„Im Rausch des Lärms“: Cloud Nothings im Wiener Chelsea
Die amerikanischen Lo-Fi Virtuosen Cloud Nothings plus lokaler Unterstützung in Form von Manic Youth luden unter der Woche zum lautstärkeintensiven Klangbad unter den Stadtbahnbögen. Ein kleines Konzerthighlight so früh im Jahr, das auch am nächsten Tag noch im Gehörgang nachhallte.
Das Wiener Chelsea präsentierte sich am Dienstag gut gefüllt – und das nicht nur weil das Champions League Achtelfinal-Hinspiel Manchester United gegen Paris Saint Germain übertragen wurde, sondern auch was das musikbegeisterte Klientel betraf. Cloud Nothings um Songschreiber Dylan Baldi kehrten nach einigen Jahren der Abstinenz nach Wien zurück um ihre im Herbst erschienene Platte „Last Building Burning“ vorzustellen. Freistoßmauer trifft „Wall of Sound“ – herrlich!
Eröffnet wurde der Abend von der Wiener Band Manic Youth, welche letztes Jahr erstmalig auf meinem Bildschirm auftauchten, als sie bereits die Band Nothing in der Arena supporteten. Gehört hatte ich bis auf die Single „Your Disco“ aber noch nichts. Ein Versäumnis, das es nun definitiv nachzuholen gilt, denn bei seiner Show machte das Trio definitiv Lust auf mehr. Verträumter Rock in der Schnittmenge zwischen Indie und Emo, wie man ihn hierzulande auch von Bands wie New Native oder Backwards Charm kennt, der aber zusätzlich von seiner großartigen Dynamik lebt. Viele rhythmisch vertrackte Parts, laut/leise-Spielchen und der mehrstimmige Gesang (auch wenn die backing vocals hier und da ein bisschen windschief daherkamen) schoben das Ganze in eine neue Perspektive. Wer sagt, dass ein Dream Pop Song nicht auch ein bisschen double bass vertragen kann?
Nach dem gelungenen Einstieg wurde in Windeseile die Bühne geräumt. Das zuvor detailverliebt mit Kunstblumen dekorierte Schlagzeug musste einer spartanischeren Ausführung weichen. Weniger ist mehr, gerade wenn es um Lo-Fi Bands wie Cloud Nothings geht. Ohne Umschweife wurde das Konzert mit „On An Edge“ eröffnet und in weiterer Folge die gesamte neue Platte „Last Building Burning“ von vorne bis hinten zum Besten gegeben. Acht Songs, ohne Ansage, konsequent und am Stück. Mitten im Set der Monolith „Dissolution“, der für die Band obligatorisch gewordene, lange Song, der in einer wunderbaren Lärm-Orgie enden und für offene Münder sorgen darf. So sieht also ein Schlagzeuger während eines epileptischen Anfalls aus.
Das Energiebarometer war unentwegt hoch, das Lautstärkelevel allerdings auch – und das oft etwas über die Grenzen des Verträglichen hinaus. Normalerweise klingeln die Ohren erst am nächsten Tag und nicht schon während des Konzertes, aber das mag sicherlich auch den akustischen Eigenheiten der Stadtbahnbögen geschuldet sein. Wie auch immer. Hinten raus kamen auch Langzeitfans mit Hits wie „Stay Useless“ (leider der einzige Song von „Attack On Memory“) und „I’m Not Part Of Me“ auf ihre Kosten. Stillstehen konnte schon vorher nicht die Devise sein, jetzt gab es aber endgültig kein Halten mehr. Wer die Website setlist.fm kennt und gesehen hat, dass am Vorabend in Prag noch „Wasted Days“ als Zugabe gespielt wurde, der konnte dann leicht enttäuscht sein, dass ebendiese trotz sehr ausdauernder „Zugabe“-Rufe verwehrt blieb, aber auch das konnte ein durchwegs fantastisches Konzert nicht trüben. Beim nächsten Mal lasse ich meine Oropax aber zu Sicherheit nicht zu Hause.
Fotos: Christoph Thorwartl