BJÖRK: Ton, Steine, Scherben

Liebe und Schmerz, die vertragen sich. „Vulnicura“, das neunte Studioalbum von Björk, sichert sich selbstbewusst seinen Platz unter der Freidenker-Sonne, obwohl das Leid einer zerbrochenen Beziehung aus jeder Pore tropft. Nach der großen Björk-Retrospektive im New Yorker Museum Of Modern Art, die der Künstlerin aus Reykjavík derzeit gewidmet ist, geht es erfreulicherweise wieder um neue Musik und „Vulnicura“ schafft es, einen emotional zurückzulassen. Und zwar mit einem dicken Klos im Hals.

Björk

Fokussiert kehrt die Isländerin, die heuer 50 Jahre alt wird, zurück und zeigt eine Standhaftigkeit und Haltung, die sich wie der berühmte Fels in der Brandung verhält. Orchestraler Pomp mit Geflechten aus Elektronik, imposant dargeboten wie ein komplettes Bergmassiv. Björk hat den Thron der Avantgarde-Musik längst erobert und gibt ihn nicht mehr frei. „Vulnicura“ ist dabei wieder zugänglicher als zuletzt. Songs wie „Lionheart“ oder das vorab veröffentlichte „Stonemilker“ klingen so schön, dass einem ganz warm ums Herz wird, gleichzeitig aber auf eine angenehme Weise immer etwas weit weg, um es voll und ganz greifen zu können.

„My shield is gone, my protection is taken“ singt sie in „Black Lake“, dem inhaltlichen Herzstück dieser Platte, während sich Struktur und Atmosphäre des Songs von einer leichten Brise in ein schwarzes Ungetüm wandeln. „History Of Touches“ wird von Loops und allerlei seltsamen Zwischentönen attackiert und konterkariert, einstweilen darf sich Antony Hegarty (Antony And The Johnsons) zum „Atom Dance“ hinzugesellen, um gemeinsam mit Björk aus tiefster Inbrunst den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das zuckende, mit heftigen Beats hinterlegte „Quicksand“ bildet den Schlusspunkt dieser gefühlsbetonten Reise, auf der das Glück zu Ex-Partner Matthew Barney nur in der Erinnerung stattfindet.

Abermals entzieht sich die Isländerin jeglicher Pop-Konventionen und man muss sich schon einige Male durch dieses Epos kämpfen, um die Feinheiten ganz genau ausmachen zu können. Nein, auch mit dieser Platte muss man Björk nicht mögen und ihr um den Hals fallen. Die, die es bislang nicht getan haben, werden sie bestimmt auch weiterhin ignorieren. Für Fans und alle anderen, die etwas Melancholisches suchen und ein Faible für exotische Regionen haben, bietet die Isländerin mit „Vulnicura“ weiterhin die passende Anlaufstelle.

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