THIS APRIL SCENERY: Liminality

This April Scenery, um Multi-Instrumentalist Nico Vetter aus Köln, waren bis dato für mich ein unbeschriebenes Blatt. Mit ihrer zweiten Platte „Liminality“ schinden sie nun aber ordentlich Eindruck. Experimenteller Post-Hardcore und Post-Rock dominieren das Geschehen und schlagen, wie es das Cover schon entsprechend ankündigt, hohe Wellen.

Liminality – zu deutsch: Liminalität beschreibt eine Art Übergangszustand, der während des Loslösens von der herrschenden Sozialordnung eintritt. Das hat weniger mit dystopischen Fantasien, wie es etwa das Covermotiv vermuten lässt, zu tun, als mit Veränderung, Loslassen und Erwachsenwerden. Ein emotional aufwühlendes Album? Allemal! Gerade die Instrumentierung aus knalligen Beats, atmosphärischen Klangteppichen und dominanten Leadgitarren-Exzessen gleicht über die Spielzeit des Albums einer (wie die Band selbst so treffend beschreibt) dynamischen Berg- und Talfahrt. „Die Energie von The Mars Volta trifft auf die Düsternis von The Cure.“ Mich erinnert der Stil oftmals an die herausragenden, leider viel zu unbekannten, Moving Mountains. Progressiver Post-Hardcore an der Grenze zum Post-Rock könnte man das nennen.

Der Einstieg ist Programm. Mallory Bloom führt gemächlich in das Album ein, steigert sich dann mit Fortdauer in seiner Intensität immer mehr, wie es sich für einen Opener gehört. Das erste große Highlight der Platte lässt mit Shifty Eyes nicht lange auf sich warten. Eine straight rockende Melodie-Bombe die umgehend zündet und süchtig macht. Um das vorweg zu nehmen: Die Gitarrenarbeit überstrahlt an den meisten Stellen, die vergleichsweise biederen Vocals, die nur hier (Shifty Eyes) und da (Caught In Mediocrity) aufsehen erregen und ansonsten eine untergeordnete Rolle spielen. So findet man sich stattdessen eher wieder, wie man gerade die eine oder andere Gitarrenmelodie mitsummt. Das tut der Gesamtqualität aber keinen Abbruch.

Großartig ist etwa, wie einen Modern Hustle, nach der eher soliden Verschnaufpause in Form von Levitation Pt. I & Pt. II, mit einem phänomenalen Riff wieder aus dem Land der Träume reißt. So viel zur angesprochenen Berg- und Talfahrt. Myriad Of Future Plans ist der vielleicht in sich schlüssigste und kompletteste Song der Platte, auf dem die Band routiniert all ihre Stärken ausspielt, und deshalb auch eine würdige Single-Wahl. Das wahre Ausnahmestück ist aber definitiv das abschließende, fast 7-minütige Epos Windy Chill, dass einem die kleinen Härchen auf den Armen zu Berge stehen lässt und einen durchgehend zu fesseln vermag. Ich ziehe vor Bewunderungen meinen Hut.

Die Produktion sitzt wie angegossen, lässt den Gitarren an den richtigen Stellen Raum zur Entfaltung, kommt aber keinesfalls mager, sondern durchaus druckvoll daher. Gäbe es da nicht einige Unfokussiertheiten im Songwriting und damit Songs, die nur das Prädikat „solide“ verdienen, mir bliebe kaum etwas zu kritisieren übrig. So findet sich aber zwischen den strahlenden Glanzlichtern auf Liminality letztendlich doch die eine oder andere 50 Watt Energiesparlampe wieder. This April Scenery haben hiermit aber defintiv eine der, in letzter Zeit, kreativsten und fesselndsten Post-Hardcore Platten aus Deutschland fabriziert und erwecken so die Begierde nach mehr.

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Tracklist

01. Mallory Bloom
02. Shifty Eyes
03. Levitation Pt. 1
04. Levitation Pt. 2
05. Modern Hustle
06. Myriad Of Future Plans
07. Caught In Mediocrity
08. Euclid Avenue
09. Melting Thoughts
10. Windy Chill

VÖ: 15.04.2016, via Midsummer Records

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Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.