dicht & ergreifend: Provinzrapper, aber nicht provinziell!
Im strömenden Regen abgelegen im Nirgendwo haben uns dicht & ergreifend so einige Nette Geschichten erzähl. Ein Gespräch über ihre Erfahrungen mit österreichischem Publikum, Nazi-Burgen – und auch das Geheimnis von „Der Mann aus Standford“ wurde gelüftet.
subtext.at: „Dampf der Giganten“. Normalerweise vermeide ich es, nach Namen und Titel zu fragen, aber dieser ist schon sehr speziell. Was hat es damit auf sich?
Urquell: Ich mach die Lyrics. Wir hatten eine Latte an Möglichkeiten – und haben uns dann den witzigsten ausgesucht. Aber wir haben echt eine lange Liste mit vielen Vorschlägen gehabt. Aber der ist es dann geworden. Einstimmig glaub ich.
DJ Spliff: Ja, aber warum ist er es geworden?
Urquell: Naja eigentlich wegen dem Dampfplaudern im Allgemeinen. Und „Kampf der Giganten ist sehr weit verbreitet“ – wo kommt das eigentlich her?
(Diskussion woher der Begriff kommt. Film? Mythologie? Googeln warin dem Moment leider nicht möglich, ohne Handyempfang)
subtext.at: Mundartrap finde ich persönlich extrem cool. Was verleitet euch zu solchen Texten?
Urquell: Kannst du da als DJ nichts sagen?
DJ Spliff: Nein, da kann ich nichts dazu beitragen (lacht).
Urquell: Zufall kann man es nicht nennen, es gibt ja meiner Meinung nach keine Zufälle. Mein Bruder hat mir irgendwann einen Beat geschickt. den er produziert hat. und da hab ich dann einfach drauf los geschrieben. Den Text hab ich dann kurz drauf auch schon wieder vergessen gehabt. Ich hab davor nie auf Bayrisch geschrieben. Ein halbes Jahr später, beim Spielen, fällt mir der Text wieder ein, und ich dachte mir, ob es ein Freestyle in meinem Kopf sei. Dann wurde mir bewusst, woher der Text stammt – und so kam es zu dem Soloprojekt „Zipfeschwinga“. Bevor wir des Video gemacht haben, haben wir auch zwei andere Songs gemacht. Aber auf Hochdeutsch, was jeweils Geschenke für einen guten Freund waren, zur Hochzeit und zur Taufe. So hat das Ganze begonnen.
subtext.at: Das ist dann sozusagen eure Bandgeschichte.
Urquell: Ja. Wir wollten eigentlich auch kein Album machen. In dem Video steht auch zum Schluss in Schwarz, dass irgendwann vielleicht einmal eine EP kommt mit dem Titel „Ein Mann in Standford“. Die Welle ist dann immer größer geworden – und irgendwann hat sie tsunamiartige Auswüchse bekommen, dass wir dann in der Pflicht waren, ein Album zu machen.
DJ Spliff: Ich glaube, das war keine Frage, ob es auf Hochdeutsch sein soll oder nicht, sondern ist einfach passiert. Der erste Track war auf Bayrisch, die anderen werden auch auf Bayrisch sein.
Urquell: Es hätte auch keinen Sinn gemacht auf Hochdeutsch.
subtex.at: Ihr fühlt euch im Bayrischen einfach wohler?
Urquell: Wir sind ja von dort, da sind wir von Vorhinein schon Bayrisch imprägniert. Da hat man natürlich einen besseren Zugang. Es ist wie ein eigener Kosmos, in dem man sich sehr gut auskennt. Deutsch ist für uns so gesehen doch eine andere Sprache. Sie ist zwar allgegenwärtig, aber doch fremd. Wenn du so sprichst, wie auch deine Mutter spricht, hat das in Bayern doch eine höhere Wertigkeit.
DJ Spliff: Es fällt einem auch einfacher, in der Muttersprache Texte zu schreiben. Ich kenn das von anderen bayrischen Rappern, die es zu Beginn auf Hochdeutsch versucht haben, aber dann umgestiegen sind. Weil sie bemerkt haben, dass es für sie so einfacher ist, die richtigen Wörter zu finden. Jetzt nehme ich mal an, dass es bei D&E auch so ist.
Urquell: Naja, mich nervt es manchmal sogar. Eben wenn ich von der bayrischen Seele Spreche, spreche ich auch von der bayrischen Identität. Wenn man dann Themen ansprechen möchte,, die uns gegen den Strich gehen, dann hat man automatisch immer so einen Heimattouch. Jeder rappt über seine Hood, woher er kommt, dass ist in Berlin nicht anderes als wie in Frankfurt oder Geiselhöring. Und das ist etwas was mich nervt, dass wir thematisch immer so dieses Heimatbild vermitteln. Es ist auch so, dass, wenn unsere Tracks auf Hochdeutsch wären, sie überhaupt nicht funktionieren würden. Da ist das Gefühl nicht da. Es würde außerhalb von Bayern und Österreich niemanden ansprechen.
DJ Spliff: Ich versuch gerade eure Texte im Kopf auf Hochdeutsch zu übersetzten (lacht).
Urquell: Die gibt’s sogar auf Hochdeutsch. Und zwar in unserem Album, im Booklet gibt es eine komplette Übersetzung auf Hochdeutsch. Da heißt der Zipfeschwinga „Phallushelikopter“.
(Urquell rappt eine Passage aus dem Booklet – hat etwas Minnengesangähnliches )
subtext.at: Gab es dann die EP, welche ihr im Video angekündigt habt?
Urquell: Nein.
DJ Spliff: Da sieht man wieder …
Urquell: Wie fremdbestimmt unser Leben ist ?
DJ Spliff: Nein. Dass wir nicht weiter als das Video geplant haben. Ein Video – und wer weiß, was danach passiert? Es hat damals nur diesen einen Song gegeben und viele Veranstalter haben angefragt und wollten, dass wir bei ihnen Spielen. Dann war unsere Ansage halt: „Naja wir haben erst einen Song“. Dann haben wir noch zwei Songs nachgelegt.
Urquell: Das war Wahnsinn. Die haben wir echt schnell, schnell gemacht, weil unser erster Gig schon bevorstand. In einer Diskothek, die mittlerweile abgebrannt ist, in Aschach. Da haben wir dann die zwei Tracks zusammengebastelt. Jetzt sind die beiden Nummern („Meier und Wimmer“, „Forever Youngg’seY“) die markantesten Sachen, die am Album sind.
DJ Spliff: Für Spotify gibt es doch eine EP. Weil da gibt es ja nur ein paar Songs. Die hättest dann eigentlich so nennen können.
subtext.at: Vielleicht kommt ja noch eine EP mit diesem Titel?
Urquell: Naja, eine EP… wenn, dann gescheit, und gleich ein Album. EPs, sind nett wenn man anfängt, um einmal vorzufühlen, aber wenn man was nachlegt, soll es meiner Meinung nach schon ein Album sein.
subtext.at: Stichwort Provinzgangster. Wie steht ihr zu dieser Beschreibung eurer Band/Musik?
Urquell: Es gibt so Dinge, die sich einschleichen und die einen aufregen können. Aber mir ist es ziemlich egal. Genauso wie es ein verf*** scheiß Redakteur sich einmal überlegt hat, dass wir „Bazirapper“ sind (Anm: Bazi= Lausbub). Das ist ein Jargon, den wir selber nie benützen würden, weil er von der Art Provinz kommt, von der wir uns lossagen wollen.
DJ Spliff: Provinzrapper, das ist ja Tatsache. Wir kommen aus der Provinz.
Urquell: Ja. Aber wir sind nicht provinziell. Teilweise sind wir textlich schon auch unter der Gürtellinie. Aber eher auf lustig – wir sind nicht so die Typen, die Songs übers Saufen schreiben. Das schwingt leider etwas mit, weil wir blöderweise das Video am Volksfest gedreht haben. Wer auf die Lyrics hört, der weiß auch was Sache ist. Bilder verführen.
subtext.at: Stichwort Debütalbum. Wenn einer fern der Zivilisation lebt, wie würdet ihr ihm eure Musik beschreiben?
DJ Spliff: Schubladen finde ich immer scheiße.
Urquell: Ja, das ist eben das Schöne, dass wir nicht wirklich in eine reinpassen.
Philipp: Ich möchte da kurz einhaken. Ich hab D&E erst später kennen gelernt. Ich glaub D&E ist eine Band, die jedem gefallen könnte. Für jene, die einen hohen Anspruch auf Lyrics haben, für jene, die fette Beats brauchen, und für Leute, die auf Hip-Hop stehen. Es ist eine Partymucke.
subtext.at: Ist es euch schon mal passiert, dass ihr gebucht worden seid und voller Partystimmung auf die Bühne gegangen seid – und dann keine Leute da waren?
Urquell: Keine Leute… ich kann mich nur einmal daran erinnern, wo wir voll in Partystimmung waren und dann eine volle Dose auf uns geflogen ist. Das war leider in Österreich, im Ort im Innkreis. Die Leute dort waren so dicht. Das hat mir die Stimmung ziemlich vermiest, vor allem weil die Dose knapp beim Kopf eines Bandkollegen vorbeigeflogen ist. Damals hatte ich noch wenig Erfahrung, heute würde ich anders handeln, weil doch 40 – 50 Konzerte dazwischen liegen. Aber das würde ich heute anders wegstecken. Damals war dann Feierabend, ich war so angepisst und man hat es mir sofort angekannt.
DJ Spliff: Um nochmal auf die Frage zurück zu kommen, wo keine Leute da waren…
Philipp: Es gibt keine leeren Konzerte bei euch.
DJ Spliff: Doch, damals auf so einer Burg…
Urquell: Ah, du meinst die Naziburg. Weil wenn du sie von der Vogelperspektive beobachtest, schaut sie aus wie ein Hakenkreuz. Die haben extra einen Gebäudetrakt eliminiert, damit das Gebäude nicht mehr diese Symbolkraft hat. Das war ein wirklich lächerlicher Gig. Wir haben zwar mit den 15 Leuten, die da waren, Party gemacht…
Philipp: Also, ich kenn keines. Die meisten sind ausverkauft. Und die Leute gehen ab.
Urquell: Kiev war auch Hammer. Da spielst vor 1.200 musikhungrigen Menschen, die kein Wort verstehen, und reißt den Laden ab. Und nach dem Konzert kommst du zurück in den Backstage und Kraftklub gibt einem Standing-Ovations. Das war einer der coolsten Momente. Dazwischen immer auf Englisch moderieren. Und wir haben da eine Energie ins Publikum geschickt – und das ohne Tuba. Das war echt der geilste Scheiß. Nichts gegen die Releaseshow. Wir sind auch im Gespräch, wieder runter zu fliegen.
subtext.at: Abschließend, was braucht ihr, um im hohen Altern im Musikbusiness noch aktiv zu sein?
DJ Spliff: Was ist denn hohes Alter?
subtext.at: so 70 – 80 Jahre.
DJ Spliff: Woa, cool. Ich bin nämlich schon über 30, und dachte, das wäre schon hohes Alter. Immer noch Bock! Und wenn ich mit dem Alter immer noch Bock habe, dann steh ich trotz Arthritis und Co auf der Bühne. Ich möchte das solange machen, bis ich nicht mehr gehen und stehen kann. Gesundheit und Freude sind meine Dinge, die ich dafür brauche.
Urquell: Genau das war der Real-Talk. Und da Dampf ist, dass wir solange spielen, bis wir einen Hit haben damit wir irgendwann auch an eine Rente denken können. Weil sonst gehen wir irgendwann in Rente – und müssen immer noch arbeiten, um überleben zu können.
DJ Spliff: Aber Drogen oder so brauchen wir nicht.
Mehr Information über die Band findest du
Am 5.10.2016 spielen die Jungs im Posthof Linz
Photos: Katharina Maslowski