PATTI SMITH: gelebte Geschichte & „Horses“ / Arena Open Air

Spartanisch. Minimalistisch. Unbeschreiblich – PATTI SMITH feierte das 40jährige Jubiläum ihrer Debütplatte „Horses“ in der Arena. Ohne Support, ohne Schnick-Schnack – einfach nur pure Musik.

PATTI SMITH ist eben Musik pur, Punk Rock pur – sie ist die „Godmother of Punk Rock“ und ihre Debütscheibe „Horses“ gilt als einer der wichtigsten Wegweiser für dieses Genre. Den Titel „Godfather/Godmother of {Genrebezeichnung}“ erhielt man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts relativ einfach. Oft reicht es, zur richtigen Zeit in der richtigen Stadt die Zukunft der Musikgeschichte dauerhaft zu prägen. LAUREL AITKEN, IGGY POP, sie alle sind die „Godfathers of Irgendwas“ – Verdienterweise, keine Frage, doch was Frau SMITH vergangenen Dienstag in der Arena ablieferte, grenzte schon fast an Magie.

Und das obwohl – oder gerade weil – sich beim Erscheinungs- und Bühnenbild die Bescheidenheit der Wahl-New Yorkerin zeigte: gigantischer Backdrop? Fehlanzeige. Ausgefallene Outfits? Ebenfalls nicht vorhanden. Viel Tamtam und große Gesten? Nö. Lediglich ein paar weiße Blumen schmückten das minimalistische, schwarze Schlagzeug, auf dessen Bassdrumfell der schlichte Name des gestrigen Programms gedruckt war: „Patti Smith Horses“  in Begleitung ihrer langjährigen Bandkollegen Lenny Kaye, Jay Dee Daugherty, Tony Shanahan und Jack Petruzelli – mehr musste auch nicht gesagt werden.

Bescheiden war sie ohne Zweifel, dankbar und glücklich ebenfalls. Nur eines kann man PATTI SMITH nicht vorwerfen: das Bravsein. Ganz in der Punk-Attitüde, die auf ihren Schultern erbaut wurde, schlatzte die Dame gern mal auf die Bühne und riss gekonnt Saiten von der E-Klampfn. Untermalt wurden diese Aktionen mit Aussagen wie „Wir brauchen Eure Bomben und Euren Atomscheiß nicht! Wir haben die E-Gitarre!“.

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Zwei der vielen Highlights waren, neben den ganzen Anekdoten und Späßchen, die Songs „Free Money“ und „Elegie“. Ersterer war bereits auf „Horses“ ein äußerst kraftvoller Track und hat nun mit der gereiften Stimme von PATTI noch mehr an Druck zugelegt und mauserte sich zu einem DER Songs des Abends. Letzerer, passenderweise der Schlusssong von „Horses“, wurde einer Vielzahl an verstorbenen Musikern gewidmet. JIMMY HENDRIX, JOE STRUMMER, den ursprünglichen RAMONES Johnny, Joe, Dee Dee und Tommy, LOU REED… die Liste wurde länger und länger und zeigte auf bedrückende Weise, wie viele wegweisende und revolutionäre Künstler bereits dem Fährmann Tribut zollen mussten.

Umso besser also, dass PATTI noch unter den Lebenden weilt! Nach dem „Horses“-Set wurde noch ein reguläres Set mit Huldigungen an THE VELVET UNDERGROUND, die Arena Wien und alle Anwesenden angeschlossen. Besonderes Highlight hierbei: „Ain’t It Strange“ mit starken Gitarrensolis und einem dezenten Dub/Reggae-Vibe, bei dem auch vereinzelt der süßliche Geruch gewisser Pflanzen aus dem gut sortierten Kräutergarten aufstieg.

Nach guten zwei Stunden Spiel- und Tratschzeit verabschiedeten sich PATTI SMITH und ihre Komplizen mit einem Bombencover von THE WHO’s „My Generation“. Zurück bleibt das Gefühl, eine der ganz ganz Großen erlebt zu haben und die Hoffnung, dass man PATTI noch viele weitere Jahre auf den Bühnen dieser Welt sehen darf. Dann auch mit ein bisschen mehr Bühnendeko; die hätte sie sich nämlich verdient.

Titelfoto: CC-BY Rikard Fröberg, „Patti Smith at Liseberg“ 2014
Beitragsfoto: © Markus Wetzlmayr

Patti Smith Setlist Arena, Vienna, Austria 2015

Markus liefert als Teil der Wiener Fraktion von Subtext Konzertfotos aller möglichen Genres. Egal ob Hip Hop oder Black Metal - Hauptsache die Musik geht unter die Haut und drückt in den Ohren.