Twin Atlantic: „Musik ist immer ein Mantel“
Alternative Rock made in Britain? Da kommt man unweigerlich schnell auf Twin Atlantic. Das schottische Quartett ist spätestens mit dem Album „Great Divide“ in der Königsklasse angekommen. Auch in Österreich sind sie bei Weitem keine Unbekannten mehr – Sam McTrusty & Co stehen für Liveshows, wo man garantiert zufrieden nach Hause geht. Auch im Interview geben sich die Schotten durchaus sympathisch.
subtext.at: Gibt es irgendetwas, was ihr gleich am Anfang des Interviews hinter euch bringen möchtet?
Sam McTrusty: Was ich als erstes beantworten möchte? Wow, gute Frage, da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Was ich aber in einem Interview von jemand anderem gerne lesen möchte, ist die Frage, warum jemand Musik macht. Da versteht man die restlichen Antworten dann sicher besser.
subtext.at: Bleiben wir gleich dabei: warum macht ihr Musik?
Sam McTrusty: Ich denke, weil mir reines Anhören nicht genügt hat. Ich bin mit Musik groß geworden – so in etwa, dass ich in speziellen Momenten dazu passende Musik gehört habe. Das ist ein so großer Teil meines Lebens geworden, dass ich selbst angefangen habe, ein Instrument zu spielen. Da bin ich in einigen Teilen ganz gut geworden – in anderen eher nicht so (lacht).
subtext.at: Wenn du zurückdenkst, als ihr angefangen habt, und musikalisch sicher noch nicht auf dem Level wart, wo ihr heute seid…
Sam McTrusty: Oh ja, wir waren richtig schlecht (alle lachen).
subtext.at: Bereut ihr in diesem Entwicklungsprozess irgendetwas, was ihr durchgemacht habt?
Ross McNae: Ich glaube, dass der einzige Weg, um besser zu werden, der ist, alle Fehler zu machen. Hätten wir das nicht gemacht, wär das Endprodukt heute nicht das, was es ist. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir „stolz“ auf Fehler sind, aber wir würden sie sicher wieder machen.
subtext.at: Twin Atlantic ist also das Ergebnis eines „Try&Error“-Zugangs?
Ross McNae: Ja, schon. Eine Band und ein Album ist immer eine aktuelle Momentaufnahme – man kann aber nicht verleugnen, was man in der Vergangenheit gemacht hat.
subtext.at: Kommen wir mal zur Gegenwart. Euer aktuelles Album „Great Divide“ wurde vielerorts eher als politisches denn als musikalisches Statement gesehen. Warum glaubt ihr, dass Leute immer Dinge, die nichts primär mit Musik zu tun haben, hineininterpretieren?
Sam McTrusty: Ich glaube, dass Musik immer eine Art Mantel für vieles ist. Etwa wenn dein Tag langweilig ist – dann verwendest du Musik, um ihn aufzuheitern. Und Leute, die durch Politik getrieben sind, auf der anderen Seite aber auch mit Musik verbunden sind, finden dann auch in der Musik Antworten auf Fragen, die eigentlich eher die Politik betreffen. Das ist aber auch das Coole daran. Es ist individuell – ein Song kann jemanden an seinen Hochzeitstag, jemand anderen aber auch an ein Begräbnis oder sowas erinnern. Also das exakte Gegenteil.
subtext.at: Es hängt also primär von der Person ab – „Great Divide“ ist zu der Zeit erschienen, als das schottische Unabhängigkeits-Referendum durch die Medien ging. War das reiner Zufall oder habt ihr auch schon vor dem Release einkalkuliert, dass das Album auch stark in eben diesem Kontext gesehen werden wird?
Sam McTrusty: Ich habs mir gedacht, ja. Aber als wir am Album, dem dazugehörigen Namen und den Artworks gearbeitet haben, waren wir sowas von weit weg von Politik. Wir waren in Amerika, und haben drei Monate am „Arsch der Welt“ verbracht. Da haben wir uns abgeschottet und hauptsächlich mit dem Album beschäftigt. Eigentlich sehr eigensinnig (alle lachen). Aber wir haben natürlich auch über Themen abseits der Musik gesprochen. Was den Titel „Great Divide“ anspricht, wollten wir eigentlich eher auf die Themen der Songs anspielen als auf diese große politische Debatte. Irgendwas muss aber im Unterbewusstsein schon da gewesen sein. Wir haben versucht, so ehrlich und reflektiert wie möglich zu sein – vielleicht hat auch das hinein gespielt.
subtext.at: Wenn ihr zurückblickt – würdet ihr an diesem Album etwas verändern? Seid ihr mit bestimmten Parts unglücklich?
Sam McTrusty: Ja, schon. Ich würde natürlich einige Details oder auch die Songauswahl – es waren sicher um die 30, die in die nähere Auswahl gekommen sind – ändern wollen. Aus heutiger Sicht. Jeder Künstler muss den Anspruch haben, besser zu werden. Und das funktioniert nur, wenn man auch seine aktuellen Arbeiten kritisch beäugt.
subtext.at: Man muss also Perfektionist sein, um in einer Band erfolgreich sein zu können?
Sam McTrusty: Ja. Wenn du von dir glaubst, dass du immer toll und großartig bist, dann bist du wahrscheinlich ein Arschloch.
subtext.at: Ich habe aus dem Jahr 2009 ein Interview mit euch gelesen, wo ihr gemeint habt, dass man sich als Band „nicht bis ans letzte Limit pushen“ sollte. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ross McNae: Das haben dann im Laufe der Jahre gelernt, dass man sich doch pushen muss (alle lachen).
Sam McTrusty: Mich würde der Kontext dieses Interviews interessieren. Für uns ist es nämlich relativ einfach, Teil von Twin Atlantic zu sein, wenn man mal alles ignoriert, was im Laufe des „Lebens“ passiert ist. Also rein auf die persönliche Ebene zwischen uns vier bezogen. Auch das viele Reisen, spielen, neue Leute treffen – das ganze Programm halt. Und, natürlich, wenn man berücksichtigt, dass wir mittlerweile auch eine Fanbase haben: das ist ein Luxus. Das Drumherum ist natürlich hart – es ist alles andere als einfach, sein Zuhause, Beziehungen und all das unter einen Hut zu bringen.
subtext.at: Wann wurde es für Twin Atlantic offensichtlich, dass eine Band nicht nur daraus besteht, Spaß mit seinen Freunden zu haben? Sondern, dass es eher ein Fulltime-Job, und oftmals mehr, ist?
Sam McTrusty: Da gibt es natürlich viele kleine Mosaiksteinchen. Der Knackpunkt war aber, als wir 2011 durch Großbritannien getourt sind, und auf einmal statt 100 Leuten 2000 bei unseren Konzerten waren. Da haben wir dann auch den „Druck“ noch stärker gespürt, eine gute Show hinzulegen. Das ist auch der Punkt, wo dir Freunde und Familien erzählen, wie stolz sie denn nicht auf dich seien. Dieses bisschen Erfolg hat uns verändert – und eben dieser Druck. Vorher war es eher der idealistische Zugang – Spaß haben, so viele Gigs wie möglich zu haben, und einfach immer weiter zu spielen. Für mich zumindest war das so.
subtext.at: Ihr habt gerade erwähnt, dass ihr den Druck stärker verspürt, eine gute Live-Performance hinzulegen. Ich habe den Eindruck, dass das Publikum den Fokus, ob sie eine Band gut oder schlecht finden, immer stärker auf die Live-Performance legt. Würdet ihr dem zustimmen und hat sich das ebenso in den letzten Jahren verändert?
Sam McTrusty: Wir haben grade gestern darüber gesprochen, dass wir uns verändert haben und wir mehr zu einer Live-Band werden.
Ross McNae: Haben wir das? (lacht) Ah ja, ich weiß schon wieder. Gerade im Zuge dieses Albums sind wir auch, im Vergleich zu den Vorgängern, anders an das Songwriting herangegangen. Nämlich unter dem Kontext, dass der Song am neuen Album dann live – hoffentlich – gleich zu Beginn vor einer relativ großen Zahl an Leuten gespielt wird und da funktionieren sollte.
subtext.at: Also ein Knackpunkt auch in dem Sinne, wie ihr an Musik im Generellen herangeht?
Sam McTrusty: Ja, auf alle Fälle. Wir schreiben die Songs sicher anders als vorher, ja.
subtext.at: Was auch lustig ist – wenn man Alternative Rock, Pop, Punk, Pop-Punk oder was auch immer hernimmt, dann seid ihr gleich mal alles. Toph Taylor (SOHN) hat mal zu mir gemeint, dass gerade Pop all das ist, was man sonst nirgends hinschieben kann. Auch für euch zutreffend, und wie sehr „Pop“ seid ihr heute im Vergleich zu früher?
(lachen)Sam McTrusty: Wir haben früher ja immer von uns gesagt, Alternative-Punk-Power-Pop zu sein. (lacht) Das war noch zu Myspace-Zeiten, wo man halt die drei Optionen hatte, was denn deiner Band entspreche.
Ross McNae: Wir sind sicher um einiges mehr „Pop“, als wir es waren. In dem Sinne, dass uns Leute auch wirklich mögen (lacht).
subtext.at: Pop entspricht für euch also auch dem „Populär“?
Sam McTrusty: Natürlich ja. Es geht natürlich um Vocals, Hooks und Co. Wenn mans runterbrechen möchte – bei Folk-Rock geht’s eher um die Story im Song, beim Glam-Rock eher um die Arroganz der Gitarren- und Drumparts. Bei Pop geht’s für mich eher um Vocals und Melodie – und da spielt das aktuelle Album halt ziemlich genau rein.
subtext.at: Von Anfang an geplant oder im Laufe des Projektes entstanden?
Sam McTrusty: Zu einem guten Teil sicher zweiteres. Wir sind fünf Jahre lang getourt, ohne vor „richtig“ vielen Leuten zu spielen. Dann mit älteren amerikanischen Pop-Punk-Bands, wie Blink 182 und Green Day. Dann auf einmal mit Kings of Leon, Kasabian und Co. Und wenn man dann die Live-Sets anschaut, sind es diese „Hymnen“, die auch von Herzen kommen, die immer die Highlights in diesen Sets sind. Wir wollten auch mal so ein Album machen – ich will jetzt nicht sagen, dass wir es geschafft haben, aber wir haben es zumindest versucht (lacht).
subtext.at: Meine Standardfrage zum Schluss: was soll mal auf eurem Grabstein stehen?
(lachen)Ross McNae: Oh. „If there is one thing you know, you just don’t know, you know?“
Sam McTrusty: Das sagt er immer…
Ross McNae: Ja.
Sam McTrusty: Vor allem seine Frau nervt das tierisch. Aber ich habs: „Here lies a misunderstood underachiever“.
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