9 Jahre Wartezeit und aktueller denn je: Dendemann und die freie Radikale im Posthof Linz

Keine Rap-Jünglinge, dafür umso mehr Menschen, die wohl mit Dendemanns Musik aufgewachsen sind, füllen den ausverkauften Posthof vergangenen Freitag, um mit einem der wichtigsten Protagonisten des Deutschraps auf eine Zeitreise zu gehen.

Hochkarätig präsentierte sich zum Warmup der Wiener Appletree. Von Samy Deluxe gesigned und somit als Gütesigel für richtig guten Storytelling Rap zu verstehen, der selbst bei a capellas die Ohren schlackern lässt. Der umtriebige Appletree arbeitet als Booker, Manager und eben Rapper. Man spürt, dass Rap einen großen Teil seines Lebens einnimmt-  und das macht richtig Bock, die Arme in Boom Bap-Manier mitwippen zu lassen. Als Featuregast war niemand geringerer als der Lokalmatator Average auf der Bühne. It´s a Match.

Nun lag ein klein wenig Spannung in der Luft, was zum einen an der Anwesenheit des Großmeisters der Reime und Pointen, aber vor allem an dessen langer Bühnenabstinenz zu liegen schien. Neues Album, alte Hits & Classics, sowie Rap mit Herz und Message durfte man auch an diesem Abend erwarten. „Da nich für!“ heißt das neue und heißersehnte Album und es verwundert kaum, dass der Großteil seiner Tourtermine schnell ausverkauft waren.

Die Freie Radikale eröffnet und ein gereifter Daniel Ebel aka Dendemann betritt mit gewohnt bescheidener Coolness zum Opener „Wo ich wech bin“ die Bühne. Das Bühnenbild episch, Sound und Produktion perfekt. Auch die Setlist gestaltete sich als äußerst erfrischend. Von Songs aus dem Neulingswerk „Da nicht für!“ und „Kommt Zeit dreht Rad“ aus dem 2006 erschienen Album „Die Pfütze des Eisbergs“, „Endlich Nichtschwimmer“ oder „Stumpf ist Trumpf“ war so ziemlich alles abgedeckt.

„Realness“ trifft neue Welle des Raps
Dass Dendemann gerne Konventionen bricht, hat er spätestens mit „Vom Vintage verweht“ bewiesen, in dem er sich alter Rock-Rap Sounds bediente und Moses Schneider, welcher unter anderem als Produzent für die Beatsteaks und Tocotronic verantwortlich war, ins Boot holte. Was dabei entstand war eine Art „Garage Rap“, der rückblickend betrachtet vielleicht Vorreiter für neue Hip Hop oder Rapströme war, die sich heute an Elementen gitarrenlastiger Genres bedienen.

Und diese neuen Wege und Stilmittel hat sich Dendemann beibehalten. So ist „Da nich für“ ein modernes Hip Hop/Rap-Album, dessen Soundbild moderne Beatstrukturen authentisch adaptiert und mit Dendemanns gewohnt ausgeklügelter, politisch und gesellschaftskritischer Lyrik bespickt wurde.

Apropos neue Wege: im Moment scheint es so, als hätte die hiesige Medienlandschaft die wohl realsten Rezensenten in Sachen Rap am Start. Der moralische Zeigefinger gespitzt und das Einmaleins der Rapetikette verinnerlicht. Sie geben vor, was Rap sein darf und was nicht, beziehungsweise wer denn da überhaupt dazugehört. Und wenn millionenfach geklickte Afrotrapbeats aufhorchen lassen, oder – oh welch Schreck -Mütter beleidigt werden, mit dem Bizeps geprahlt wird oder Geschichten aus der Unterwelt auf den Beat gepackt werden, ist das nicht mehr real, sondern abstoßend und jugendgefährdend. Überhaupt hat die neue Generation von Rap „Rapculture“ nicht verstanden, sondern tritt sie mit Füßen. Alles klar. Dann geht ihr mal schön Wände anmalen, bisschen Breakdancen und legt euch Fettes Brot auf. Real Hip-Hop eben.

Während eben jene engstirnigen Moralisten und Hip-Hop-Kundler ihren Kummer über den Verlust der verinnerlichten Rapwerte von der Seele schreiben, geht Dendemann den richtigen Weg und öffnet sich, ohne sich selbst untreu zu werden, der neuen Soundästhetik. So funktionieren Songs wie die vom Berliner Kollektiv Kitschkrieg produzierte Single „Littbarski“ mitsamt Trettmann (Achtung, Dancehall!) als Feature auch live wunderbar.

Man sollte, aber muss es nicht mögen und verstehen, hat sich jedoch damit abzufinden, dass Hip-Hop oder Rap im Wandel ist. Zumindest Dendemann beweist mit Album und Show, dass beide Welten und Interpretationen von Rap koexistieren können.

Foto: Florian Lichtenberger, Andreas Wörister