THE WORLD IS A BEAUTIFUL PLACE… Harmlessness

The World Is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid To Die – im folgenden Text der Kürze halber TWIABPAIANLATD genannt – sind eine Indie Rock Formation aus Connecticut. Sie werden zur Speerspitze des sogennanten „Emo Revivals“ in den USA gezählt. Neben Emo-Bands der 90er und frühen 00er Jahre, wie American Football oder Sunny Day Real Estate, üben allerdings auch Post-Rock Bands à la Sigur Rós einen großen Einfluss auf ihr Soundbild aus. Seit der Gründung 2009 hat das Band-Kollektiv 3 EPs, einige Splits und ein Album veröffentlicht. Mit „Harmlessness“ liefern sie nun ein Zweitwerk ab, welches den Vorgänger in allen Belangen mühelos übertrumpft und auf ganzer Länge großes Indie-Rock-Kino bietet!

Das Klangbild der neuen Platte als solches ist positiver ausgerichtet als auf den letzten Veröffentlichungen. Dennoch schwebt über den 13 neuen Songs immer noch diese zurückhaltende, aber leicht dunkel gefärbte Anmut. Schon das eröffnende „You Can’t Live There Forever“ schafft mit Akustikgitarre und Streichern eine Grundstimmung, zu der man sich gern ins Auto setzen will, losfahren und sich ziellos umhertreiben lassen. Das Zwischenstück „blank #11“ wirft die instrumentale Nebelmaschine an und führt uns direkt zur großartigen Single des Albums. „January 10th, 2014“ erzählt Hand in Hand mit dem dazugehörigen Video die Geschichte einer Rachegöttin, die Jagd auf einen Frauenmörder macht. Klingt erstmal verwirrend? – Einfach hier ansehen. Das ganze beruht auf der wahren Geschichte einer Frau aus Ciudad Juarez (Mexiko), die Selbstjustiz an Busfahrern übte, um sich für Frauen zu rächen, die getötet wurden während sie alleine unterwegs waren. Im krassen Gegensatz dazu stehen allerdings, die abwechselnd weiblich und männlichen, überaus niedlich vorgetragenen Vocals, die es versäumen dieser blutigen Thematik den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Generell ist der Gesang auf „Harmlessness“ weit deutlicher im Vordergrund angesiedelt, als das auf den bisherigen Veröffentlichungen der Gruppe der Fall war. Auch die Produktion ist (obwohl weder Studio, noch Produzent gewechselt wurden) viel klarer und ausbalancierter geworden, was The World Is A Beautiful Place… nochmal zusätzlich von ähnlichen Genrevertretern abhebt. Der frische Soundanstrich steht noch dazu ruhig-folkigen Songs wie dem Opener oder „Metal Health“ und an Postrock angelehnten Stücken wie „I Can Be Afraid Of Anything“ zugleich. Bemerkenswert ist auch wie viel Gedankenarbeit in den überaus homogenen Fluss des Albums gesteckt wurde. Besonders der epische Übergang vom sich aufbäumenden „Wendover“, dem stärksten Songs der Platte, hin zum ruhig beginnenden „We Need More Skulls“ ist absolut großartig geraten. Diese fließenden Wechsel führen zwar dazu, dass einzelne Stücke etwas untergehen, machen das Album zu einer dieser Platten, die man am Besten in einem vollen Durchlauf hört.

Ein weiterer großer Pluspunkt im Vergleich zum Debütalbum ist auch, dass die opulente Besetzung (variiert immer wieder zwischen 6 und 10 Mitgliedern) auf „Harmlessness“ weit besser zur Geltung kommt. Bis zu 3 Gitarren, dazu Synthies, Streicherarrangements und sogar ein Banjo. Alles findet Platz und wird im richtigen Moment gekonnt in Szene gesetzt. Weitere Highlights sind das düstere „Rage Against The Dying Of The Light“ mit seiner infektiösen Gitarrenmelodie, das rastlos umtriebige „Ra Patera Dance“ und der großartige Schlussteil von „Haircuts For Everybody“, während Stücke wie „The Word Lisa“ oder „Mount Hum“ im vergleich dazu einen weniger prägnanten Eindruck hinterlassen. Was allerdings nicht dem Songwriting, das sich auf konstant hohem Niveau einpendelt geschuldet ist, sondern wie bereits erwähnt, den sich ähnelnden Aufbauten selbiger.

Nichtsdestotrotz haben TWIABPAIANLATD hiermit eine astreine Indierock-Platte abgeliefert. Viele Mängel wurden ausgemerzt und die eigenen Stärken besser hervorgehoben als noch auf „Whenever, If Ever“. Für diese Band besteht aber zweifellos immer noch Luft nach oben. So zündet Harmlessness vielleicht nicht sofort, offenbart aber nach mehreren Durchläufen nach und nach mehr von seinen versteckten Schätzen. Ein Rohdiamant von einem Album, das dieser Band garantiert wieder einige Zuhörer mehr verschaffen wird – für Genrefans sowieso ein ganz heißer Tipp. Vielleicht auch bald kein Geheimtipp mehr?

 

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Tracklist

01. You Can’t Live There Forever
02. blank #11
03. January 10th, 2014
04. The Word Lisa
05. Rage Against The Dying Of The Light
06. Ra Patera Dance
07. Mental Health
08. Wendover
09. We Need More Skulls
10. Haircuts For Everybody
11. Willie (For Howard)
12. I Can Be Afraid Of Anything
13. Mount Hum

VÖ: 25.09.2015, via Topshelf / Epitaph Records

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.