APOLOGIES, I HAVE NONE: Pharmacie
Die Winterdepression kommt heuer früher! Geschlagene vier Jahre ist es her, dass die britische Indie-Punk Band ihr viel umjubeltes Debütalbum „London“ veröffentlicht haben. Seitdem ist einiges Wasser die Themse hinunter geflossen. Zwei Bandmitglieder – darunter Co-Songwriter und Zweitstimme & Gitarrist Dan Bond – haben sich mittlerweile verabschiedet. Was folgte, war eine musikalische Neuausrichtung, die mit der EP „Black Everything“ vor zwei Jahren ihren Anfang nahm und nun auf „Pharmacie“ vollständig in schwermütiger Postrock-Grandezza aufgegangen ist.
Es waren gewiss keine leichten Jahre für Band-Chef Josh McKenzie und seine Mitstreiter Joe Watson (Drums), Simon Small (Gitarre) und James Hull (Bass). Die Band musste neu zusammenfinden, war dennoch im Grunde ununterbrochen auf Tour unterwegs und tüftelte im Hintergrund am neuen Sound. Der Gedanke, in eine klanglich düsterere Richtung zu gehen war laut McKenzie schon kurz nach der Veröffentlichung von „London“ gekommen. Der Wandel war schon vor zwei Jahren schwer zu übersehen. Die EP „Black Everything“ und das, als Split Single mit Luca Brasi veröffentlichte „Wraith“ erschlug einen fast mit ihrer drückenden Schwere. Neben besagtem „Wraith“ findet sich mit „The Clarity Of Morning“ auch ein Stück von der EP wieder auf dem Album. Beide wurden dazu neu aufgenommen.
„Love & Medication“ schlägt zu Beginn noch die mit Abstand optimistischsten Töne an. Dezente Klaviertöne und ein markanter Bass treiben die Band näher zum Stadionrock als je zuvor. Für die alte Hörerschaft ist es ein sanfter Einstieg in den neuen Sound. Die dunklen Wolken am Horizont beginnen aber schon bald, sich bedrohlich zu verdichten und zu nähern. Die Texte des Albums sind direkt, ungeschönt und teilweise von brutaler Ehrlichkeit. „If you mention suicide again I swear I’ll kill you myself“ heißt es da etwa in „Wraith“. Starker Tobak! Persönliches vermischt sich im Verlauf der zehn Songs mit aus dem Leben gegriffenen Beobachtungen und teilweise auch mit Fiktion. Die erschlagende Thematik rund um Depression, Angst und Selbstzweifel lässt aber trotzdem auch immer wieder kleine Lichtblicke zu, wie etwa in der betörend schönen, aber unaufgesetzt wirkenden Ballade „Crooked Teeth“, oder im verhältnismäßig fast schon euphorischen „It’s Never The Words You Say“. Tröstende Worte bleiben aber dennoch eine Seltenheit. McKenzie setzt sich mit Persönlichkeitsstörungen auseinander und zitiert dabei literarische Werke wie „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ und „American Psycho“ während die Band ihre Zuhörer sich mal in einem Meer aus Gitarrenklängen und ausschweifenden Kompositionen verlieren lässt und dann wie in der Single „Everybody Wants To Talk About Mental Health“ wieder härtere Töne anschlagen. Apologies, I Have None sind ihrem Sound entwachsen.
Besonders deutlich wird dies im abschließenden Doppel „Killers“ und „A Pharmacy In Paris“. Beide distanzieren sich nicht nur aufgrund ihrer epochalen Länge vom Material auf London, sie vollziehen auch endgültig den zunächst nur angedeuteten Wandel hin zu Post-Rock und Shoegaze. Während die übrigen Songs klassischer strukturiert und nachwievor von vielen eingängigen Momenten geprägt sind, beginnt hier sich alles aufzulösen während der Frontmann über den Abgründen des Verstandes vor sich hin meditiert. „Pharmacie“ ist definitiv eines der schonungslosesten Alben des Jahres. Eines, dass viele alte Fans vor den Kopf stoßen wird und einen den Zugang nicht gerade einfach gestaltet. Lässt man es aber zu, so findet man hier eine knappe Dreiviertelstunde packende Musik, die einen auf eine emotionale Reise ohne Wiederkehr mitnimmt.
„You could take my hand and feel my flesh gripping yours,
but I simply am not there.“
Tracklist
01. Love & Medication
02. Wraith
03. The Clarity Of Morning
04. Anything Chemical
05. Goodbye, Peace Of Mind
06. Crooked Teeth
07. Everybody Wants To Talk About Mental Health
08. It’s Never The Words You Say
09. Killers
10. A Pharmacy In Paris
VÖ: 26.08.2016 via Uncle M Music
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www.apologiesihavenone.co.uk
apologiesihavenone.bandcamp.com
uncle-m.com