NEW ORDER: Tutto completto
Man kann es drehen und wenden, wie man will und noch so viele Worte darüber verlieren, aber die Botschaft ist einfach: „Music Complete“, das neunte reguläre Studiowerk von New Order und das erste Lebenszeichen der Band seit zehn Jahren, serviert die perfekte Fusion aus Dance- und Electropop. Das Etikett stimmt. Das Comeback-Album nach den Comeback-Alben „Get Ready“ (2001) und „Waiting For The Siren’s Call“ (2005), ist eine erstaunliche Songsammlung geworden, die sowohl geneigte Pop-Hörer als auch passionierte Tänzer überzeugen kann. Disco statt Sofa, fast schon zu schön um wahr zu sein. „And all I wanna do is make the right impression“, heißt es in „Plastic“ – herzlichen Glückwunsch, der richtige Eindruck ist euch geglückt.
Die gibt’s noch? Lang ist es her, dass New Order zuletzt etwas von sich hören ließen – musikalisch wohlgemerkt, denn in den letzten Jahren machten entweder Negativschlagzeilen die Runde, wie der Ausstieg und die danach geführte Schlammschlacht von und mit Gründungsmitglied Peter Hook, oder der mangelnde Erfolg von Bad Lieutenant, dem Soloprojekt von NO-Frontmann Bernard Sumner. Jetzt wollen es die New Wave-Veteranen wieder wissen und greifen in die Vollen. Durchschnaufen ist nicht. „Music Complete“ knüpft nahtlos an den Vorgänger an, obwohl eine andere Gewichtung vorherrscht. Tanzbare Clubsounds, spielerisch bunte wie das Cover, werden hier zielstrebig zum Pop geführt. „Music Complete“ verheißt uns mächtig selbstbewusst schöne Popmusik bis in alle Ewigkeit.
Der perfekte Song, wie sieht er denn aus? Catchy muss er sein, eingängig, raffiniert, nicht zu vertrackt. Er muss glänzen und scheinen. New Order haben in ihrer langjährigen Karriere, die von mehreren Unterbrechungen geprägt war, unzählige Male bewiesen, dass sie ganz nah dran waren, den perfekten Moment einzufangen. Auf ihrer Suche sind sie wieder fündig geworden. Die Stimme von Bernad Sumner klingt weiterhin so jugendlich wie eh und je, die Texte treffen den Nerv der Zeit, etwa im entspannten „Restless“, wo die eigenen Bedürfnisse durch den Kakao gezogen werden. Die Musik nimmt sich das Beste aus Rock, Dance und New Wave und kombiniert die einzelnen Bestandteile ziemlich gekonnt zusammen. Die Dampflok „Singularity“, mit stoisch dahin mäandernder Bassline und feisten Electrobeats, umkreist einen wie ein Raubtier seine Beute – ein Titel, der wie die Faust aufs Auge zu Placebo passen würde. Kirmes-Hits („Tutti Frutti“, jawohl!) wechseln sich mit Dance-Pop voller Enthusiasmus wie im Hochgeschwindigkeitstrack „Unlearn This Hatred“ ab. „People On The Highlane“ frönt dem Eurodance, „Academic“ lebt von einem R.E.M.-Feeling, „Nothing But A Fool“ kredenzt Lagefeuer-Romantik und „Plastic“ zaubert einem mit seiner famosen Synthie-Melodie nach wenigen Sekunden ein breites Lächeln ins Gesicht. Der Kopf nickt, das Bein wippt im Takt.
Grafikdesigner Peter Saville hat erneut ein ikonisches Covermotiv entworfen, die Musik auf „Music Complete“ klingt frisch, voller Elan, druckvoll, aber nie kraftmeierisch. Die Band benötigt nur ein paar Sekunden, um bei aller scheinbaren Unbekümmertheit in ihre eigene Klanglandschaft abzutauchen und zurückzukehren. Gastauftritte, u.a. von Punkikone Iggy Pop (das epische „Stray Dog“), The Killers-Aushängeschild Brandon Flowers und Elly Jackson von La Roux, sorgen für Abwechslung. Trotz hohem Ekstase-Pegel, ist und bleibt das Album stets geschmackvoll, wirkt nie billig.
Berührungsängste mit verschiedensten Genres und Stilen kannten New Order eigentlich nie. Sie schafften es stets, den Stücken ihre unverkennbare Soundästhetik einzuverleiben. Mit Vergangenheitsbewältigung hat „Music Complete“ nichts zu tun. Im Gegenteil: Selten klangen Melodien zeitloser als die von New Order. Nostalgie kommt angesichts dieser Platte keine auf, vielmehr freut man sich auf zukünftige Großtaten der Band. Wir verbuchen das mal unter: „Formvollendet“.
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