STRAY FEST III: ganz viel Herzblut für den guten Zweck
Simbach am Inn wurde erst kürzlich vom Hochwasser regelrecht verwüstet. Fährt man von Braunau aus über die Innbrücke in das bayrische Nachbarstädtchen, sind die immensen Schäden unübersehbar. Viele Menschen haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Wie gut, dass es eine kleine Gruppe von engagierten Menschen gibt, die mit dem Stray Fest seit 3 Jahren ein Festival organisiert, dessen Erlös jedes Mal aufs neue einem anderen, wohltätigen Zweck zu Gute kommt. Dieses Mal eben den Opfern der Flutkatastrophe. Noch dazu wurde man beim, dieses Jahr auf einen Tag verkürztem Festival mit großartigen Bands aus Hardcore, Punk und Rock geradezu erschlagen.
Schauplatz des diesjährigen Festivals war erneut das Haus der Jugend in Simbach. Internationale Acts in DIY-Jugendzentrum-Athmosphäre – das kann schon was! Insgesamt 12 Bands aus den USA, Italien, Belgien, Deutschland, der Schweiz und Österreich teilten sich an diesem Abend die Bühne. Und das für gerade einmal 10 bis 12 Euro (!!!) Eintrittspreis – eigentlich unfassbar! Verköstigt wurde man dabei dann auch noch mit leckeren, veganen Bürgern, Chili, Cupcakes und vielem mehr, zu absolut fairen Preisen. Dazu gab es eigene Visuals für jeden Act, die per Beamer an die Wand hinter der Bühne projeziert wurden, um für stimmiges Ambiente zu sorgen. Für die Moshpit-Enthusiasten wurden rutschfeste Filzmatten auf den Fliesenboden geklebt, um so Unfälle in der „Pitzone“ zu vermeiden. Daran muss man auch erstmal denken.
Kommen wir zu den Konzerten. Davon gab es nämlich eine ganze Menge. Den Anfang machte die Salzburger Emo-Band Floralane, die kurzfristig für Orphan einspragen, deren Gitarrist derzeit leider an einem gebrochenem Arm laboriert. Kein Problem – passte die Band doch hervorragend in das „ruhigere“ Nachmittagsprogramm. Zweifellos eine der spannendsten, neuen Bands, die mir in letzter Zeit zu Ohren gekommen ist. Ihre großartige, im Mai erschiene Demo kann übrigens hier gratis heruntergeladen werden. Mit Burke ging es dann pop-punkig weiter. Diese Band darf sich durchaus das Prädikat „tanzbar“ anheften, schielt doch der eine oder andere Song gehörig in Richtung Indie-Rock. Sogar mit einem kurzen Trompeten-Intermezzo konnten die Bayern aufwarten. Das Nürnberger Trio No Fun gab danach herrlichen schrammeligen Punkrock, frisch aus der Garage zum Besten. Akrobatische Sprungeinlagen und ein Song über Pizza durften dabei natürlich nicht fehlen. Man musste dabei fast zwangsweise fröhlich mit dem Kopf im Takt hin und her wackeln. So viel Spielfreude ist ansteckend!
Behind The Mask, die Locals aus Braunau, machten ihre krankheitsbedingte Absage vom letzten Jahr wieder gut und brachten zur Freude aller Breakdown-Enthusiasten erstmals die Härte ins Spiel. So wirklich überspringen wollte der Funke aber leider noch nicht, da eine Vielzahl der Anwesenden es vorzog, mit Burger und Bier draußen in der Sonne abzuhängen. Kein Vorwurf aber. Denn bei einem so dicht gedrängtem Line-up und sehr kurz gehaltenen Umbaupausen von ca. 15 Minuten, blieb zwischen den Bands nicht viel Zeit zum Verschnaufen. Ein ähnliches Bild bot sich dann auch bei der Wiener „Stoner Hardcore“ Band Tigerwizard, die sich aber von nichts beirren ließen und gewohnt lässig ihr Ding durchzogen. Groovend, druckvoll, dreckig und böse bahnen sich die Songs ihrer aktuellen Platte „Born To Die“ auch live zielstrebig ihren Weg. Danach gab es ein Schweizer-Doppelpack Cold Reading, mit ihrer bewegenden Mischung aus Emo und Post-Rock und die Punk-Energiebündel Überyou, die mit Tempo, Spielwitz und der markanten Reibeisenstimme ihres Sängers auftrumpfen konnten. Auch mit den übrigen anwesenden Bands wurde die Gelegenheit zum Scherzen genutzt. Wer denn etwa die weiter Strecke am morgigen Tag vor sich hätte, wurde herumgefragt. Irgendwie hatte das Ganze schon etwas wie Klassentreffen-Charakter. Viele der auftretenden Bands waren, oder sind gemeinsam auf Tour. Man kennt und schätzt sich einfach.
Um einiges voller als bei allen Bands davor und danach – folglich kann man wohl von den Headlinern des Abends sprechen – wurde es dann bei Slander, sowie im Anschluss bei Such Gold. Erste brachten ihren thrashigen „Venezia Hardcore“ in das bayrische Städtchen und legten einen fulminanten Auftritt hin. Erstmals kam etwas Bewegung in den Moshpit und sich das Mikro des Sängers geschnappt, um die eine oder andere Textzeile mitzubrüllen, was dieser auch gerne mal mit einer Kostprobe von seiner Flasche Jägermeister goutierte. Sogar erste Circle Pit Anläufe waren zu sehen. Ein Motivationslevel, welches die US-Pop-Punk Band Such Gold mühelos halten konnten. Hier wird kein mit drei Akkorden hinterlegter Bubblegum-Punk geboten, sondern durchaus technisch anspruchsvolle Riffs und ein Sänger, der sich jeden Abend die Seele aus dem Leib brüllt, ohne dass dabei die Eingängigkeit abhanden käme. Und trotz der doch etwas lichten Reihen direkt vor der Bühne, klappten auch die Stagedives, durch entsprechendes Teamwork, letztendlich noch recht gut. Die jeweiligen Tour-Kollegen Ashes (aus Belgien), die nochmal brachialen Hardcore auffuhren und The Static Age (USA) hatten die äußerst undankbare Aufgabe, danach auf die Bühne zu müssen. Viele zog es nämlich zum „ausdünsten“ wieder nach draußen. Tatsächlich wirkten The Static Age gar etwas geknickt, bedankten sich aber gleichzeitig bei allen Anwesenden, dass man sie bei einem „Hardcore Festival“ mit ihrem Alternative Rock (der mich etwas an die jüngeren Veröffentlichungen von Thrice und Manchester Orchestra erinnerte), spielen ließ. Beschließen durfte den Abend mit Resonant Of Mind eine lokale Post-Hardcore bzw. Metalcore Band. Auch an dieser Stelle – schade, dass die Luft beim Publikum zum Schluss einfach schon ziemlich draußen war. Denn auch sie hätten sich definitiv mehr Zuspruch verdient gehabt.
So bleibt es aber dabei – das Stray Fest war gesamt gesehen ein wirklich gelungener, musikalischer Tag. Tolles Line-Up, viel Hingabe und Liebe zum Detail, freundschaftliche Atmosphäre, leckeres Essen und verdammt faire Preise. Noch dazu konnten über 700 € an Spenden gesammelt werden, welche nun den Flutopfern in Simbach zugutekommen werden. Für das nächste Jahr wünschen wir uns aber noch mehr Zuschauer, so wie es sich eine Veranstaltung wie diese verdient hätte und dafür wieder ein etwas abgespecktes Line-Up, oder gar wieder einen zweiten Festivaltag. Ansonsten bleibt nur zu sagen…
…see you at Stray Fest IV!
Fotos: Andreas Wörister | Slih’s Photography