich erschienene Publikum. Ein intensiveres Set hätte man vergangenen Abend nicht mal von CANNIBAL CORPSE erwarten können. Für jeden Death Metal-Fan gilt: wer AEON noch nicht kennt, sollte sie unbedingt abchecken. Und wer sie kennt, sollte JETZT wieder ein paar Tracks in die Playlist werfen.
Die zweite Überraschung des Abends waren die technischen Thrash-Deather von REVOCATION. Mit kinnladenaushängenden Basstappings und wahnwitzigen Solos steigerten sich die vier Bostoner von Song zu Song. Anspieltipp ist hierbei ganz klar das neue Album namens „Deathless“, sowie der darauf enthaltene Track „Madness Opus“.
Als ein zweischneidiges Schwert entpuppte sich jedoch der hochgelobte Gipfel US-amerikanischer Death Metal-Kunst. CANNIBAL CORPSE sind nämlich Rockstars. Und das leider eher im nervigen „ja bitte, passt schon Du Diva!“-Sinn. Denn so brachial und gore-freudig, wie sich die Band sonst gibt, so durchstrukturiert und starr ist das ganze Drumherum. Bereits ein Blick auf die Setlists der bisherigen Tourstops der A Skeletal Domain Tour zeigt: Die Show wurde am Reißbrett entworfen und für Abänderungen hat man wirklich keine Zeit, Lust und Motivation. Prinzipiell sind CANNIBAL CORPSE also eine beeindruckend detailgetreue KonzertDVD, die am Beginn des Auftritts eingelegt wird und bis zum Ende durchläuft. Publikumsinteraktion, Showqualitäten oder gar Abweichung vom minutiösen Plan sind dabei kaum möglich. Spricht man mit CC-Veteranen kommt man schnell auf die Fixpunkte im Programm, welche einkaufslistenmäßig abgearbeitet werden. So zum Beispiel Corpsegrinder Fishers Aufforderung, ihm beim Headbangen Paroli zu bieten, auch wenn dies von vorn herein umsonst sein wird („Try to keep up with me, you will fail!“). Die Rockstarattitüde gipfelte in der Drohung eines Konzertabbruchs, sollte auch nur ein weiterer Becher auf die Bühne fliegen. Klar, Bierbecherwerfer sind Idioten (Leute, erstens ist da Pfand drauf und zweitens ist Bier verschütten die Todsünde 1 bis 7!), aber wie man damit auf äußerst charmante Art umgehen kann, zeigte zum Beispiel Blutkehle Roth von EISREGEN. Auch Bewegung auf der Bühne sucht man vergeblich. Klar, die Haare kreisen und die Genickmuskeln glühen vor lauter exzessiven und beeindruckenden Headbang-Künsten, doch sonst war’s das auch. Ein Schritt nach links oder rechts ist das höchste der Gefühle.
Andererseits kann man sich das Ganze auch schön reden und als „totale Konzentration auf die Darbietung dieser musikalischen Glanzleistungen“ bezeichnen. Denn eins ist sicher: Was CANNIBAL CORPSE da akustisch von der Bühne performen, ist über jeden auch noch so kleinen Zweifel erhaben. Dieser Leichentornado aus druckvollen Blastbeats, unfassbar zerstörerischen Basslinen, gepaart mit niederschmetternden Riffs und gekrönt durch Fishers andersweltlichen Gesang ist ein Fixeintrag auf jeder Metal-To-Do-Liste. Dementsprechend aufgeheizt war auch die Stimmung vor der Bühne. Auch wenn die Masse Fisher beim Headbangen wirklich nicht das Wasser reichen konnte, so wurde dennoch ein gigantischer Moshpit aufgerissen und die perfekt ausbalancierte Setlist aufs Derbste abgefeiert.
Mit neunzehn Songs in knapp über eineinhalb Stunden präsentierten CANNIBAL CORPSE nämlich ein mächtiges Brett an Hits. Überaschend ausgewogen war die Aufteilung zwischen alt und neu. Natürlich musste das neue Album „A Skeletal Domain“ beworben werden, doch mit lediglich drei Songs zeigte man den Fans, dass man die Wurzeln und Greatest Hits natürlich nicht vorenthalten konnte und wollte.
Nun bleibt also nur noch der Schlussstrich zu ziehen. Obwohl die Show was von interaktionsloser Live-DVD hatte, muss man dennoch sagen: sie war jede Sekunde wert! Die Atmosphäre, die brutale Klangfront und die beeindruckende Erscheinung namens George Corpsegrinder Fisher en vivo zu sehen kann – noch – keine Liveaufnahme der Welt ersetzen.