AnnenMayKantereit – Wird schon irgendwie gehen

AnnenMayKantereit gehören wohl zu den Durchstartern der letzten Jahre. Erst vor 2 Jahren fanden sich die Kölner Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit zusammen, nämlich wie so viele Bands in der Schule. Was also als Schülerband und Straßenmusikanten angefangen hat, ist mittlerweile so etwas wie das deutsche Wanda. Musikalisch nicht unbedingt das gleiche, aber beide Bands vereint eines. Eine extrem steile musikalische Karriere innerhalb weniger Monate. Denn ein Album, zwei deutschlandweite Clubtouren, 90.000 Facebook-Likes und Tournee-Supports für die Beatstaktes und Clueso stehen die 3 Jungs da. wo sie hingehören. Ganz oben am deutschsprachigen Nachwuchsolymp. Jetzt die Frage aller Fragen, was kann die neue EP?

Jetzt ist also die erste EP „Wird schon irgendwie gehen“ erschienen und dieses Mal auch bedeutend breiter im Handel erhältlich. Gottseidank. kann ich gleich vorweg sagen. Denn es ist lange her, dass mich eine Stimme so fasziniert, so gepackt, so mitgenommen hat wie jene von Henning May.  Ob er wie Wanda stangenweise Zigaretten raucht um so, oder trotzdem so singen zu können? Man weiß es nicht so genau, Raucher ist er zumindest, aber es klingt auf schöne Art und Weise ungefähr so – also jetzt nicht wie ein Raucherhusten. Einfach wunderbar rau und roh wie früher, als Musik noch nicht bearbeitet wurde und so unglaublich kräftig, als hätte der gute Mann einen Subwofer in seiner Lunge integriert.  Kleine Info aus der Kategorie „Nice to know“: finanziert wurde das ganze Ding per Crowdfunding, und danach in den legendären Hansa Studios Berlin aufgenommen. Genau das Studio, wo unter anderem auch schon Andrew Lloyd Weber, die Berliner Philharmoniker, Green Day, Bon Jovi und die Ärzte ihre Alben finalisiert haben.

So genug Geschichte, die aber schon gut veranschaulicht, wo AnnenMayKantereit nach bereits kurzer Zeit schon stehen. Das neue Werk ist zwar mit 5 Songs insgesamt kurz, aber für mich umso intensiver und wirkt viel durchdachter als viele andere EP’s und gar Alben, die ich in den letzten Jahren gehört habe.

Das fängt bei den Texten an, die zwar thematisch sicher nicht eine Revolution darstellen, aber trotzdem großartig sein. Klar, es werden Themen behandelt, die ausgelutschter sind als der Spruch „Egal wie dicht du bist, Goethe war Dichter“. Jedoch aber auch wieder nicht. So wird zwar bei „Nicht, Nichts“ der Schmerz nach dem Verlust „der einen Wahren“ verdaut – kennt man schon – aber trotzdem ist das ganze frisch, weil das Songwriting abwechslungsreich ist und dieses Thema auf eine andere sprachliche Art angegangen wird als je zuvor. AnnenMayKantereit schaffen es hier eindrucksvoll, ein doch eher langweiliges Thema unglaublich schön und, ja, neu auszudrücken. Und genau so geht es bei „21,22,23“ weiter übers Erwachsenwerden, oder  über tägliche Sorgen und Fragen eines jeden Morgens im Lied „Jeden Morgen“. Es sind alles Themen, die AnnenMayKantereit ansprechen. Die jeden jungen Menschen täglich berühren, und das alles nie langweilig und textlich frisch und einfach großartig. Ähnlich wie Heisskalt, jedoch noch nicht auf deren hohen Level. Aber das könnte in Zukunft ja noch so werden. Das Highlight kommt dann mit Sicherheit zum Abschluss. „Oft Gefragt“ kennen manche vielleicht schon aus Circus HalliGalli. Dieses Lied hat speziell mich, als jemanden der seinen Vater an den Krebs verloren hat, schwer berührt. Denn genau diese Sohn-Vater Beziehung, die Verpflichtungen die aus eben dieser heraus entstehen, behandelt die Band hier wunderschön berührend und persönlich. Kein Wunder, denn der Text beschreibt speziell die Beziehung zwischen Christopher Annen und seinem Vater. Ein Lied, das sehr tief unter die Haut geht. Selten hat mich in den letzten Jahren Musik zu Tränen gerührt!

Last but not least zu den Instrumenten. Die sind abwechslungsreich, stets passend und vor allem die Klaviereinlagen begeistern. Aber alles dann doch nicht außergewöhnlich. Da geht noch etwas, es bleibt aber die Frage, ob das überhaupt notwendig ist. Denn bei AnnenMayKantereit ist es am wichtigsten, dass die Instrumente Sänger Henning May perfekt unterstützen und die Lyrics mittragen. Das passiert bereits jetzt hervorragend. Trotzdem, mehr Luft nach oben ist vorhanden.

Was soll man noch sagen, es ist alles gesagt. AnnenMayKantereit sind für mich eine der besten Newcomerbands der letzten Jahre, besser als Wanda und auf einer Stufe mit Bilderbuch und Olympique. Der Gesang von Frontmann Henning May ist dermaßen berührend und unglaublich einzigartig großartig, man könnte glauben der gute Mann raucht drei Stangen Zigaretten am Tag um das zu erreichen. Auch instrumental wurde hier alles richtig gemacht. Mundharmonika, Klavier, Akkordeon und Cajón fügen sich herrlich zu den klassischen Instrumenten Schlagzeug und Gitarre ein. Textlich einfach, jedoch zielsicher und stets mit sehr viel Persönlichkeit, ohne dabei jedoch kitschig zu werden. Alles in allem ein einfach unglaublich gutes Album einer unglaublich guten Band. Sehr zu empfehlen und am 19.September auch in Linz live zu sehen. Unbedingt hingehen!

Musikliebhaber, Festivalreisender, Konzertsüchtig, Vinylnerd, Photograph, Konzertveranstalter, Linz-Liebhaber