Going abroad: London

Man glaubt es kaum: aber auch subtext.at-Redakteure machen mal sowas wie Urlaub. In diesem Februar die wohl uninspirierste, aber auch immer wieder lohnenswerte Alternative: London. So ganz ohne Konzerte haben wirs aber dann doch nicht geschafft. Es folgt: ein kleiner Konzertbericht in drei Akten, drei Häusln und drei Bieren.

Keine Angst: es folgen weder Westminster Abbey, Tower of London, oder wie diese Grausligkeiten alle heißen, beschrieben. Es folgen aber auch nicht die „etablierten“ Londoner Venues, wie Koko, Roundhouse, Electric Ballroom oder dergleichen. Wir haben uns gedacht „wenn schon, denn schon!“ und haben uns Konzerte zu Gemüte geführt, die man in Österrreich wohl allesamt nicht so sehen kann.

Akt #1: Mark Peters & Bears in Trees @ The Fiddlers Elbow, Camden

Dienstagabend, saukalt isses draußen. Irgendwo in der Nähe von Chalk Farm findet sich ein kleiner Gem der Londoner Live-Musik. The Fiddlers Elbow heißt das Pub mit integrierter Bühne, wo gut 150 Leute drinnen Platz finden dürften. Der Schuppen selbst? In Österreich würde man wohl „eh leiwand“ dazu sagen. Alte Platten an der Wand, Tische, die auch schon ihre besseren Zeiten hinter sich haben. Dazu zwei mit Sicherheit Punk-Affine Kellner hinter der etwas zu klein geratenen Bar. Vorne auf der Bühne? Ein bekanntes Gesicht. Dass wir uns in Mark Peters‘ Musik verliebt haben, ist spätestens seit der Veröffentlichung von „Spirits“ (hier im Review) kein Geheimnis mehr. Der mittlerweile Wahlwiener und gebürtige Londoner präsentierte das Werk in Camden nicht nur erstmals in London, sondern auch mit österreichischer, oder besser gesagt Vorarlberger Unterstützung als Liveband. So richtig vom Hocker hat uns allerdings die Vorband gehauen. Nicht nur, weil Mark Peters‘ kleiner Bruder als Gitarrist von „Bears in Trees“ im Einsatz war. Nein, dafür, dass das allesamt Leute Anfang 20 sind, klingt das ganze ziemlich ausgereift. Auch von DEM britischen Aushängeschild gerade, Ed Sheeran, wird gecovert, dass die Bears in Trees’sche Version fast besser klingt als das Original. Physisch gibts bislang leider nix zu hören, aber wer auch nur ein bisschen auf britischen Alternative steht, wird hier richtiggehend weggeblasen. Sicher DAS Highlight.

Aber zum Wesentlichen: dem Bier. Das kam, oh Schreck!, aus Frankreich. Kronenbourg hieß es, um wohlfeile 4,70 pro Pint. Macht angenehm betrunken, in den richtigen Maß(ss)en genossen, ist aber insgesamt auch nur durchschnittlich. Größeres Problem eher: ihr wisst alle, was unweigerlich folgt – man muss auf das stille Örtchen. Nun, ich bin ja einiges gewohnt, was Toiletten betrifft, aber die Fiddler’s Elbow’sche Variante einer Nasszelle war dann doch ein einzigartiges Erlebnis. Stinkt wie nur was (und das sag ich als gelernter Krankenpfleger, der mit Ausscheidungen durchaus vertraut ist ;)), das Waschbecken auch nur zur Zierde, und wehe, ihr betätigt die Spülung – dann ist leider alles, nur nicht das Pissoir nass! Alles in allem aber ein lohnendes Konzert #1.

Akt #2: Ezra Furman, Rough Trade East

Eigentlich das „Unspannendste“ der drei Konzerte. Ha, gelogen! Denn Ezra Furman präsentierte sein aktuelles Album, „Transangelic Exodus“, in einer exklusiven In-Store-Show im Rough Trade East-Store in Shoreditch. Was heißt „exklusiv“ dabei? Gut 400 (!) Leute in einem Plattenladen (!!) mit integrierter Bühne (!!!). Kurzum: das Konzert war grandios. Ezra Furman muss man zwar auch bei der neuen Platte noch immer entweder lieben oder hassen, aber wir tendieren hier eindeutig zu ersterem. Bereits als die ersten Takte von „Suck the Blood from my Wound“ ertönen, glaubt man, dass die Regale im Plattenladen am nächsten Tag alle neu befüllt werden müssen. Wie es bei In-Store-Gigs aber so ist, wird Gott sei Dank das ganze Album durchgespielt. „Compulsive Liar“, „Love You So Bad“ und „I Lost My Innocence“ (to a boy named Vincent) als Abschluss stachen da aber allesamt hervor. Es ist die wohl ehrlichste Platte (und nein, die Floskel ist hier ehrlich gemeint), die Herr Furman bislang geschaffen hat. Er selber? Überwältigt ob des Zuspruches, den Tränen nahe, und Gott sei Dank noch motiviert, einige Klassiker als Zugabe zum Besten zu geben. Kommenden Samstag übrigens in der Wiener Arena zu sehen – bitte den Arsch hinbewegen, danke!

Zum Wesentlichen: das Bier irgendein britisches Lager, 4,50 das Pint. Fair, auch aufgrund Fakt Nummer #2: was ein Porzellangott! Sauber, Waschbecken und Spülung funktionierten wie vom Hersteller vorgesehen. So schön kann Erleichterung sein – da gönnte man sich gerne noch die eine oder andere Pint. Die Kamera blieb übrigens zu Hause – denn da waren die Herren im Rough Trade eher strict. Ob der Performance verschmerzbar.

Akt #3: Indie Cafe, Cafe 1001, Shoreditch

Zugegeben, wir waren an diesem Freitag noch etwas angeschlagen von der Furman’schen Performance – aber wenn schon ein (anscheinend) Indie-Konzert gegenüber vom Apartment stattfindet, warum nicht? Wären wir doch besser mal daheim geblieben, denn was ich dort zu sehen bekam, habe ich in zehn Jahren subtext-Konzertreviewen so noch nie gesehen. Den Anfang von insgesamt vier Bands machte nämlich eine Singer/Songwriterin, die auf den klingenden Namen „Jade Praize“ hörte. Wobei, ich sollte vorher noch etwas zum Setting sagen. Der Konzertsaal in diesem „Cafe“ fasste nämlich voll sicher gut und gerne 500 Leute. An diesem Abend hatten sich aber insgesamt gut 20 eingefunden, die allesamt auf Sofas, die um die zehn Meter von der gut fünf Quadratmeter großen Bühne entfernt standen. Das ganze Procedere wirkte dementsprechend wie ein Showcase-Szenario, der schlechtesten Sorte. Aber zurück zu Jade Praize. Nun, ich gebe ja wirklich jedem Act eine Chance. Doch eine mit Glitzer-Haaren und Gitarre ausgestattete Amy-Winehouse-Kopie, die Töne ebenso oft traf wie Englische Fußballnationalmannschaften im Elfmeterschießen, war dann doch zu viel des Guten. Ich ließ die Kamera stecken und gönnte mir ein „Red Stripes“ an der Bar. Was das im Vergliech heißt, könnt ihr unten im „Wesentlichen“ nachlesen. Dann könnt ihr vielleicht nachempfinden, wie ich während diesem Konzert empfunden habe.

Aber, es wurde besser. Wenn auch nicht gleich. „Vamoosery“ hieß Band #2 an diesem Abend. Das Qunitett aus Coventry bezeichnet ihre Musik als „Rock/Prog/Pop“ – Influences geben sie von Muse bis Beyonce so ziemlich alles an. In-Ear-Monitoring inklusive, musikalisch ausbaufähig. Haben aber außer fünf Unerschrockene eh keine gehört. Die Therapie? Ein „Red Stripes“. Siehe unten.

Dann wurde es wirklich besser. Mit „Last of The Wonder Kids“ stand ein Trio auf der Bühne, das ich auch gerne noch ein zweites Mal hören möchte. Mag vielleicht an den vorangegangenen „Red Stripes“ liegen, aber dann wohl doch an der Musik der Combo aus Grimsby. Laut, fuzzy, rockig – darf auch gerne mal auf Europatour nach Österreich kommen, gerne auch in einer kleineren Location. Dumm halt, dass ebenso keine Sau zuhören wollte. Alex, Lorna und Ash nahmen es sportlich und machten quasi eine öffentliche Probe aus dem Gig, dessen halbstündiges Ende durch einen nervösen Manager des Abends bereits nach 10 Minuten mittels lautstarkem Herumfuchteln angekündigt wurde. Eine Band, die aber sicher auch größere Crowds gewohnt ist, und der man gerne eine Chance gibt und eine EP abkauft.

Den Abend beschlossen als Headliner aber dann die Herren von „Rainmaker„. Das Quartett aus Bristol hat seine Wurzeln eindeutig hörbar im Shoegaze/Post-Punk. Und, oh Wunder, es gab Bewegung im Publikum – unter den 10 Leuten, die wegen der Band gekommen waren. Aber das soll die Musik nicht schmälern: das macht durchaus Spaß, was Joe Collins und Co da auf der leider allzu kleinen Bühne veranstalten. Die EP „Shelly“ kann man gerne auf diversen Plattformen nachhören, und sollten es die vier je auf den Kontinent schaffen: bitte unterstützen, danke! Angesichts des Headliners schmeckte dann auch das „Red Stripes“ erstaunlich gut.

Aja, zum Wesentlichen: „Red Stripes“ war das Bier an diesem Abend, zum Preis von drei Pfund, mitten in London. Ja, richtig gelesen. „Jamaican Beer“, brewed by Heineken. Klingt überl? So schmeckte es dann auch – warmes heimisches Festivalbier wäre durchaus eine Alternative. Angesichts von Act #1 allerdings überlebensnotwendig, und nach dem fünften auch schon wurscht. Nicht so wurscht: das Häusl. Kennt ihr die Toilette aus Trainspotting? Nun, die wäre in dem Fall nicht mal die schlechtere Alternative gewesen. Nuff said.

Fazit? Man kann in London einiges abseits etablierter Venues entdecken. Eine Reise zwischen „Wow“ und „Würg“, die sich allerdings ausgezahlt hat. Vielleicht gibt es ja bald einen Part #2 der subtext abroad-Konzertberichte!

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.