NICK CAVE & THE BAD SEEDS: Qui vive

Dass die Dunkelheit sein wirkliches Zuhause ist, wusste man schon vorher. „Skeleton Tree“, das sechzehnte Album von Nick Cave & The Bad Seeds, unterstreicht diese These und legt tief sitzende Immersionen von schmerzlicher Ehrlichkeit frei. Bei der Veröffentlichung waren Fachpresse und Fans gleichermaßen überfordert. Der 59-Jährige Australier mimt nicht nur den kraftvoll-leidenden Lazarus mit jeder Faser seines Körpers , er ist es.

Distanz und Nähe. Leben und Tod. Freude und Trauer. Zwei Waagschalen, immer gleich. Arthur Cave verunglückte am 14. Juli 2015 mit gerade einmal 15 Jahren tödlich. Trauer kann man nicht beenden oder abschließen. Trauer überschattet alles. Jeden Aspekt des Lebens der Hinterbliebenen. Ganz wegbekommen wirst du sie nie. Das Leid auf den Schultern zu tragen ermüdet. „Skeleton Tree“ zeugt davon. Dieser Baum muss an einem Ort gedeihen, wo die Sonne nie scheint. Eine Kontemplation von einer gespenstischen, jenseitigen Qualität. Diese acht Songs dringen in tiefe Schichten der Verletzungen. Es sind leidende Mantras, die sich elegant und doch taumelnd nach vorne schleppen, die hypnotisieren, bewegen, einen auch regelrecht hinunterziehen. Es ist ein Nichteinverstandensein mit bestehenden Verhältnissen. Zu rütteln gibt es an ihnen nichts.

Cover

Alle, wirklich alle inneren Kämpfe trägt Cave nach außen und gräbt die intimen Schichten seiner Psyche aus. Tiefschürfendes. Keine Selbstverständlichkeit. Keine leichte Kost, aber voller Magie. Es schmerzt und drängt und will eben hinaus. Seine Worte werden von sparsam eingesetzten Elektronikflächen sekundiert, aus dem Hintergrund erheben sich Klagelaute und die Geigenklänge von Mitstreiter Waren Ellis. Ein tiefer Ton, der jeden Song grundiert. Schwer und mit großem Bedacht tropfen die Klänge. Das Ganze strotzt nur so vor Schwermut. Ein Chor gefallener Engel schaut herab. Die Realität erstickt alles Positive.

Dieser Mann stirbt jeden Tag aufs Neue. Das ist Musik, die sich im Unterbewusstsein offenbart. Mehr als der Klang eines Sturms im Wasserglas. Eine authentische Emotionalisierung. „Skeleton Tree“ hat das Zeug dazu, einen bis in den Schlaf zu verfolgen. Die Frage, die am Ende wie ein Damoklesschwert über allem thront, ist: Ist es nun selbstgefällig, diese familiäre Situation unaufgefordert zu analysieren, zu betrachten, zu bewerten?

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