THE BOXER REBELLION: Schäumende Wogen
Selbst das schönste Fleckchen Erde bleibt vor heftigen Wolkeneinbrüchen nicht verschont. The Boxer Rebellion haben sich für die Aufnahmen zu „Ocean By Ocean“ einen Tapetenwechsel gegönnt und statt im verregneten Großbritannien das Album im sonnigen Los Angeles aufgenommen. Der Einfluss dieser Golden State-Metropole, der macht sich nicht nur beim farbenfrohen Coverartwork bemerkbar. Trotz allem beherbergen die schönsten Augenblicke weiterhin auch Schwermut und Trübsinn.
Soziale Konditionierung heißt der psychologische Fachbegriff, wenn die Umgebung einen starken Einfluss aus uns ausübt. Der düstere Ton ist beim Quartett aus London (Sänger Nathan Nicholson stammt einzig aus den USA) einem optimistischeren Klangbild gewichen. Ob es am Neuzugang Andrew Smith liegt, der Langzeit-Gitarrist Todd Howe ersetzt? Die Mauern der Verzweiflung wurden jedenfalls aufgebrochen. Stattdessen sorgen Aloha-Hemden, ein Tropic-Flair und Art Deco-Elemente für Wohlwollen.
Es sind fließende Übergänge, die den Postpunk/Shoegaze/Dreampop-Sound der Band auf ihrem fünften Album auszeichnen. Den schmale Grat zwischen Hoffnung und Verzweiflung bespielen sie gekonnt. Die mit Hawaii-Einschlag versetzte Leadsingle „Big Ideas“ zeigt, dass Ohrwurmqualitäten längst nicht mehr hinter heftigen Gitarrenfeedbacks versteckt werden und ein lässig croonender Opener wie „Weapon“ sorgt dafür, dass man Vorbehalte nach anfänglicher Skepsis doch niederstreckt. Die ersten zwei, drei Durchläufe mögen vielleicht leicht enttäuschend sein, die nachfolgenden Durchläufe lassen die Platte jedoch zu imposanter Größe heranwachsen.
„Ocean By Ocean“ wechselt mit fabelhaften, von Synthie geprägten Songs wie dem dynamischen Falsett-Stampfer „Firework“, dem melancholischen „Let’s Disappear“ oder dem treibend poppigen „Redemption“ mühelos zwischen Ratlosigkeit und Zuversicht, Kümmernis und Eifer. Episch, getragen und geradezu elegisch ist „The Fog I Was Lost In“ geraten und „Keep Me Close“ spielt mit einer düsteren Ambient-Elektronik, der sich auch Placebo bedienen. Sänger Nathan Nicholson schildert textlich, was einen gedanklich wie emotional auf Trab zu halten vermag. „You said you have a choice To feel happy or sad; I choose to be happy so why do I feel so bad“, heißt es bedeutungsschwanger in „Let It Go“. Dieses Hinstürzen und Wiederaufrappeln kommt einem nur allzu bekannt vor. Immer entgleist etwas oder läuft aus dem Ruder.
Nach knapp 40 Minuten spürt man die feuchtwarme Luft wie nach einem Regenguss und die diesige Salzluft am Strand, während man majestätische Wolkenformationen am blauen Himmel bestaunt. Die Wogen, „Ocean By Ocean“ glättet sie.
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The Boxer Rebellion im subtext.at-Interview
„Promises“-Rezension auf subtext.at
theboxerrebellion.com