Was macht man eigentlich als Künstler in der Corona-Krise, wenn einem die Theater- oder Konzertsaaldecke auf den Kopf fällt? Proben sind eh noch erlaubt – wenn es nach der Regierung geht. Doch soll man neue Stücke proben, wenn man sie dann nicht aufführen darf? Einen komplett anderen Weg geht einer der Hauptprotagonisten der Tribüne Linz, Rudi Mühllehner. Unter den Künstlernamen „Raul“ bringt der Schauspieler und Theaterleiter sein musikalisches Debut heraus – Singer/Songwriterkunst aus heimischen Gewässern, wo man gerne fischen möchte. Die Tribüne Linz im ehemaligen Theater Eisenhand in der gleichnamigen Straße kennt man mittlerweile. Mutige, ausgeklügelte Theateradaptionen bekannter Stoffe sowie das Bestreben, Theater nicht nur dem „klassisch“ für diese Kunstform interessierte Publikumsschicht näher zu bringen, zeichnen das Theater aus. Einer der beiden Verantwortlichen dafür, Rudi Mühllehner, gibt nur sein Debut als Musiker. Mit „Da Regn Is Nu Woam“ ist diese Woche seine erste Platte erschienen – und man merkt, dass der Künstler etwas hatte, was man gerade im freien Kulturbetrieb sonst nicht hat: Zeit. An dieser Stelle muss ich etwas ausholen. Denn die Tribüne Linz begleitet auch mich schon länger – genauer gesagt seit der Gymnasialzeit. Damals noch als „Bühne 04“ unterwegs, ohne fixes Theaterhaus, dafür ebenso aktiv waren die beiden Hauptprotagonisten der 2013 eröffneten Tribüne Linz damals schon. Eines der bleibensten Erinnerungen (neben grauenhaften Lernnächten für Sinus- und Cosinussatz für die Matura): die damalige Adaption der „Rozznjogd“ im Kulturzentrum Hof, und der damalige Schauspieler Rudi Mühllehner ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Umso schöner, dass er nun auch als Liedermacher sein Debut feiert. Mit „Da Regn Is Nu Woam“ hält man nämlich ein Kleinod in den Händen, das man in Krisenzeiten wie diesen vermisst hat. Rudi Mühllehner gibt auch selbst zu, dass die Platte erst jetzt erscheint, weil eben „Zeit dazu war“. „Chanson im Dialekt, musikalisch erzählt von einem Schauspieler mit Gitarre“ – so heißt es profan im Pressetext. Das würde „Da Regn Is Nu Woam“ aber nicht Genüge tun. Denn das Ergebnis sind insgesamt 13 Songs klassischer Singer/Songwriterkunst im Dialekt, das sich thematisch auf bekannten Pfaden bewegt, diese aber auch immer wieder verlässt. Arrangements? Minimalistisch, gerade in Zeiten von Corona und damit verbundener minimalistischem Kulturbetrieb ist es auch auf dieser Platte minimalistisch gehalten. Stimme, Gitarre, sonst nix. Mehr braucht es aber auch nicht. Thematisch verbindet man bekannte Liebesgefühle („Küssen auf’n Mund“) und damit verbundenen Problemchen („Im Cafehaus“), mit schmerzenden Abschieden („Novembergefühle“), kann aber auch ironische („Das Spiel (Mensch gegen Corona)“ samt Halbzeitanalyse) oder kabarettistische („A Speckbrot und a Lachsbrot“) Facetten entdecken. „Das Schwein“ ist die Raul’sche Variation des Ludwig Hirsch’schen „Der Wolf“ in fast noch morbiderer Manier, und der subjektiv stärkste Track der Platte „In meiner Gossn“ lässt den Zuhörer fast schon von Normalität (ohne das unsägliche „neue“ davor) träumen. Mit „Da Regn Is Nu Woam“ veröffentlicht ein umtriebiger Künstler ein Werk, das überfällig war. Angesichts dessen, dass nun endlich Zeit dafür war, fast schon ein positiver Aspekt der Coronakrise. Aber auch nur fast – denn live würde das dann doch um Einiges mehr Spaß machen! Raul – „Da Regn Is Nu Woam“ Tracklist 1 I glaub i wia a Noa 02 Das Spiel (Mensch gegen Corona) 03 I soit imma gern 04 Die Trivialität 05 Küssen auf´n Mund 06 Im Caféhaus 07 Novembergefühle 08 Unser Zeit 09 A Speckbrot und a Lachsbrot 10 Das Schwein 11 Waun du lochst 12 In meiner Gossn 13 Nochtschottngewächse www.raul-musik.at Fotos: © C.B. Schneider Artikel teilen Facebook Twitter geschrieben von Christoph Leeb Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.
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