FJØRT: Kontakt

Die Aachener Posthardcore Urgewalt FJØRT hat mit Kontakt ihre zweite LP veröffentlicht. Ihre erste auf dem Indie und Punk Feinschmeckerlabel Grand Hotel van Cleef. 43 Minuten Musik zwischen Melancholie und roher Wut, die einen formlich aus den Socken haut.

Um das vorweg zu nehmen: Kontakt ist weder ein d’accord 2.0, noch ein Rückschritt zum Brachial-Sound der Demontage EP geworden, sondern versprüht seinen ganz eigenen Flair. Die strahlenden Farben auf dem Coverfoto führen einen aber eindeutig auf eine falsche Fährte, wenn man zu erahnen versucht, was dahinter schlummert. Die im vorhinein ins Rennen geschickten (großartigen) Singles Lichterloh und Anthrazit verkörpern alles was FJØRT auch schon in Vergangenheit ausgemacht hat. Die drückenden Gitarren, hinterlegt mit wunderschönen Melodien, Bass und Schlagzeug drücken das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Wer Valhalla schon nicht mehr aus dem Kopf gekriegt hat, dem wird es hier garantiert ähnlich gehen. Neu ist hingegen die noch fettere, glasklare Produktion, die den Gesang viel stärker in den Vordergrund drängt, als das bisher der Fall war.

Lyrisch bewegen sich FJØRT meist in ihrer bereits bekannten, sehr metaphorischen, phrasenhaften Sprache, lockern dieses Korsett aber neuerdings mit einigen der direktesten Songs, die sie bisher geschrieben haben. Prestige ist eine Hardcore Achterbahnfahrt über leider nach wie vor brandaktuelle Themen wie Homophobie und Ausländerhass, in Paroli rechnen Gitarrist Chis und Bassist David im Wechselgesang mit rechten Bewegungen à la AfD und PEGIDA ab und sagen uns >>Haltet Stand / Trotz der braunen Pest<< und das Doom-lastige Abgesang nimmt sich vor dem Hintergrund von melancholischen Gitarrenzerlegungen religiös motivierten Extremismus zur Brust, ehe es in ein klimatisches Finale explodiert und alles um sich herum verschlingt – >>Glaube frisst Mensch<<! Diese neue Brechstangen-Direktheit mag beim ersten Höhen zwar ungewohnt wirken, tut der zweiten Platte der Aachener aber richtig gut und sorgt so für drei der stärksten Stücke auf Kontakt.

Gitarrist David darf gefühlt wieder öfter ans Mikro und brüllt sich nicht nur durch den aufbauenden Eröffnungssong In Balance, sondern auch durch das fulminante Revue, dessen leicht metallisch geschwärzter Schluss auf erfreuliche Art und Weise an die Kollegen von Jungbluth erinnert. Zum Ende hin halten einige klangliche Lichtblicke Einzug in das Album. Das finale Songtrio wirkt für FJØRT ebenfalls wie Neuland, dass zu entdecken ihnen ausgesprochen gut tut. Belvedere, Mantra und auch das abschließende Lebewohl wirken wie der sprichwörtliche Silberstreif am Horizont und bringen das Debüt der Band auf dem Indie und Punk Feinschmeckerlabel Grand Hotel van Cleef würdig zu Ende.

FJØRT sind innerhalb ihres Genres in Deutschland die Band der Stunde und setzen mit einem weiteren großartigen Album schon früh im Jahr Maßstäbe, an denen sich nachfolgende Veröffentlichungen aus allen Ecken der (Post-)Hardcore Welt anno 2016 wohl messen lassen müssen. Emotional, brandaktuell, anspruchsvoll, brachial und gespickt mit großen Melodien ist Kontakt ein wahrer Husarenritt geworden, auf den man der Band nur zu gerne folgt.

Fjort Kontakt

Tracklist

01. In Balance
02. Anthrazit
03. Prestige
04. Kontakt
05. Lichterloh
06. Paroli
07. Abgesang
08. Revue
09. Belvedere
10. Mantra
11. Lebewohl

VÖ: 22.01.2016, via Grand Hotel van Cleef

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.