REFUSED: Freedom
Wie schließt man an ein Meisterwerk an? 17 Jahre nach ihrem Opus Magnum „The Shape Of Punk To Come“ bringen Refused aus beinahe heiterem Himmel ein neues Album auf die Welt und versuchen sich daran, der erdrückenden Erwartungshaltung irgendwie gerecht zu werden.
Als Refused sich 1998 auflösten war der Autor dieser Zeilen gerade einmal fünf Jahre alt. Viele lernten die Band wie ich, erst später kennen und lieben. Lange nachdem sie sich mit „The Shape Of Punk To Come“ ein Denkmal gesetzt hatten und genau das taten was der Titel des Album prophezeite. Refused wurden Wegbereiter für eine neue Brut von Hardcore und Punk Bands, die in den 2000er Jahren das Licht der Welt erblickte. Technisch anspruchsvoll und innovativ. Da wurde Punk mit Elektro Sprengseln und Jazz-Rhythmen kombiniert, lyrisch mit dem Vorschlaghammer ordentlich auf die Übel des Kapitalismus eingedroschen und dann lösten sie sich auch noch gerade dann auf, als mit Hits wie „New Noise“ der kommerzielle Erfolg „drohte“ – Der ultimative Mittelfinger in Richtung Mainstream!
In Interviews zur neuen Platte hat Frontmann Dennis Lyxzén ziemlich klar gesagt „Das ist unsere Band. Ist mir egal, ob dir unser Mythos wichtig ist“. Ja, Refused lieben es immer noch, den Leuten ans Bein zu pinkeln und in der Welt hat sich nicht gerade viel zum Besseren verändert, wie der Opener „Elektra“ verdeutlichen soll – „down in the dirt nothing has changed“. Ein für Refused-Verhältnisse ziemlich straighter Rocksong, der aber ordentlich Feuer unterm Hintern hat. Von dieser Sorte hat Freedom noch einiges mehr zu bieten. „Destroy The Man“ und „War On The Places“ kommen mit Riffs daher, die auch auf 80er Hardrock-Platten funktionieren würden und „Servants Of Death“ erinnert mit seinen funkigen Gitarren tatsächlich irgendwie an die Red Hot Chili Peppers. „366“ tanzt gefährlich am Abgrund zwischen Referenz an die eigene Vergangenheit und Selbstplagiat. Man weiß nicht so recht ob man sich darüber freuen oder ärgern soll. Übrigens ist dies neben „Elektra“ der zweite Song auf Freedom bei dem der schwedische Pop-Produzent und Refused-Fan „Shellback“ (hat zB. Taylor Swift’s Shake It Off geschrieben) besonders intensiv mitgewirkt hat.
„Dawkins Christ“ und „Thought Is Blood“ betreiben da schon bessere Vergangenheitsbewältigung und können dazu noch mit ein paar frischen Ideen aufwarten. Beide schreien laut und deutlich „Refused Are Not F**king Dead!“ und zählen zu den Glanzlichtern des Albums. Richtig experimentierfreudig geht es bei „Old Friends / New War“ zur Sache. Runtergepitchte Rap-Vocals und schrammelige Akustikgitarren haben wohl die wenigsten von den vier Skandinaviern erwartet. Dass das Ganze dann auch noch so gut funktioniert ist umso erstaunlicher. Highlight!
Experimente können aber auch nach hinten losgehen. Das lässt sich anhand von „Françafrique“ feststellen. Der Kinderchor zu Beginn und Zeilen wie „…murder, murder, kill, kill, kill!“ schießen dann doch deutlich übers Ziel hinaus und lassen den an sich ernsten Song (Völkermord im Kongo) ziemlich lächerlich wirken. Das abschließende „Useless Europeans“ verlässt sich ebenfalls auf akustische Gitarren, treibt aber viel zu ziellos umher, um im Albumkontext wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
„Freedom“ von vornherein zum Vergleich mit seinem Vorgänger zu verdammen kann dem Album natürlich nur schaden, war aber ebenso unvermeidbar wie die Sellout-Vorwürfe, die sich die Band von vielen Fans gefallen lassen muss. Dass viele es ungern sehen wenn ihre Anti-Kapitalismus-Helden auf einem Major Label veröffentlichen und auf riesigen, von Firmen gesponserten Festivals auftreten ist ebenso verständlich, wie dass auch Refused irgendwo an die Regeln und an die Entwicklungen im Musikbusiness gebunden sind (siehe Rise Against). Freedom ist allemal ein solides Comeback, aber gleichzeitig auch die erwartete Enttäuschung geworden. Es fehlen ab und zu dann doch die jungendliche Ungestümheit und die zündenden Ideen. Vielleicht braucht es ja noch ein weiteres Album bis das Werkl wieder auf Hochtouren läuft. Dass im Zusammenhang mit der Reunion von der Zerstörung des Mythos Refused gesprochen wird ist also absolut unangebracht. Vielmehr hören wir hier eine Band, die garantiert nichts verlernt hat und immer noch hungrig ist. Und dafür kann ihnen niemand einen Vorwurf machen!
Tracklist:
01. Elektra
02. Old Friends / New War
03. Dawkins Christ
04. Françafrique
05. Thought Is Blood
06. War On The Places
07. Destroy The Man
08. 366
09. Servants Of Death
10. Useless Europeans
Freedom, VÖ: 29.07.2015 (via Epitaph Records)