BÜLENT CEYLAN: „Mein Humor ist frech, aber nicht beleidigend“

Ein Gejammer auf humorvollem Niveau präsentiert der deutsche-türkische Comedian Bülent Ceylan mit „Kronk“ 2017 live auch auf österreichischen Bühnen. Krank oder eben „Kronk“, wie es in Mannheim Usus ist, beschreibt die Welt, in der wir uns gerade befinden und uns eine Schreckensmeldung nach der anderen ereilt. „Kronk“ ist ein Programm mit Haltung und Message und mit hoffentlich heilender Wirkung. Ein heiteres Placebo, wenn man so will.

Als Arzt in spe untersucht der 40-Jährige aktuelle gesellschaftskritische Vorkommnisse, fachgerecht und pointiert, die von Politik, dem Zwischenmenschlichen und mangelnder Nächstenliebe bis hin zu Themen wie Intoleranz und Social Media reichen, und führt sie amüsant und quietschfidel ad absurdum. Lachen ist schließlich nach wie vor die beste Medizin. Ein Interview mit Bülent Ceylan über Humor, Stereotypen und künstlerische Freiheiten.

subtext.at: Bülent, sagt dir der Begriff Präsentismus etwas?
Bülent Ceylan: Nein, sagt mir gar nichts. Noch nicht (lächelt).

subtext.at: Präsentismus beschreibt das Verhalten, wenn Beschäftigte sich trotz Krankheit zur Arbeit schleppen – auch wenn sie gar nicht leistungsfähig und sehr ansteckend sind.
Bülent Ceylan: Verstehe.

subtext.at: Hast du jemals einen Auftritt aufgrund einer Erkrankung abgesagt?
Bülent Ceylan: Nein, noch nie. Da muss schon etwas Schlimmes passieren. (überlegt kurz) Ich stand neulich ohne Stimme auf der Bühne. Selbst das Kieksen der Anneliese ging nicht. Habe mir dann Schilder angefertigt mit Begriffen und diese dann hochgehalten (lacht). Fanden die Leute gut. Ich sage einen Auftritt erst ab, wenn ich wirklich nicht mehr stehen kann. (überlegt) Als mein Vater gestorben ist, habe ich aber alle Termine für drei Wochen absagen lassen.

subtext.at: Das ist natürlich verständlich.
Bülent Ceylan: Das hat mir keiner übel genommen. Es hat jeder verstanden, alle konnten es nachvollziehen.

subtext.at: Im ersten Halbjahr 2016 haben sich in Deutschland laut Studie mehr Menschen krankschreiben lassen als je zuvor. Mehr als jeder Dritte fehlte in diesem Jahr bereits bei der Arbeit. Ein neuer Höchststand. Zielt dein neues Bühnenprogramm „KRONK“ etwa darauf ab?
Bülent Ceylan: Mein Bühnenprogramm bezieht sich auf die kranke Welt, in der wir leben. Es geht um alle möglichen krankhaften Auswüchse, von Intoleranz und mangelnder Nächstenliebe zu Facebookwahn und Shoppingwahn. Ich wurde in Interviews auch schon gefragt, ob ich Türke oder Flüchtling sei. Ich sage dann: „Mannheimer, du Babbelfred.“ Ich hätte auch nie gedacht, dass mal ein Komiker Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika werden kann. Forrest Trump (lacht). Ich habe mir aber schon überlegt, ob ich die Tickets für meine Tour bei der Krankenkasse geben soll (lacht).

subtext.at: Wir leben in einer Zeit, in der man nicht mehr viel erklären muss, weil jeder sich sofort Informationen beschaffen kann. Muss das Programm deswegen so aktuell wie möglich gestaltet sein, am Puls der Zeit?
Bülent Ceylan: Ich habe mir schon meine Gedanken gemacht, ob die Leute bei diesem Programm mitgehen werden – und sie sind mitgegangen. Heutzutage wird auch alles schlecht gemacht. Das muss doch nicht sein. Warum nicht mal das Positive herausheben? Das wird meist vergessen und unter den Tisch gekehrt. Ist leider so. Natürlich gibt es auch gute Sachen auf der Welt, die passieren. Eine schlechte Tat kann doch nicht alles zugrunde richten, was davor war. Man sollte erst mal vor seiner eigenen Haustür kehren, bevor man über andere herzieht.

subtext.at: Welche Freiheiten nimmst du dir bei „KRONK“ heraus, die du dir davor nicht herausgenommen hast?
Bülent Ceylan: Dieses Programm ist nicht politisch, aber politischer als sonst. Manche fanden das komisch.

subtext.at: Das scheint von außen sehr einfach, aber wie schwierig ist es, ein neues Programm zu kreieren und sich selbst treu zu bleiben?
Bülent Ceylan: Ich habe schon noch das Gefühl, dass ich mir selbst treu geblieben bin.

subtext.at: Was dich tagsüber beschäftigt, setzt du abends au der Bühne um. Kann man das so sagen?
Bülent Ceylan: Ich möchte jedenfalls Liebe transportieren. Nächstenliebe. Ich möchte den Leuten etwas mit auf den Weg geben. Natürlich bin ich in erster Linie ein Entertainer, ein Unterhalter, der die Leute zum Lachen bringen möchte. Wenn sie dann noch über das ein oder andere Thema nachdenken, ist das doch eine wunderbare Sache. Ich liebe mein Publikum und ich möchte ihnen etwas zurückgeben. Es kommt auch vor, dass ich mal länger spiele als geplant. Da passe ich mich einfach an die jeweilige Situation des Abends an.

subtext.at: Welche Haltung steckt hinter deinem Humor?
Bülent Ceylan: Als Comedian bin ich frech, eine Figur wie Mompfred sogar noch mehr. Wenn ich dich jedoch unsympathisch finde und du für mich ein Arsch bist, dann ist das eben so, dann bist du bei mir unten durch, da unterscheide ich nicht zwischen Bühnenfigur und Privatperson.

subtext.at: Sind stereotypische türkische Themen wie Integration, das Patriarchat oder die Unterdrückung der Frau in deiner Show noch zu finden?
Bülent Ceylan: Natürlich. Ich möchte aber hier loswerden, dass ich Respekt vor Frauen habe, so bin so erzogen worden. Frauen soll man wertschätzen, haben schließlich lange genug für die Demokratie gekämpft. (überlegt) Wir sollten erst mal froh sein, dass wir in einem Land wie Deutschland oder auch Österreich leben können. Fünf Jahre für Pograbschen, dann macht es auch keiner mehr. Im Iran wird dafür einem die Hand abgehackt. Maßnahmen zur Abschreckung fände ich jedenfalls sinnvoll. Hier kriegt man ein, zwei Wochen einen Gefängnisaufenthalt oder jemand zahlt einem sogar die Kaution. Jemand wie Angela Merkel hat es auch nicht leicht. Politiker stehen immer immens unter Druck. Deswegen bin ich Comedian. Wie heißt nochmal eurer Rockstar-Politiker? Ja, Sebastian Kurz (lacht).

subtext.at: Wie wichtig ist das Timing bei Comedy?
Bülent Ceylan: Das Timing ist extrem wichtig. In Interviews achte ich, wie du siehst, nicht besonders drauf, da lasse ich einfach laufen (lacht). Es ist natürlich ein Ziel von mir, dass mir mein Publikum nicht einschläft. Man kann eine Pointe in die Länge ziehen, aber dann schlafen einem die Leute ein. Die Amerikaner können das besonders gut, die beherrschen das Timing prima, um wieder es Positives herauszugeben.

subtext.at: Humor, ob schwarz oder trocken, ironisch oder zynisch, witzig, spottend oder charmant, gilt bei der Partnersuche weiterhin als das wichtige Kriterium.
Bülent Ceylan: Krass, nicht?

subtext.at: Wie würdest du deinen mit eigenen Worten beschreiben?
Bülent Ceylan: (überlegt) Mein Humor ist frech, aber nicht beleidigend. Und hoffentlich vielseitig. Es ist immer schwierig, sich selbst zu beschreiben. Das können andere bestimmt besser als ich.

„Kronk“-Tour 2017 in Österreich:
26.01.2017, Graz, Stadthalle
27.01.2017, Wien, Stadthalle
28.01.2017, Linz, Tips Arena
29.01.2017, Salzburg, Salzburgarena

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Foto: Alexander Grüber

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