Crossing Europe 2018: Jedem Dorf sein Underground

Die ewige Herbergsssuche der Jugendkultur in Steyr hat mit dem Kulturverein Röda ein Happy End gefunden. Die Reise dorthin ist von vielen Höhen und Tiefen geprägt. Der Film „Jedem Dorf sein Underground“ bringt die Geschichte auf den Punkt und lässt den Revolutionsgeist neu aufleben. 

Früher war alles anders. Statt gemeinsam feiern zu gehen, musste sich die Subkultur in Steyr in den Neuzigern erstmals etwas aufbauen. Für die alternative Jugendszene hatte Steyr rund um 1990 nichts anzubieten, kurzweilige „Pop-up“ Locations wurden mit viel Mühe eröffnet, aber auch schnell wieder geschlossen. Die Politik und die Gesellschaft war damals anscheinend noch nicht bereit für diese Art der Kultur. Erst eine Demo am Allerseelen Tag brachte das System ins Rollen. Woraus sich schließlich – mit kurzen Umwegen – das heutige Kulturzentrum Röda entwickelte.

Die Geschichte erinnert etwas an die Bibel – die ewige Herbergssuche, die Suche nach einem Ort, wo man seine Adoleszenz ausleben kann – und später im Jahr 2002 die alles verschlingende Flut in Form des Hochwassers. Jakob Kubizek, Produzent der Dokumentation, war selbst auch ein Teil der Bewegung und auch Mitglied in der Band „Superformy“- welche mit ihrem Hit „Pop will save the World“ (fast) international berühmt wurden.

„Wir sind damals als Jugendliche nicht feiern gegangen, sondern auf die Baustelle. Ich weiß noch gut, wie wir Überkopf die Dämmplatten an die Decke geschraubt haben.“(Jakob Kubizek)

Ehemalige Aktivisten wurden zu Wort gebeten und gemeinsam mit alten Konzertmitschnitten wurde die Geschichte verbildlicht. Durch die lebendigen Erzählungen konnte man 80 Minuten lang in einen ganz besonderen Teil der Musikvergangenheit Oberösterreichs eintauchen.

Stark im Vordergrund stand das Motto „Wenn es nichts gibt, müssen wir uns halt was schaffen.“ Zu Zeiten ohne Internet und Handys gestaltete sich die Organisation einer solchen Bewegung doch sehr anders als heutzutage – für eine Millenium-Kind kaum vorstellbar. Aber es funktionierte: es funktionierte sogar so gut, dass bei den Konzerten die Locations immer gut gefüllt waren, egal welche Band spielte.

Wenn man sich den Film anschaut und selbst in der Veranstaltungsszene aktiv ist, fühlt man sich etwas spießig: heutzutage muss man sich keine Locations erkämpfen oder seine Szene verteidigen. Alles besteht bereits und man braucht nur noch booken, bewerben und den Abend schupfen. Selbst Konzertveranstaltungen in kleinen Dörfern stoßen auf kaum Widerstand – das Veranstalten an sich ist wohl einfach weniger revolutionär geworden. Schade eigentlich. Und der Wunsch, damals dabei gewesen zu sein, ist durchaus vorhanden. Zumindest lassen uns Filme wie dieser oder „Es muss was geben“ im Kino oder zu Hause im Wohnzimmer an diesen Revolten teilhaben.

JEDEM DORF SEIN UNDERGROUND / We Built This City
Jakob Kubizek
Österreich 2018
DCP / color
80 Minuten
Deutsch
OmeU
Weitere Termine: 27.04  20:00 Uhr KAPU
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